Foto: Ars Produktion Hi-Res-Diskografie Qobuz
CD-Rezension:
Florian Klaus Rumpf
„A Mandolins’s Guide to Hamburg“
von Dr. Andreas Ströbl
Ein völlig in sich ruhender Florian Klaus Rumpf sitzt auf dem Coverphoto seiner CD an einem Kai des Hamburger Hafens, die Mandoline liebevoll in den starken Armen haltend. Auf seiner bunten Hose schwimmen weiße und blaue Fische auf rotem Grund, im Hintergrund ist ein rotes Fährschiff zu erahnen.
Wer nun aber auf dieser CD Shanties oder Hans-Albers-Reminiszenzen erwartet, sitzt auf dem falschen Dampfer, denn hamburgisch oder hanseatisch ist diese Musik tatsächlich nicht. Auch bezieht er sich nicht auf die Komponisten, die in Hamburg gewirkt haben wie Hasse, Telemann,
CPE Bach, Mendelssohn, Brahms oder Mahler. Der Musiker fängt vielmehr Eindrücke und Stimmungen auf und möchte mit seiner Musik Geschichten erzählen. So nimmt er sein Publikum an die Hand, um die feinen atmosphärischen Zwischentöne wahrzunehmen und frei mit verschiedenen Stationen in seiner Wahlheimat zu assoziieren.
Neben eigenen Kompositionen hat er sich von Werken eher weniger bekannter Komponisten inspirieren lassen, von denen Carl Friedrich Abel aus dem 18. Jahrhundert der älteste ist. Raffaele Calace und Albert John Weidt haben beide jeweils von der Mitte des 19. bis in die des 20. gelebt, während Mark Summer, Victor Kioulaphides, Chris Acquavella, Masataka Hori und Keizo Ishibashi sämtlich lebende, teils noch relativ junge Zeitgenossen sind. Gerade den japanischen Komponisten widmet Rumpf dabei eine besondere Aufmerksamkeit. Ganz ehrlich – wer denkt bei „Mandoline“ an Japan? Auf diese Weise entsteht eine erfrischende, überraschende Hörerfahrung.
So steht Rumpf gleichsam mit der Einkaufstasche in der einen und der Mandoline in der anderen Hand auf dem Fischmarkt, in fröhlicher Korrespondenz mit Mark Summer und dessen lebenslustigem Stück „Julie-O“, dessen Leichtigkeit die Betriebsamkeit des beliebten Marktes mit all seinen Marktschreiern, Touristen und echten Hamburgern atmet.
In der Struktur des Preludio von Raffaele Calace findet der Musiker unterschiedliche Haltestellen, die er mit denen der U-Bahnlinie U3 verbindet, mit der verschiedene Sehenswürdigkeiten Hamburgs erreicht werden können. Eine davon ist die Hauptkirche St. Michaelis, besser bekannt als „der Michel“. Wer Hamburg kennt, wird beim Lesen der Booklet-Texte bemerken, dass die zugrundeliegenden Fakten, beispielsweise im Text zu Hamburgs Wahrzeichen, sehr gut recherchiert sind und der gebürtige Mainfranke tatsächlich völlig in der von ihm so geliebten Stadt angekommen ist.
Weltoffenheit und eine starke Verbindung nach Skandinavien und Großbritannien sind Charakteristika der Hansestädte und lange vorüber sind die Zeiten, als der Kaufmannsbund unter seiner Königin Lübeck Krieg gegen die Nordländer führte. So beschwört auch Rumpf mit seiner Eigenkomposition „Irish Stew“ eine rein kulinarische Nähe zwischen dem Hamburger Labskaus und der irischen Variante der Reste-Veredelung. Musikalisch tut er das, indem er mit folkloristischen Anklängen an die der grünen Insel spielt.
Dies sind nur drei ausgewählte Beispiele und es lohnt, sich die unterschiedlichen Klangfarben, Spielweisen und Interpretationen der insgesamt 13 Stücke genau anzuhören. Schließlich steckt in dieser Einspielung die detailverliebte Arbeit von drei Jahren und es sind zudem vier verschiedene Instrumente, die Rumpf zum Klingen bringt. Mandoline ist eben nicht Mandoline und so sind auf der CD die Neapolitanische und die Barockmandoline sowie Mandola und Liuto cantabile zu hören. Die Mandola ist tiefer gestimmt als die Mandoline, während das Liuto cantabile über eine zusätzliche Saite verfügt.
Hand aufs Kritikerherz – man kann diese besondere CD ebensogut auf der Fahrt nach Bayreuth oder im Urlaub in südlichen Gefilden hören. Was Hamburg angeht, darf man gespannt sein, ob man den Musiker einmal in der „Elphi“, dem „Michel“ oder einem anderen, eher ungewöhnlichen Standort wird hören können. Der alte Elbtunnel auf der Rückseite der CD wirkt wie eine Aufforderung, dieses besondere Baudenkmal von 1911 einmal mit Mandolinenklängen zu füllen. Die Fische auf den Jugendstilfliesen würden sich sicher gut mit denen auf Florian Rumpfs Hose verstehen.
Dr. Andreas Ströbl, 20. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Florian Klaus Rumpf, A Mandolin’s Guide to Hamburg. Ars Produktion 2022, Best. Nr. 10928193
Interview mit dem Wahl-Hamburger Florian Klaus Rumpf klassik-begeistert.de
Chris Thile, Mandoline Elbphilharmonie, Elbphilharmonie Hamburg
L’Arpeggiata/Christina Pluhar, Elbphilharmonie, Großer Saal, 13. April 2022