Paavo Järvi © Julia Baier
5. Highlight-Abonnementkonzert: Begeisternde Virtuosität
Joseph Haydn Sinfonie Nr.94 G-Dur „Mit dem Paukenschlag“
Antonín Dvořák Violinkonzert a-Moll op.53
Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551 „Jupiter“
Akiko Suwanai Violine
Paavo Järvi Dirigent
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Bremer Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 30. November 2024
von Dr. Gerd Klingeberg
Die gut zwanzigminütige Verspätung, bis endlich das Orchester die Bühne betritt, sei laut Managing Director Albert Schmitt vor allem durch das Verkehrschaos am ersten Weihnachtswochenende verursacht. Und er nutzt die Zeit gleich für einen launigen Werbeblock für die just am Vortag erschienene neue Doppel-CD mit Einspielungen von vier Haydn-Sinfonien.
Wohl noch wirksamer wäre der Hinweis gewesen, dass eine davon, nämlich die Nr. 94 „Mit dem Paukenschlag“ auch der erste Programmpunkt des Konzerts sein würde. Ein derart direkter Vergleich zwischen CD und Live-Darbietung war mir bislang selten vergönnt: Ob sich das Orchester, wieder unter dem nuancierten Dirigat von Paavo Järvi, auch im Konzert in CD-Qualität präsentieren kann?
Daran kommt schon in den ersten Takten kein Zweifel auf. Im Gegenteil; manche akustische Nuance erhält durch den optischen Eindruck sogar noch eine zusätzliche Unterstreichung. Etwa im 2. Satz, jenem namensgebenden mit dem bekannten Paukenschlag. Ein leiser Einstieg, eine noch leisere, selbst in den vorderen Rängen kaum noch hörbare Wiederholung – dann ein gewaltiger Orchester-Tutti-Rumms: Järvi dreht sich halb zum Publikum, mit einem Lächeln, das wohl besagen soll: So und nicht anders muss man’s machen! Und hat spätestens jetzt die Sympathien der Zuhörer auf seiner Seite.
Nicht minder lebhaft und unterhaltsam geht es weiter. Dem elastisch vorgetragenen Andante-Satz folgt ein leicht schwingendes, folkloristisches Menuett als optimaler Aufwärmer für das Allegro-Finale. Järvi drückt gehörig aufs Tempo, das Orchester geht problemlos mit. Wie ein ungestümer Wirbelwind rauscht alles vorbei, indes niemals einfach nur wild heruntergefiedelt, sondern sorgfältig akzentuiert. Ein Haydn vom Feinsten.
Violinspiel auf höchstem Niveau
Den so erreichten Elan-Pegel nimmt das Orchester mit zu Antonín Dvořáks Violinkonzert. Die Eingangsakkorde kommen so wuchtig, dass die ersten Töne der Solovioline nahezu untergehen. Dabei spielt die japanische Geigerin Akiko Suwanai ein Instrument (vermutlich ist es die ihr überlassene Guarneri del Gesù?), das mit ungewöhnlich substanzvollem, sonorem Timbre imponiert. Mit kraftvoll klarer, von sehr dezentem Vibrato verfeinerter Tongebung brilliert die Solistin im weiteren Verlauf; allenfalls gelegentlich erweisen sich die Bläser dazu als etwas zu laut. Technische Hürden scheinen bei Suwanai nicht zu existieren; mal geht sie intensiv in die Vollen, mal schwelgt sie – wie im ruhigen, sehr expressiv vorgetragenen Mittelsatz – in wunderschön sanftem Legatoplüsch.
Ihre ausgeprägte Virtuosität demonstriert die Japanerin (die 1990 als damals bislang jüngste Teilnehmerin den renommierten Tschaikowski-Wettbewerb gewann) ganz besonders im feurig-schwungvollen Finalsatz.
Wie ein gut geöltes Räderwerk bewegen sich die Finger in atemberaubendem Tempo über das gesamte Ausmaß des Griffbretts bis hinauf in allerhöchste Diskantlagen; selbst bei deutlich akzeleriertem Metrum kommt jeder Ton bestechend sauber und punktgenau. Die Balance mit dem gleichermaßen forsch aufspielenden Orchester gerät jetzt weitestgehend ausgewogen, gemeinsam geht es in einen pompösen, effektvoll strahlenden Schlusspart.
Für den frenetischen Jubel des Publikums bedankt sich die sympathische Geigerin mit dem sensibel und feinstrichig ausgeführten Andante aus J.S. Bachs Solo-Violinsonate Nr. 2.
Mit Mozart auf den sinfonische Olymp
Die Jupiter-Sinfonie bildet zweifellos den Zenit mozartischer sinfonischer Kompositionen. Mit bestens durchhörbarem Vortrag wird die Kammerphilharmonie diesem hohen Anspruch mit ihrer adäquaten Interpretation gerecht. Einfühlsam zarte, wie schwerelos anmutende Passagen wechseln mit volltönig robust ausgeführten Einwürfen. Aus markanten Forte-Piano-Kontrasten und subtilen Tempovariationen entstehen kleine Phrasen, die Järvi mit ergonomisch ausgeführtem Dirigat zu einer allumfassenden, überaus eindrucksvollen Ganzheit zusammenfügt.
Der kantable, sordiniert gestrichene Andante-Satz mag vordergründig bradykard pulsierende Ruhe verbreiten, wird aber gleichzeitig unterschwellig vorangetrieben von schier unerschöpflichen Energieressourcen. Und die reichen auch noch locker für den grandiosen Finalsatz. Im ungeduldig drängenden, zunehmend agilen Tempo scheinen sich die wuseligen Figurationen zeitweise beinahe ineinander zu verheddern, doch das Orchester bleibt unbeeindruckt konstant in der Spur und steigert sich bis hin zum fulminanten Schlussakkord.
Dem ist kaum etwas hinzuzufügen, außer einem besinnlichen, verhalten intonierten „Valse triste“ (J. Sibelius), der den Puls der Zuhörer wieder auf Normalwerte herunterfahren lässt.
Dr. Gerd Klingeberg, 1. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Marko Letonja Dirigent, Die Bremer Philharmoniker Bremer Konzerthaus Die Glocke, 18. November 2024
Daniel Hope & AIR Ensemble Bremer Konzerthaus Die Glocke, 5. November 2024