Foto: Matthias Henneberg (Ein Notar), Peter Rose (Baron Ochs auf Lerchenau), Aaron Pegram (Valzacchi), Christa Mayer (Annina), Katerina von Bennigsen (Eine Modistin), Camilla Nylund (Die Feldmarschallin), Ofeliya Pogosyan (Erste Adelige Waise), Mariya Taniguchi (Zweite Adelige Waise), Justyna Ołów (Dritte Adelige Waise), Sächsischer Staatsopernchor Dresden © Semperoper Dresden/Klaus Gigga
Wer diesen Rosenkavalier wegen Thielemanns Absage hat sausen lassen, hat einen Riesenfehler begangen. Ádám Fischers beispiellos begeisterndes Dirigat lässt den ganzen Abend stürmisch in Lieb’ und Tanz versinken, eine durchwegs brillante Gesangsbesetzung lässt den Richard-Strauss-Palast in seiner vollen Pracht ausstrahlen.
Semperoper Dresden, 10. April 2023
Der Rosenkavalier
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
von Johannes Karl Fischer
Was war das für ein feuriger, völlig einmaliger Rosenkavalier-Rausch der Extraklasse! Vom ersten Ton an reißt Ádám Fischers begeisterndes Dirigat Publikum wie Orchester in den Strudel der wilden Liebesnacht zwischen Marschallin und Octavian. Mit wirbelnden Hörnern und sausenden Streichern bringt einen diese Musik schon in den ersten fünf Minuten zur Ekstase und darüber hinaus. Herzrasen und Gänsehaut vorprogrammiert. Auf der Bühne toben sich die beiden Liebenden zu höchster Lust aus, Uwe Eric Laufenbergs Regie macht auch diese Komödie zum Gesamtkunstwerk.
Und das war gerade mal das Vorspiel! Der ganze Abend stürmt im Graben in Lieb’ und Tanz. Die Walzer schwingen, die Geigen singen. Zum Glück ist die Strauss-Oper – anders als die Polka des fast namensgleichen Walzerkönigs – nicht schon nach zwei Minuten vorbei. Doch auch viereinhalb Stunden vergehen viel zu schnell, obwohl – oder vielleicht gerade weil – dieser Ausnahme-Dirigent jeden einzelnen der zauberhaften Spannungsmomente voll ausspielt und dabei die magische Stimmung im Saal schweben lässt. So ein soghaftes Schlussterzett habe ich noch nie erlebt!
Wie das war, das weiß niemand, das ahnt keiner. Außer natürlich diejenigen, die hier in den Genuss dieser wunderbaren Singkunst kamen. Königin des Abends war wieder einmal Camilla Nylund und ihre einzigartige Marschallin. Ihr seidensanfter, trotzdem allmächtiger Sopran ist wie gemacht für diese Rolle, zuckersüß sind die unendlichen Melodien für ihren Oktavian. Doch dann: „Versteht er nicht, wenn eine Sach’ ein Ende hat“, dagegen ist jeder Baron machtlos.
Mit einer unglaublichen Eleganz streichelt sie diese wunderbare Strauss-Musik, hier und da schleicht sich ganz natürlich ein wenig Wienerischer Dialekt hinein. Und dass man selbst im Schlussterzett – unter drei Stimmen mit je unterschiedlichem Text – nahezu jedes einzelne Wort versteht, zeigt ihr einzigartiges künstlerisches Können!
Mit Sophie Koch stand ihr eine mindestens ebenbürtige Sängerin als Octavian zur Seite. Über die französische Mezzosopranistin hatte ich von den vorherigen Vorstellungen eher kritische Stimmen gehört…
So ein Schmarren! Diese warme, runde Stimme passt wie keine andere in diese Rolle. Im Zimmer der Marschallin ist der junge Octavian völlig in seinen träumerischen Gedanken verloren, singt voll und ganz aus tiefster Seele. Doch im Laufe der viereinhalb Stunden verwandelt sich der Titelheld in einen anderen Menschen. Erwachsen wird er eben. Ebenso vielseitig wie der Charakter des Grafen gestaltete Frau Koch auch die musikalische Seite dieser Hosenrolle.
Doch am Ende siegt seine Liebe zu Sophie, die er eigentlich dem Baron Ochs als Braut anwerben sollte. Nikola Hillebrand konnte sich in der Partie der Faninal-Tochter bestens zurechtfinden, ihr federleichter Sopran ließ sich stets von den anderen SängerInnen auch stimmlich an die Hand nehmen. Passt bestens zu dieser Rolle, ihr Schicksal liegt wohl kaum in ihren eigenen Händen. Sehr eifrig versucht ihr Vater sie in eine Ehe mit dem Baron zu forcieren, trotz aller souveränen Stimmstärke von Markus Eiche zum Glück ohne Erfolg.
Ein Geschehen ganz zum Entsetzen des Antagonisten dieser Oper, der Baron Ochs auf Lerchenau. Stimmlich segelte Peter Rose souverän durch die Partie, mit makelloser Textverständlichkeit glänzten auch die runden Töne am tiefsten Ende des Bassregisters. Leider wirkte er auf der Bühne etwas statisch, die Aufdringlichkeit seiner Rolle eher gespielt als natürlich. Nicht hilfreich war seine seitens der Regie eher klischeehafte Kostümierung: Anscheinend wollte Laufenbergs Team die ganze Lerchenau’sche Mannschaft auch als Aushängeschild einer Oberbayerischen Touristenattraktion verkäuflich machen.
Brillieren konnte indessen nahezu das ganze Bagagi an unzähligen Nebenrollen dieser Oper. Daniela Köhler hatte als Marianne Leitmetzerin zwar nur wenige Zeilen zu singen, doch mit dieser strahlenden Bravour hätte man ihr locker auch die Marschallin zugetraut. Der Tenor Pavol Breslik schmetterte den Sänger wie ein strahlender Verdi-Tenor in die fürstliche Wohnung der Marschallin. Von einem krankheitsbedingten Schwächeln – das Publikum war vorgewarnt – keine Spur zu hören. Die drei adeligen Waisen (Ofeliya Pogosyan, Mariya Taniguchi und Justyna Ołów) baten als perfekt ausgewogenes und harmonisches Gesangstrio um den Schutz der gehobenen Gesellschaft.
Dieser ekstatische Rosenkavalier versetzte einen viereinhalb Stunden lang in rauschartige Glücksgefühle. Ádám Fischers sichtlich hoch begeisterte Stimmung am Pult schien sich auf alle Beteiligten wärmstens auszustrahlen. Was um alles in der Welt hätte Thielemann denn noch besser machen können?
Johannes Karl Fischer, 11. April 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Ariadne auf Naxos Semperoper Dresden, 26. März 2023
Ringzyklus 2: Siegfried und Götterdämmerung Semperoper Dresden, 8. und 10. Februar 2023
Ringzyklus: Rheingold und Walküre von Richard Wagner Semperoper Dresden, 5.und 6. Februar 2023