Daniel Hope begibt sich auf musikalische Spurensuche seiner irischen Vorväter

Daniel Hope & AIR Ensemble  Bremer Konzerthaus Die Glocke, 5. November 2024

Bremen – Daniel Hope in Concert © Sören L. Schirmer

Irish Traditionals sowie Ausschnitte aus Werken von Thomas Roseingrave, Henry Purcell, Domenico Scarlatti, Johann Sigismund Kusser, Francesco Geminiani, James Oswald, Antonio Vivaldi und  Turlough O’Carolan

Daniel Hope Violine und Moderation
AIR Ensemble

Bremer Konzerthaus Die Glocke, 5. November 2024

von Dr. Gerd Klingeberg

„Eigentlich müsste man jetzt in einem irischen Pub sein, mit einem kühlen Glas Bier in der Hand…“ sinniert Daniel Hope kurz vor Konzertende. Spät, aber wahr; denn allein durch eine grüne Hintergrundbeleuchtung kann die Glocke als Konzertsaal schwerlich eine irische Atmosphäre bieten. Musikalisch ließe sich da einiges tun, doch was Frontman Hope und sein AIR Ensemble an diesem Abend dafür aufbieten, wäre zweifellos noch ausbaufähig. Erste irische Eindrücke vermitteln die sechs Instrumentalisten mittels kurzer Irish Traditionals mit typisch eingängigen, vielfach wiederholten und variierten und dabei zunehmend schneller gespielten Motiven. Das ist, nun ja, nette unterhaltsame Gute-Laune-Musik.

In seiner väterlich-freundlich vorgetragenen, anekdotisch angereicherten Moderation erläutert Hope musikhistorische Zusammenhänge. Etwa, dass ein gewisser irischer Organist namens Thomas Roseingrave wegen seines Faibles für Domenico Scarlatti dessen Kompositionen in seine eigene Musik in quasi irischer Färbung einfließen ließ. Oder dass ein so schlicht und heimelig anmutendes kleines „New Irish Tune“ von Henry Purcell, das spieluhrartig auf der kleinen irischen Harfe gezupft vorgetragen wird, auch einen dramatisch martialischen Hintergrund hat – was dann auch prompt mit einer entsprechend markanten Version samt Militärtrommelgetöse belegt wird.

Bremen – Daniel Hope in Concert © Sören L. Schirmer

Einen kleinen Spaß liefern sich die beiden Geiger Hope und Simos Papanas: Wer kann eine Cembalosonate von Scarlatti am rasantesten fiedeln? Beide schrubben, was die Bögen hergeben, Tempo geht dabei klar vor Klangschönheit. Und am Ende des violinistischen Duells gibt es ein glattes Unentschieden.  Wie es sonst im damaligen Irland vor gut 300 Jahren geklungen haben mag, demonstriert das Ensemble mit Ausschnitten aus einer Suite populärer Tänze von Johann Sigismund Kusser, mit einer gemütvollen volkstümlichen Melodie „Auld Bob Morrice“ in einer Bearbeitung des italienischen Komponisten Francesco Geminiani sowie mit kurzen, schwungvoll präsentierten Beispielen aus dem Œuvre des schottischen Musikers James Oswald. Das mag recht kurzweilig sein, reißt das Bremer Publikum im ausverkauften Saal indes nicht unbedingt von den Sitzen.

Schmissiger kommt das Traditional „The Minor Bee“ als Einstieg nach der Pause. Auch dabei kann Geiger Hope seine klassischen Wurzeln jedoch schwerlich leugnen; seinen ‚klassisch sauber‘ gestrichenen Darbietungen und seinem Gestus fehlt die „fiddlerische“ Unbekümmertheit und Spontaneität, das, was den besonderen Reiz traditioneller irischer Musik ausmacht. Beispiele aus dem Werk von Antonio Vivaldi, darunter das dereinst in Irland ungemein populäre Allegro aus seinem Konzert Nr. 5 für 2 Violinen, bieten eine gute Möglichkeit für heiter agiles Aufspielen.

Bremen – Daniel Hope in Concert © Sören L. Schirmer

Doch der mitreißende Pep dieses Werkes wird konterkariert durch ein überaus verhalten vorgetragenes Preludio (aus: Triosonate op. 1/8), was eine Zuhörerin zu der leise geäußerten Frage veranlasst: „Schläft er gleich ein?“. Nun ja, der Kontrast zum nachfolgenden Allegro (aus: Konzert h-Moll RV 387 „Slip Jig“) wirkt dadurch immerhin erheblich ausgeprägter.

In seinen locker flockigen Moderationsplaudereien unternimmt Hope einen kleinen Ausflug in die eigene Familienhistorie, erzählt etwa von seinem Urgroßvater, der, wie so viele andere Landsleute, seine irische Heimat in den 1890er Jahren verlassen hat. Einige irische Traditionals untermalen die Geschichte, darunter „Codladh an Óighir“, eine mit rührseligem Schmelz präsentierte frühe Version des wohl bekanntesten irischen Songs „O Danny Boy“.

Bremen – Daniel Hope in Concert © Sören L. Schirmer

Fast schon ein bisschen peinlich wirkt die arg ausführliche Vorstellung seiner fünf Ensemblemitglieder, deren Qualitäten Hope in allerhöchsten Tönen lobt, bevor das Sextett sein Programm mit dem jazz-fetzig intonierten „Morning Nightcap“ abschließt. Und jetzt zeigt sich das Auditorium geflasht, man applaudiert begeistert und erhebt sich zu Standing Ovations. Worauf Hope und das Air Ensemble mit „Cotton Eyed Joe“ eine sportlich schmissige Bluegrass-Zugabe nachlegen, die leider mehr oder weniger im Mitklatschen untergeht.

Das lässt die diversen Längen im gemütlich-unterhaltsamen Programmablauf weitestgehend vergessen. Und wenn hier und da noch etwas nachjustiert würde, könnte Hopes „Herzensprojekt“ – nämlich die vielfältigen Verbindungen traditioneller irischer und klassischer Musik in einer interessanten Konzertform zu veranschaulichen – selbst in ‚hehren‘ Konzertsälen wie der Bremer Glocke einen deutlich spannungsintensiveren Hauch echter irischer Pub-Atmosphäre vermitteln.

Dr. Gerd Klingeberg, 6. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Jan Lisiecki Klavier, Tarmo Peltokoski Dirigent, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Bremer Konzerthaus Die Glocke, 10. Oktober 2024

Julia Hagen, Violoncello, Nil Venditti, Dirigentin, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Bremer Konzerthaus Die Glocke, 11. September 2024

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