Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.
von Reinhard Berger
„Ich geh’ mal eben aufs Klo“! Tschüss, liebe Freunde, das war das letzte Mal, dass ich diesen Satz gesagt habe. Deshalb widme ich ihm meine Kolumne und verabschiede mich gleichzeitig von einer Institution, die uns Jahrzehnte, ach was, jahrhundertelang wohltuende Erleichterung verschafft hat. Ich verabschiede mich in tiefer Demut vor dem Ort des Schweigens und des Denkens, von jenem Ort, an dem die Einkehr am intimsten ist.
Seitdem ich den Zeitungsbericht über eine Sanitärmesse gelesen habe, ist mir klar: Das Klo an sich ist ein Fundus sprachlicher und technischer Delikatessen. Und mir ist auch klar: Die guten alten Zeiten sind vorbei. Heute ist das einstige Sanitärjuwel ein High-Tech-Domizil für innere Körperpflege, ein „schlaues Örtchen mit Spa-Gefühl“, wie es in dem Bericht hieß. Und das geht so:
Die Schüssel enthält eine Dusche für untenrum, deren Strahl und Wassertemperatur in einem Nutzerprofil gespeichert werden können. Der Hammer aber ist der eingebaute Föhn. Beides, Dusche und Föhn, lässt sich über eine App vom Handy aus steuern. Und ein noch größerer Hammer ist der Bewegungsmelder. Kein Scherz!
Das alles gibt’s auch mit Musik und farbiger Beleuchtung. Und die Techniker arbeiten angeblich an einer automatischen Urin-Analyse, die den Gesundheitszustand des Nutzers dokumentiert. Selbstverständlich zeigen die neuen Örtchen auch an, wann eine Entkalkung nötig ist. Des Wassers, nicht des Benutzers.
Ich weiß, ich fordere Ihre Fantasie heraus. Aber wie sagte einst der damalige Kapitän von Bundesligist Werder Bremen, Max Kruse, nach dem 4:2 gegen Schalke: Er gab zu, dass es „hinten raus auch eine Kopfsache war“.
Nun sagen Sie selbst: Ist es das nicht wert, dem Klo eine Sprachkolumne zu widmen?
Und sie benutzt Werkzeuge! Heute: Die Intelligenzbestie
Die Intelligenz greift wild und erbarmungslos um sich. Einer der neuen Intelligenzbolzen mit einem IQ von was weiß ich stammt aus dem häuslichen Umfeld: Die intelligente Bettdecke! In der Quizsendung „Wer weiß denn so was“ ist sie vor einiger Zeit vorgestellt worden, und wissen Sie zu was? Zu Recht! Mit dieser Decke müssen Sie nie wieder das Bett machen. Sie macht es selbst. Wahr und wahrhaftig.
Die Erfindung von Smart Duvet in Kanada für schlappe 200 Euro pustet über einen Kompressor Luft ins Laken – und schon liegt es perfekt und faltenlos auf der Schlafstatt. Der Hammer ist: Diese Funktion lässt sich über eine App steuern. Heißt: Das Bett wird vom Handy aus gemacht. Kein Scherz.
Als eine der Voraussetzungen für Intelligenz gilt die Benutzung von Werkzeugen. Und genau das tut diese Decke. Mein ursprüngliches Urteil „Dumm wie eine Kaltschaummatratze“ nehme ich hiermit zurück. Und zwar ausdrücklich.
Reinhard Berger, 22. August 2020,
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
aus: HNA
Der Schlauberger 13: Lasst mir das Strichlein! Ziemlich bescheuert: Die Kunst des Weglassens
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Allerleikeiten
Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten: Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.
www.facebook.com/derschlauberger