Der Schlauberger 13: Lasst mir das Strichlein! Ziemlich bescheuert: Die Kunst des Weglassens

Der Schlauberger 13: Lasst mir das Strichlein! Ziemlich bescheuert: Die Kunst des Weglassens

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Ach was. Rächtschreibung ist nicht so mein Ding. Das ist doch nichts Neues. Vor einiger Zeit las ich über die Rechtschreibkrise in den Schulen: Mehr als jeder fünfte Viertklässler erfülle die Mindeststandards nicht.

Das überrascht mich kein bisschen, zumal die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben, Hanna Sauerborn, eine gute Erklärung lieferte: „Es hat sich die absurde Haltung eingebürgert, Fehler nicht mehr von Anfang an zu verbessern.“ Stimmt.

Das lässt sich aber ändern, denn die größte Fehlerquelle sind wir selbst. Wohlwollend ausgedrückt: Unser Mut, Neues zu probieren und Altes zu ignorieren, hat mir zum Beispiel in meiner Küche die total bescheuerte Scheuer Milch eingebracht. Und ich frage mich, was eigentlich so schwierig an „Scheuermilch“ ist. Das gilt auch für den Universal Reiniger, der ganz klar aus dem Universalreiniger entstanden ist. Aus Blumenerde wird Blumen Erde, und in der Zeitung fand ich die Obst und Gemüse Transportkisten, die eigentlich Obst- und Gemüsetransportkisten heißen.

Mit aller Macht arbeiten wir daran, die letzte Bastion unserer Kultur zu destabilisieren. Und zwar mit Hilfe der englischen Orthografie, die bei zusammengesetzten Hauptwörtern ohne Bindestriche auskommt. Nehmen Sie das Fisch Brötchen (Werbung vorm Fischladen), die Tee Shirts (Name eines Textilladens) und den Bio Tee (Werbeschild vorm Bioladen).

Besonders originell ist der Rotwein Shoppen auf einer Getränkekarte. Da hätte selbst ein Bindestrich nichts mehr gerettet. Der Göbel Birdiepal Outdoor Regenschirm eines Anbieters aus dem Internet ist schon die hohe Schule des Weglassens. Wobei mich am meisten begeistert, dass der Regenschirm für outdoor gedacht ist. Also für draußen.

Für Feinschmecker habe ich noch die Dry Aged Burger mit Country Potatos (Plakat vor einem Burgerrestaurant). Trocken-gealterte Frikadellen mit Landkartoffeln sind schon eine echte Ansage. Da wäre es kleinlich, auf das fehlende „e“ bei Potatoes hinzuweisen.

Machen Sie doch, was Sie wollen. Nur denken Sie daran, dass es Wörter gibt, die ohne Bindestrich leicht säuerlich müffeln.

Wie der Urinstinkt.

Foto: Comfreak auf Pixabay
Schmeiß den Turbo an! It’s so nice

Das ist für mich die Entdeckung des Jahres: Der Nicer Dicer Magic Cube! Ein gewaltiger Name für ein kleines Plastikding aus der Werbung. Nicer kriege ich ja noch hin: Nice, nicer, am nicesten. Also am schönsten. Und Dice ist der Würfel, also kann dicer nur „würfeln“ heißen. Cube heißt ja auch Würfel. Ein schönerer würfelnder magischer Würfel, der Gemüse, Käse und andere leckere Sachen raspeln und schneiden kann.

Im selben Prospekt eines weitgehend deutschsprachigen Einkaufszentrums fand ich das Turbo-EasyWring-&Clean-Set. Wer um alles in der Welt braucht einen Turbo, wenn easy wring „leicht auswringen“ heißt? Denn „den Turbo einschalten“ bedeutet ja laut Duden: sich mehr anstrengen. Warum muss ich mich beim Leicht-Auswring-Gerät mehr anstrengen?

Noch so ein Hammer ist der Back-Trainer von Kettler. Kuchen kann er nicht, aber Muskeln! Was es noch nicht gibt, ist der Front-Trainer. Denn vorn habe ich ja auch Muskeln.

Reinhard Berger, 15. August 2020,
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
aus: HNA

Der Schlauberger 12: Wenn’s summt, musst du drücken – Heute: Alles nur Abfall

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Reinhard Berger

Allerleikeiten
Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten: Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.


www.facebook.com/derschlauberger

Reinhard Berger: Rädzelhaft.
Satirische Rätsel für Ausgeschlafene mit Lexikon für Sprachpanscher.
Wartberg-Verlag

2 Gedanken zu „Der Schlauberger 13: Lasst mir das Strichlein! Ziemlich bescheuert: Die Kunst des Weglassens“

  1. Lieber Kollege!
    Sie sprechen das aus, was mich schon lange ärgert: Der Tod des zusammengesetzten Hauptworts. Immer wieder versucht mich mein Rechtschreibprogramm mit Wellenlinien zu korrigieren.
    Mit unterstützenden Grüßen
    Lothar Schweitzer

    1. Lieber Herr Schweitzer, danke für Ihre Nachricht. Mein Tipp: Hören Sie nicht auf Ihr Recht Schreib Programm. Das hat nämlich die Intelligenz einer Kaltschaummatratze.
      Was mich aber versöhnt: Wir haben zwar ein Strichlein verloren, dafür aber viele, viele entzückende Sternchen gewonnen. Die sprachliche Lebenshilfe unserer Behörden*innen (m/w/d) und anderer weitsichtige*r Menschen*innen (m/w/d) bringt uns auf den rechten Weg zurück. Erst haben der/die Wichtigtuer*innen (m/w/d) jahrelang mit Denglisch versucht, den Duden*innen (m/w/d) auszutricksen. Und als das nicht gelang, mussten das/die Bindestrichlein*innen (m/w/d) dran glauben.
      Zum Glück ist unser*e Sprache*innen (m/w/d) so stabil, dass sie auch den jüngsten Zerstörungsversuch mit den niedlich*en Sternchen*innen (m/w/d) aushalten wird. Bleiben Sie tapfer!
      Herzlichst Reinhard Berger (m/w/d)

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