Die optisch äußerst ambitioniert aufgemachte Box mit CDs, einer Blu-ray Disc und einem umfangreichen Begleitbuch bewegt sich auf dem hohen Standard, den diese Editionen der Berliner Philharmoniker ausmacht. Komplettiert werden die Mitschnitte durch einen fast einstündigen Interview-Film, in dem Frank Peter Zimmermann viel über sein künstlerisches Credo und seine Zusammenarbeit mit den hier vertretenen Dirigenten erzählt, und man einen fast intimen Einblick in seine Persönlichkeit erhält.
Frank Peter Zimmermann, Violine
Berliner Philharmoniker
Daniel Harding Dirigent
Kirill Petrenko Dirigent
Alan Gilbert Dirigent
von Peter Sommeregger
Die Berliner Philharmoniker und der Ausnahme-Geiger Frank Peter Zimmermann pflegen eine bereits seit vielen Jahren andauernde Künstler-Freundschaft. Über die Jahre hat Zimmermann mit dem Orchester unter wechselnden Dirigenten eine Vielzahl von Konzerten gegeben, seit er unter Daniel Barenboim mit dem Mendelssohn-Konzert in der Berliner Waldbühne debütierte.
Das Orchester widmet dem Geiger nun in seiner Reihe eleganter CD/Blu-ray Discs eine prächtige Box mit Mitschnitten von insgesamt vier Konzertauftritten Zimmermanns.
Den Anfang macht eine wunderbar ausmusizierte Aufführung von Beethovens D-Dur-Konzert mit den Kadenzen von Fritz Kreisler. Beethovens einziges Violinkonzert, das bei seiner Uraufführung 1806 auf ein relativ unverständiges Publikum stieß, setzte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts endgültig durch. Zimmermann und der Dirigent Daniel Harding geben der an dramatischen Effekten reichen Partitur genügend Raum, um sich voll zu entfalten. Zimmermanns Vertrautheit mit dem Stück trägt zum Gelingen wesentlich bei, mit traumwandlerischer Sicherheit führt er den Solopart mit allen Facetten aus.
Erheblich spröder sind die anderen in der Box enthaltenen Werke. Alban Bergs letztes Werk, das Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ gewidmet, stellt eine Art Requiem für die 18-jährig verstorbene Manon Gropius, die Tochter Alma Mahlers und Walter Gropius’ dar, wurde aber schicksalhaft auch zu Alban Bergs eigenem Requiem.
Die Uraufführung des Werkes hat der Komponist nicht mehr erlebt. Wie kein anderes Werk der Zwölftontechnik hat dieses vom Geiger Louis Krasner bei Berg bestellte Werk eine erstaunliche Popularität erreicht. Das liegt wohl hauptsächlich daran, dass Berg dem Konzert ein gut nachvollziehbares Konzept gab, und vor allem tonale Elemente wie einen mehrfach variierten Kärntner Ländler und einen Bach-Choral einfließen ließ.
In den einleitenden Phrasen entlockt Zimmermann seiner Stradivari unglaublich sanfte, lyrische Töne von schwerer Süße. Petrenko nimmt das groß besetzte Orchester streckenweise fast kammermusikalisch zurück, erst zu Beginn des zweiten Satzes, der den Einbruch der Katastrophe in Manons Leben schildert, entfaltet es die angestrebte Wucht und Dramatik. Gegen Ende tauchen noch einmal, stark verfremdet, die Motive des Ländlers auf, die Zimmermann mit unendlicher Wehmut auskostet. Eine große, im Gedächtnis bleibende Interpretation! Die beiden Violinkonzerte Béla Bartóks sind zwei sehr verschiedenartige Werke. Das erste entstand 1907/08 und war der jungen Geigerin Stefi Gayer zugedacht, in die sich Bartók verliebt hatte. Sie wies jedoch seine Werbung wie das Konzert zurück, das bis lange nach Bartóks Tod unveröffentlicht blieb und erst 1958 uraufgeführt wurde. Es ist noch Bartóks erster Schaffensperiode zuzurechnen. Die Beschäftigung des Komponisten mit ungarischer Volksmusik findet in dem Stück einen deutlichen Niederschlag.
Dreißig Jahre nach dem ersten komponierte Bartók ein zweites Violinkonzert. Stilistisch unterscheidet es sich grundlegend von dem ersten, es handelt sich um ein Auftragswerk des Geigers Zoltán Székely, mit dem der Komponist befreundet war. Székely spielte auch die Uraufführung des Werkes 1939 mit dem Concertgebouworkest unter Willem Mengelberg. Der Geiger hatte bereits während der Komposition wesentlichen Einfluss auf die Struktur des Werkes genommen, er trotzte Bartók förmlich die traditionelle dreisätzige Form ab.
Durch ihren hohen Schwierigkeitsgrad und die unleugbare Sprödigkeit von Bartóks Musik gehören die Konzerte nicht unbedingt zum Kernrepertoire der Geigenvirtuosen. Frank Peter Zimmermann schätzt aber gerade diese Werke besonders, hat sie häufig aufgeführt, die Aufführungen unter Alan Gilbert fanden auf ausdrücklichen Wunsch Zimmermanns statt, und geben dem Virtuosen Gelegenheit, seine starke Affinität für diese Musik zu demonstrieren.
Die optisch äußerst ambitioniert aufgemachte Box mit CDs, einer Blu-ray Disc und einem umfangreichen Begleitbuch bewegt sich auf dem hohen Standard, den diese Editionen der Berliner Philharmoniker ausmacht. Komplettiert werden die Mitschnitte durch einen fast einstündigen Interview-Film, in dem Frank Peter Zimmermann viel über sein künstlerisches Credo und seine Zusammenarbeit mit den hier vertretenen Dirigenten erzählt, und man einen fast intimen Einblick in seine Persönlichkeit erhält.
Peter Sommeregger, 7. November 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD- Rezension: Anton Bruckner, Symphonien 1-9, Berliner Philharmoniker