Foto: Staatsoper Berlin, L’INCORONAZIONE DI POPPEA © Bernd Uhlig
Auch die kleinen und kleinsten Rollen sind adäquat besetzt und das Spektakel, mit über drei Stunden Spielzeit nicht gerade kurz, langweilt keinen Augenblick. Warum hat man auf diese Musik eigentlich Jahrhunderte lang vergessen?
L’Incoronazione di Poppea
Musik von Claudio Monteverdi
Text von Giovanni Francesco Busenello
Ottavia Natalia Skrycka
Nerone Carlo Vistoli
Poppea Slávka Zámečníková
Ottone Bejun Mehta
Seneca Grigory Shkarupa
Drusilla Evelin Novak
Nutrice Jochen Kowalski
Musikalische Leitung Jean-Christophe Spinosi
Inszenierung Eva-Maria Höckmayr
Bühnenbild Jens Kilian
Kostüme Julia Rösler
Staatsoper Unter den Linden, 26. November 2022
von Peter Sommeregger
Seit 2017 wird diese Produktion bei den Barocktagen an der Staatsoper gezeigt. Im Gegensatz zu nicht wenigen Inszenierungen am Haus besucht man diese immer wieder gern, ihr ganz spezieller Zauber hat sich über die Jahre und viele Umbesetzungen frisch erhalten.
Monteverdis letzte erhaltene Oper, zugleich eines der ältesten immer noch gespielten Werke, ist von ihrer Konzeption her ein fast modernes Stück. Subtil zeigt es den moralischen Verfall des antiken Roms am Beispiel des Kaisers Nero, der gegen Recht und Gesetz seine Gemahlin Ottavia verstößt, um seine Geliebte Poppea zur Kaiserin machen zu können. Der Reiz der Handlung liegt mit darin, dass man es hier mit historischen Figuren zu tun hat, und die Handlung weitgehend der Geschichtsschreibung folgt.
Die Regisseurin Eva-Maria Höckmayr siedelt die gesamte Inszenierung auf der abgeschrägten, golden schimmernden Bühne ohne Versatzstücke an. Alle handelnden Personen sind permanent präsent, kommt es zu ihren Auftritten, treten sie nach vorne. So entsteht ein gestisch angedeutetes Beziehungsgeflecht zwischen den Personen, das durchaus reizvoll ist. Der Bühnenbildner Jens Kilian lässt den vergoldeten Hintergrund für sich sprechen, lediglich die wechselnde Beleuchtung verändert die Szene. Die prächtigen Kostüme von Julia Rösler orientieren sich eher an der Entstehungszeit der Oper.
Die Akademie für Alte Musik Berlin beweist mit dieser ungemein geschlossenen Aufführung erneut ihre Kompetenz, der Dirigent Jean-Christophe Spinosi hält die musikalischen Fäden sicher in der Hand, zu Recht wird er nach der Pause und am Ende bejubelt. Ihm steht ein erstklassiges Sängerensemble zur Verfügung, ausschließlich erfahrene Künstler der Barock-Szene, die diesen Stil verinnerlicht haben.
Als Nero glänzt Carlo Vistoli mit einem schön und farbenreich timbrierten Countertenor, dessen Stimmumfang wie Rollengestaltung beeindruckend sind. Seine Gattin Ottavia stattet Natalia Skrycka neben der erforderlichen Würde auch mit einem weichen, strömenden Mezzosopran aus. Die Hauptperson Poppea singt Slávka Zámečniková mit sehr ansprechendem, warm timbrierten Sopran, wird sowohl den dramatischen wie den lyrischen Passagen der Partie ausgezeichnet gerecht. Bejun Mehta gibt dem Ottone einen sehr melancholischen Grundton, was der Rolle entspricht und ihn erneut als einen der führenden Countertenöre bestätigt. Mit erfrischend hellem Sopran ist Evelin Novak seine standhafte Drusilla. Ein Kabinettstück liefert Jochen Kowalski als gealterte Nutrice. Kowalski, einst der erste Altus in Berlin, ist hier ein Pionier des Countergesanges gewesen, und die Wiederbegegnung mit ihm macht Freude.
Auch die kleinen und kleinsten Rollen sind adäquat besetzt und das Spektakel, mit über drei Stunden Spielzeit nicht gerade kurz, langweilt keinen Augenblick. Warum hat man auf diese Musik eigentlich Jahrhunderte lang vergessen?
Peter Sommeregger, 27. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Blu-ray-Rezension: Claudio Monteverdi, L’Incoronazione di Poppea klassik-begeistert.de
Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea Wiener Staatsoper, 6. Oktober 2021