Glucks „Alceste“ beleuchtet ein bedeutendes Thema, das aktueller kaum sein könnte: Sich selbst opfern für die große Liebe. Bei den Gluck Festspielen hat man das authentisch und intensiv vermittelt.
Foto: Alceste im markgräflichen Opernhaus von Bayreuth, v.l.n.r. Aco Biščević (Evandro), Markéta Klaudová (Ismene), Anna Kasyan (Alceste) © Khrystyna Jalowa
Markgräfliches Opernhaus, Bayreuth, 14. Mai 2022
Christoph Willibald Gluck Alceste
von Jürgen Pathy
Wer gedacht hat, Bayreuth bietet nur Wagner, hat sich getäuscht. Unweit des „Festspielhauses“, nur einen Steinwurf entfernt von Haus Wahnfried, etabliert sich gerade ein anderes Festival in der oberfränkischen Kleinstadt. Seit Intendant Michael Hofstetter die Gluck Festspiele übernommen hat, erstrahlt das Festival in neuem Glanz.
Mit dem Markgräflichen Opernhaus hat man in Bayreuth ein Juwel erschlossen, das als eine der Spielstätten wie geschaffen ist für Gluck. 2012 hatte man das UNESCO-Weltkulturerbe geschlossen. Nach aufwändigen Renovierungsarbeiten 2018 wieder feierlich eröffnet und damit einen idealen Ort geschaffen, um Glucks außergewöhnliches Oeuvre in entsprechender Atmosphäre zu präsentieren.
Einen Beweis, wie nahtlos sich eine Inszenierung in die barocke Bausubstanz des Hauses fügen kann, boten Samstagabend die Musiker und Sänger unter der beherzten Leitung von Michael Hofstetter. In einer Koproduktion mit dem Theater Pilsen widmeten sich die Gluck Festspiele einer szenischen Aufführung von „Alceste“, in der italienischen Urfassung von 1767. Ein Geniestreich, der bereits in riesigen Schritten den Weg zum durchkomponierten Werk Richard Wagners geebnet habe, strahlt Hofstetter übers ganze Gesicht.
Aufopferung für die Liebe
Das Sujet von Glucks „Alceste“ ist schnell erklärt: Königin Alceste opfert ihr Leben für ihren todkranken Mann Admeto. Dieser kann ohne seine Gattin allerdings nicht mehr glücklich werden. Um diese emotionale Schieflage wieder zu glätten, erscheint in letzter Minute Apollo, der Gott des Lichts und der Vernunft, um die beiden wieder zu vereinen. Dass es den Verantwortlichen der Gluck Festspiele gelungen ist, dieses Seelendrama authentisch auf die Beine zu stellen, ist zwei Aspekten zu verdanken.
Erstens, weil sich das statische Bühnenbild, in das man nur minimal eingreifen darf, anstandslos in das aristokratische Sujet von Glucks Oper fügt. Die Säulen aus hellblau gefärbtem Stuck und Holz, die sich weit nach hinten über die Bühne ziehen, spiegeln beinahe identisch den majestätisch-anmutigen Zuschauerraum des Markgräflichen Opernhauses.
Zweitens, weil es gelungen ist, überwiegend großartige Sängerdarsteller mit an Board zu holen. Die aus Georgien stammende Anna Kasyan gibt eine ausgesprochen beeindruckende Alceste. Auch wenn der eine oder andere Spitzenton etwas Glanz vermissen lässt, erschüttern ihre majestätischen Attacken, die in tieferen Lagen bronzefarben strahlen, bis tief ins Mark. „Mich hat es schwer berührt“, sagt eine Dame, die in Bayreuth schon bei vielen Opernvorstellungen mitgefiebert hat. Barock sei aber eher Neuland. Sonst sei sie regelmäßig im Festspielhaus, wo sie „Der fliegende Holländer“ zum ersten Mal in Wagners Bann gezogen habe und nie wieder losgelassen.
Großer Puplikumszuspruch in Bayreuth
Ebenso bewegt hat aber auch der Rest der „Alceste“-Besetzung. Mit Khanyiso Gwenxane steht Alceste ein junger Südafrikaner zur Seite, der als König Admeto mit weicher Güte punktet. Als Apollo noch nicht das ganze Potenzial seines Baritons ausgeschöpft, hat der blutjunge Daniel Kfelíř. Aco Biščević gibt einen Evandro, der selbst in den höchsten Sphären nicht ins Falsett flüchten muss. Und dass man auch noch auf energiegeladenem Legatogesang der Extraklasse dahingleiten darf, ist der Sopranistin Markéta Klaudová als Ismene zu verdanken, die am Ende ebenso viel Applaus erhält, wie der Rest der überwiegend jungen Sänger und Sängerinnen.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 16. Mai 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Meine Lieblingsoper, Teil 3: Christoph Willibald Glucks „Orfeo ed Euridice“, klassik-begeistert.de
Christoph Willibald Gluck, Alceste, Bayerische Staatsoper München, 29. Mai 2019
Sehr geehrter Herr Pathy!
Ich befürchte, Sie waren vor der Grenzöffnung und vor der Gründung der Universität das letzte Mal in Bayreuth. Inzwischen hat sich einiges getan.
Die kreisfreie Stadt Bayreuth hat 75.000 Einwohner. Ist Sitz der Regierung von Oberfranken und hat zwei Hochschulen. Von allen anderen Einrichtungen, z.B. der Scheune auf dem grünen Hügel, vier Kliniken und jede Menge zentraler Behörden mal abgesehen.
Wieviele Einwohner muss eine Stadt haben, dass sie nicht mehr Kleinstadt genannt wird?
Prof. Karl Rathgeber