Thielemann und Trifonov: Magische Momente im Großen Festspielhaus in Salzburg

Sächsische Staatskapelle Dresden
WOLFGANG AMADEUS MOZART
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 21 C-Dur KV 467
ANTON BRUCKNER
Symphonie Nr. 4 Es-Dur „Romantische“
Daniil Trifonov Klavier
Christian Thielemann Dirigent
Großes Festspielhaus, Salzburg

Das gefiel dem Meister ganz und gar nicht. Christian Thielemann, Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden und Künstlerischer Leiter der Osterfestspiele Salzburg, bereitet seinen Klangkörper und sich auf den vierten Satz von Anton Bruckners Symphonie Nr. 4 vor. Es herrscht absolute Ruhe im Großen Festspielhaus. Thielemann will schon anschlagen: Da hustet ein älterer Zuschauer aus dem Parkett furchterregend in die Stille.

Thielemann dreht sich zum Publikum um, alles andere als „amused“. Er wirft einen zornigen Blick in Richtung des Missetäters, holt einen weißes Taschentuch aus seiner rechten Fracktasche und wedelt damit in Richtung des Ruhestörers. Ein leises Raunen und Schmunzeln geht durch das Halbrund. Dann meditiert Thielemann wieder 20 Sekunden lang, schlägt an – und wunderbar erklingt im feinstes Pianissimo der Schlusssatz der „Romantischen“. Wahnsinn, der 1. Hornist muss Nerven haben wie Drahtseile…

Das bewegende Finale – „bewegt, doch nicht zu schnell“ – war mit seiner Eindringlichkeit der Höhepunkt eines grandiosen Konzerts des Dresdner Orchesters, das zu recht zu den besten zehn Klangformationen der Welt zählt. Es war eine Wonne mitzuerleben, mit welcher Leidenschaft und Hingabe die Musiker das ganze Spektrum der Klangfarben und Lautstärken vom Pianissimo bis zum Fortissimo darboten. Der Kontrabassspieler in der letzten Reihe, zweiter von links, schien in Bruckners Meisterwerk zu versinken. Mit vollem körperlichen Einsatz gewann er seinem Arbeitsgerät alles ab. Es war eine Freude, werter Musiker, Sie beim Verrichten Ihres Handwerks zu beobachten.

Ganz hervorragend geriet die Darbietung des ersten Hornisten, der sich bei diesem für Hörner so überaus anspruchsvollen Werk den ganzen Abend lang nur einen kleinen Fehler leistete. Auch seine Mitspieler und die Mitspielerin waren sehr gut, wobei sie hin und wieder nicht zu 100 Prozent den richtigen Ton trafen.

Überwältigend gerieten die Solopassagen der ersten Flötistin, die elfengleichschöne Töne zu spielen vermochte. Sie bekam zu Recht den größten Einzelapplaus des frenetischen Publikums.

Star des Abends war der Meister persönlich: Christian Thielemann. Der Beifall für den gebürtigen Berliner wollte nicht enden. Sein Einsatz, seine Präsenz, seine omnipräsente Führung des Orchesters waren beispielgebend. Besser geht Bruckner nimmer. Der Thielemann ist nicht nur bei Wagner ein Gigant.

Besonders klug und musikalisch beeindruckend agierte Thielemann auch bei einer Kunstpause im Finale. Sieben Minuten vor Schluss hatten zwei Herrschaften aus Reihe zwei just in jenem Moment die Chuzpe, den Konzertsaal zu verlassen. Ein Horror für einen Ohrenmenschen wie Christian Thielemann, der kurz zur Seite schaute. Und was machte er? Er ließ die Kunstpause fast bis ins Unermessliche verstreichen, bis die Herrschaften die Reihe verlassen hatten und fast schon am Ausgang angelangt waren. Dann ging es mit einem energischen Aufschlag weiter.

Ja, und Thielemann kann nicht nur den oft so gewaltigen Oberösterreicher Bruckner dirigieren. Er agierte auch ganz wunderbar im ersten Teil des Abends: zu Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert für Klavier und Orchester Nr. 21 C-Dur. Dieser Mozart kam so leicht, so frisch, so spielerisch, so einfühlsam bis heiter herüber, dass es ein Jammer war, als nach 30 Minuten die letzten Töne erklungen waren.

Dass dieser Mozart so großartig in dessen Geburtsstadt erklang, lag außer Thielemann an Daniil Trifonov am Steinway-Flügel made in Hamburg. Der 26 Jahre alte Shooting-Star aus dem russischen Nischni Nowgorod spielte mit einer so – ja man möchte es gerne sagen: göttlichen – Leichtigkeit, dass es vielen Zuhörern den Atem verschlug. Es war zum Weinen schön, wie dieser Mozart perlte, wie dieser Pianist mit dem modischem Vollbart die Läufe zelebrierte, wie zärtlich und leise er die kostbaren Stellen kredenzte, die zum Innehalten und Träumen animieren.

Das, lieber Herr Trifonov, waren magische Momente im Festspielhaus. Spasibo!

Auch das Publikum in Salzburg nahm den Abend mit großer Dankbarkeit und Demut auf: „Es ist wirklich wunderschön und erhebend, wie dieser junge Pianist gemeinsam mit Christian Thielemann Mozart dargeboten hat“, resümierte Silvia Sager aus Wien. „Beide haben mich einfach abgeholt und mitgenommen – dafür bin ich sehr dankbar.“

Und auch Regina Mayer aus Würzburg war fast sprachlos ob der phantastischen Darbietungen: „Ich habe hier in Salzburg schon Claudio Abbado und Sir Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern erlebt – und alle waren Weltklasse. Ein Christian Thielemann, die Sächsische Staatskapelle Dresden und dazu noch ein Daniil Trifonov erreichen meine Seele genauso und sind ebenso phantastisch.“

Andreas Schmidt, 17. April 2017
klassik-begeistert.at

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