Foto: A. Declair (c)
Daphne, Richard Strauss
Hamburgische Staatsoper
1. März 2017
von Leon Battran
Schuhe poltern, Gläser klirren, die Figuren verkleiden und entkleiden sich. Zügelloses Treiben, viel Gesang und Bohei in rustikaler Oktoberfestaufmachung: Einige genussvolle Momente hatte sie zu bieten, diese Aufführung von Richard Strauss‘ Daphne in der Hamburgischen Staatsoper. Der Funke wollte trotzdem nicht so recht herüberspringen – zu blass war die gesangliche Leistung. So blieben der Wow-Effekt und die ganz große Begeisterung leider aus.
Daphne wird von den eigenen Eltern genötigt, an den dionysischen Festivitäten teilzunehmen und so unwillentlich in die Rolle eines Lustobjekts für Männer gedrängt. Sie ist allein mit sich selbst, weil sie in den Männern weder Verlass noch Vertrauen findet; nur geiferndes Verlangen und Gieren nach ihrem Körper.
Sogar der ihr nahestehende Leukippos kommt ihr frech. Indem er ihre Kleider anlegt und sich als ihr Ebenbild ausgibt, probiert er, Daphnes Zutrauen zu erschleichen. Auch der Gott Apollo will Daphne besitzen. Die Buhler liefern sich ein Scharmützel, bei dem Leukippos den Kürzeren zieht. Er stirbt, liegt reglos leblos da wie ein Travestie-Schneewittchen. Da hilft auch nicht mehr, dass Daphne sich nun ihrer Liebe zu ihm bewusst wird und ihm einen letzten ersten Kuss aufdrückt. Es wartet wohl das Leichenschauhaus für Damen…
Die Tonsprache, in der Richard Strauss seine Oper (Uraufführung: 15. Oktober 1938 in der Dresdner Semperoper) sprechen lässt, ist hoch artifiziell, dabei sinnlich einlullend. Die Musik scheint vor Bewegungsdrang nur so zu strotzen. Man kann nie wissen, wohin es einen führt, wenn sie sich in wolkig luftige Höhen aufschwingt. Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter der Leitung von Michael Boder zeichnet zauberhafte Stimmungsbilder und lässt blühende Klanglandschaften entstehen. Spätromantik at its best!
Hut ab für dieses musikalische Einfühlungsvermögen. An der Genauigkeit der Intonation können die Holzbläser noch ein bisschen feilen. Das war vor allem am Anfang noch nicht ganz sauber und auch zwischendurch gab es in den Höhen ein zwei kleine Ausrutscher.
Ein wenig mehr natürliches Fließen und Leichtfüßigkeit hätte man sich hingegen von den Sängern gewünscht. Eine leichte Aufgabe ist diese Oper beileibe nicht, egal welche Partie. Das Libretto hat einige dramaturgische Schwächen – zu viel Text, der untergebracht werden will. Bisweilen hat man den Eindruck, dass hier eher gequatscht, als wirklich gesungen wird. Rezitativische und ariose Strecken verschwimmen in einem deklamatorischen Ganzen. Umso deutlicher hätten die Gesangspartien hervorstrahlen sollen.
Die Sopranistin Sara Jakubiak sang die Titelpartie der Daphne insgesamt mit viel Empfindung und Charakter, aber mit ein bisschen zu viel Schwall für das labile Wesen ihrer Figur. Das Vibrato ging leider etwas zu Lasten der Textverständlichkeit und des Ausdrucks, und die Intonation wirkte manchmal ein bisschen wie mit vollem Mund. Die höchsten Spitzennoten saßen aber passgenau.
In puncto Klangvolumen hinkten ihre männlichen Kollegen ein wenig hinterher und hatten es teilweise schwer, gegen das starke Philharmonische Staatsorchester anzukommen. Der Tenor Peter Lodahl als Leukippos intoniert eigentlich sehr schön und konnte besonders bei seinem Schwanengesang mit Einfühlsamkeit und einer hübschen Kopfstimme punkten. Oft ging er aber im Klangstrudel des Orchesters einfach unter. Apollo alias Eric Cutler hätte noch mehr Weichheit zeigen können. Auch der US-amerikanische Tenor musste zuweilen pressen, hat aber zum Schluss hin noch richtig abgeliefert.
Angenehm überraschen konnten die beiden Mägde, gesungen von der ungarischen Mezzosopranistin Dorottya Láng und der schwedischen Sopranistin Sofie Asplund, die für Maria Chabounia eingesprungen war. Ihr Auftreten hatte Charme und Leichtigkeit und glänzte mit schauspielerischer und gesanglicher Präsenz.
Leon Battran, 2. März 2017,
für klassik-begeistert.de