Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.
Juchhu! Die Leuchttürme sind verschwunden! Endlich! Drei Ausrufungszeichen.
Gut zehn Jahre ist es her, als unsere staatstragenden Rhetoriker begannen, jedes noch so banale Projekt zum Leuchtturm zu erheben. Inzwischen haben sie erkannt, dass es in den Küstenvorländern wie zum Beispiel Süddeutschland gar nicht so viele Leuchten gibt.
Aber auf ihrer verzweifelten Suche nach neuen Textbausteinen sind sie, die Vorbilder der Nation, wieder fündig geworden und haben einen noch größeren Quatsch entdeckt. Damen und Herren, der neue Stern am Himmel des größtmöglichen sinnfreien Dumm-Blöd-Geschwätzes ist:
AM ENDE DES TAGES!
Tusch, Applaus und sonstige Ovationen!!!
Und das kam so: Auf der Suche nach einer neuen Inhaltsleere entdeckten sie, die alles überragenden Meister der Artikulation, diesen verbalen Wurmfortsatz – im Englischen. Wo sonst. Und sie erhoben ihn zum Urknall menschlicher Intelligenz, wahrscheinlich in einer Phase vollkommener Bewusstlosigkeit.
Der Ursprung „At the end of the day“ wird übersetzt mit „letztendlich“, „schließlich“. Aber die ganze Gemeinde schrie hurra! und schnappte sich das Wort, um daraus neuen Sprachmüll zu kneten. Und all die Schrift- und Sprachgelehrten machten ihren Job und sorgten für größtmögliche Verherrlichung. Sogar das Online-Wörterbuch Wiktionary widmete diesem Massenphänomen mit Gähn-Gen ein ganzes Kapitel.
Die neue sprachliche Glückseligkeit ist seitdem in alle Gesellschaftsbereiche eingezogen. Beispiele aus meinem Archiv:
- Sportschau, Gerhard Delling über das nicht so erfolgreiche Spielsystem des damaligen Leverkusener Fußballtrainers Heiko Herrlich: „… dass er das am Ende des Tages auch ändern kann.“ Zu spät! Am Ende des Tages ist das Spiel längst vorbei. Dann gehen alle ins Bett.
- Tagesschau, Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, zur damals neuen Stahlallianz der Bundesländer: „Am Ende des Tages wird es darauf ankommen, dass sich die Europäische Kommission, die Europäische Union stark erweist …“ Ich schätze, auch die Europäische Kommission wird am Ende des Tages lieber ins Bett gehen, als sich stark zu erweisen. Oder beides.
- Tagesthemen, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil zum Thema Klimaschutz: „Den Grünen ist am Ende des Tages egal, was aus den Arbeitsplätzen wird.“ Am Ende des Tages gehen auch die Grünen zu Bett, Herr Weil.
Und am Ende des Tages brabbele ich leise vor mich und denke daran, was der große Heinz Erhardt mal gesagt hat: „Mit den Menschen ist es wie mit den Autos: Laster sind schwer zu bremsen.“
Yes, Sir!
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Hauptsache Schnipp-Schnapp: sprachliche Sahneschnittchen aus dem Friseursalon
Ich will´s mal so sagen: Eine gute Frisur prägt das Bild eines Menschen und passt Haargenau ins Konzept meiner Kolumne. Vor einiger Zeit schon hat SPIEGEL ONLINE eine Untersuchung vorgestellt und originelle Namen von über 20 000 Friseursalons bundesweit auf ihren Formschnitt überprüft.
Hier wird nichts über einen Kamm geschoren, nein, hier lebt ein Handwerk seine Kreativität vor und serviert uns sprachliche Sahneschnittchen. Ein paar davon habe ich mir genau angeschaut (Fettsatz!).
Also los, lassen Sie uns ein bisschen Fönen und Klönen und gern auch über meine HeadLine diskutieren. Hauptsache, Sie holen sich dabei Anregungen für Schicke Schnitte und verzichten auf Kopfsalat.
Friseure sind Künstler und damit jederzeit Salonfähig. Sie versüßen uns den Alltag, verbreiten Haarmonie und arbeiten Haarscharf die Schnittlinie zwischen eigenem kreativem Anspruch und Persönlichkeit des Kunden heraus.
Mit etwas Haarspray und Foliensträhnchen ist es nicht getan. Oder anders ausgedrückt: Die Effilierschere allein macht noch keinen Pferdeschwanz. Und ich will auch gar nicht die Geschichte des Cowboys bemühen, der aus dem Friseursalon kommt, sich umschaut und stöhnt: „Mein Pony ist weg.“
Schnipp-Schnapp und Fall erledigt? Mitnichten. Schnittgefühl mit Mitgefühl ist angesagt. Am besten in einem Familienbetrieb, wo Brüder und Schwestern, die Schnittgeschwister, arbeiten. Wenn die dem Kunden ein fröhliches Kamm In zurufen, dann nur, um diesen Salon auch unterzubringen.
Im letzten Abschnitt wollte ich noch den Friseur Kaiserschnitt vorstellen. Aber die Kolumne ist voll.
Die im Fettsatz genannten Friseursalons habe ich in der Mitte Deutschlands entdeckt.
Reinhard Berger, 19. September 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
aus: HNA
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Allerleikeiten
Reinhard Berger, geboren 1951 in Kassel, Journalist, Buchautor, Hunde- und Hirnbesitzer.
Vergänglichkeiten: Vor dem Ruhestand leitender Redakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA).
Herzlichkeiten: verheiratet, zwei Söhne, zwei Schwiegertöchter, drei Enkel, ein Rottweiler.
Anhänglichkeiten: Bach, Beethoven, Bergers Nanne (Ehefrau).
Auffälligkeiten: Vorliebe für Loriot, Nietzsche, Fußball, Steinwayflügel, Harley-Davidson.
Öffentlichkeiten: Schlauberger-Satireshow, Kleinkunstbühne.
Alltäglichkeiten: Lebt auf einem ehemaligen Bauernhof.
www.facebook.com/derschlauberger