Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.
Diese Wetternachricht aus einer Anzeigenzeitung hat mich schwer beeindruckt: „Lebende Forstleute haben eine solche Extremsituation noch nicht erfahren.“ Soll ich ehrlich sein? Es ist beruhigend, dass es Lebende sind. Beim Forst scheint alles in Ordnung zu sein.
Zweifel habe ich bei dieser Zeitungsmeldung: „Das vordere Heck des Autos wurde stark beschädigt.“ Das hintere Heck offenbar nicht. Sicherheitshalber habe ich mal gegoogelt. „Heck, Dieter Thomas“ fand ich zuerst. Nee, der war nicht gemeint. Aber dieses hier im Duden: „Hinterster Teil eines Schiffes, Flugzeugs, Autos.“
Na also. Das Auto. Hier wird unterschieden zwischen Stufenheck, Fließheck und Steilheck. Die gegenüberliegende Seite ist die Front. Beim Schiff heißt sie Bug. Und beim Menschen heißt das Heck, weil es sich hinten befindet, Hintern. So einfach kann das Leben sein.
+++
Verlieren Sie bloß nicht die Fassung: Lieber mit der Mode ölen
Kriechöl! Das ist es. Danach habe ich gesucht. Es schleicht sich wie Kriechöl in unsere Sprache und macht sie geschmeidig bis glibberig.
Unfassbar. Jawohl, unfassbar. Das neue Modewort klebt wie Schleim zwischen den Wörtern, den man nicht abschütteln kann. Sogar in der Literatur: „Wir waren so unfassbar jung!“ las ich in einem täglichen Zeitungsroman. Ein Fieber, sag ich Ihnen. Das hat sogar die Tagesschau erwischt: „Es ist ein unfassbar unterhaltsames Spiel“, zwitscherte der Reporter über ein Fußballspiel. Und ein anderer bejubelte einen Stürmer, „der unfassbare 54 Tore in dieser Spielzeit erzielte“. Stimmt. Fanden die Torhüter auch. Der Ball war unfassbar.
Und der Reporter im ZDF-Länderspiegel stöhnte über den Skandal in einer Taunusgemeinde: „Ich finde es unfassbar. Da fehlen einem die Worte.“ Ja, wirklich.
Der Duden ist da eiskalt: „Unfassbar. Dem Verstand nicht zugänglich.“ Das sprachliche Dauerfeuer aus der Floskelkanone.
Ich bin fassungslos. Genau wie die Glühbirne in meiner Hand, die gleich eingeschraubt wird. Sie trägt’s mit Fassung.
Reinhard Berger, 25. Juli 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
aus: HNA
Ladas Klassikwelt (c) erscheint jeden Montag.
Frau Lange hört zu (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.
Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Hauters Hauspost (c) erscheint jeden Donnerstag.
Sophies Welt (c) erscheint jeden zweiten Donnerstag.
Lieses Klassikwelt (c) erscheint jeden Freitag.
Der Schlauberger (c) erscheint jeden Samstag
Spelzhaus Spezial (c) erscheint jeden zweiten Samstag.
Ritterbands Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Sonntag.
Posers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Sonntag.
Allerleikeiten
Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten: Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.
www.facebook.com/derschlauberger