Zum Rapport: Auch 2023 begeistert Wiener Silvesterfledermaus mit staatlicher Fensterscheibe... und Bogdan Roščić hat seine Galerie nach wie vor nicht im Griff!

Die Fledermaus, Musik von Johann Strauß  Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2023

Schlussapplaus, Die Fledermaus 2023, Wiener Staatsoper © Jo Fischer

Reichlich Amüsement bietet bei der Silvesterfledermaus nicht nur Johannes Silberschneider als „neuer“ Frosch. Ein allgemein wunderbares Gesangsensemble sorgt für spaßige Silvesterstimmung, Otto Schenks legendär lebendige Inszenierung begeistert auch in ihrer 184. Vorstellung. Nur die Silvestereinlage ist seit einigen Jahren wohl futsch…

Die Fledermaus
Musik von Johann Strauß
Libretto von Karl Haffner und Richard Genée

Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2023

von Johannes Fischer

Fast ein halbes Jahrhundert ist Otto Schenks legendäre Fledermaus-Inszenierung an der Wiener Staatsoper im Dauereinsatz. Ausgedient hat sie noch lange nicht, dieser Ball beim Prinz Orlovsky könnte genauso gut eine rauschende Silvesterfeier in einem prächtigen Hofburgsaal sein. Auch der Frosch kracht weiterhin durch die staatliche Fensterscheibe und macht seine tagespolitischen Witze. Dieses Jahr mal über einen drohenden Regierungswechsel… der Saal voller bereits leicht beschwipsten ZuschauerInnen bricht in lautes Gelächter aus!

Ein erstklassiges Amüsement bot also der „neue“ Frosch, Johannes Silberschneider. Seine Sprechrolle meistere er mit lockeren Witzen am laufenden Meter, erfüllte klar und deutlich die Erwartungen des Silvesterpublikums. Seine ausführlichen Dialoge mit Alfred wurden zum Showstopper des Abends, das lag nicht zuletzt an der überragenden Leistung von Hiroshi Amako in der Rolle von Rosalindes Verehrer. Dieser Tenor lebte ganz und in seiner eigenen Gesangswelt, köstlich theatralisch stürzte er sich durch alle Opernarien dieser Erde, sei es Lohengrin, Turandot, oder Zauberflöte. Die Wette gegen den Frosch gewann er natürlich mit Calafs „Vincerò“, sein Wiedersehen mit Rosalinde war für ihn nichts weniger als eine namenlose Freude.

Apropos Rosalinde… Camilla Nylund meisterte auch diese für ihre Verhältnisse eher leichtfüßige Rolle. Vor allem gesanglich räumte sie völlig ab und brachte mit dem Csardas das ganze Publikum in schwingende Tanzstimmung. Ihre unter den Sopranistinnen zurzeit einzigartige Textverständlichkeit spielte ihr gerade hier gänzlich in die Hände, ihr Gesang lachte wie ein Dialog mit der Lebendigkeit einer musikalischen Melodie! Auch Johannes Martin Kränzle schien als Eisenstein mächtig Spaß an seiner Partie zu haben, lustig und keck tanzte er durch den Ball und ins Gefängnis. So bringt man das Publikum in feierliche Silvesterstimmung! Ein bisschen ein frecher Rächer, da drang schon ein wenig Beckmesser durch, als er als Advokat verkleidet mit donnernder Stimme auf den Schreibtisch stieg.

Die Fledermaus 2023, Wiener Staatsoper © Jo Fischer

Den Advokaten selbst, Dr. Blind, spielte Norbert Ernst mit stotternd spaßigem Einsatz. Ganz nebenbei revanchierte er sich an einem der ältesten – eigentlich gar nicht so witzigen – Dauerspäße dieser Oper: Auf „Ich bin nicht blind, ich heiße nur so“ folgte diesmal prompt „Sie heißen ja auch Frosch und sind ein Ochs!“ Auch Otto Schenks Regie lässt sich also weiterentwickeln… diese lebendige Inszenierung gehört eben doch auf die Bühne und nicht ins Museum, wo sie einige Regietheater-Fans gerne sehen würden.

Regula Mühlemann flatterte federleicht durch ihre hopsigen Koloraturen wie durch ihre ebenso fordernden schauspielerischen Aufgaben. In bester Harmonie mit dem Orchester führte sie ihren gnädigen Herren vor versammelten Ballgästen völlig vor und bekam dafür grenzenlos begeisterten Applaus. Auch Wolfgang Bankl konnte als Gefängnisdirektor Frank mächtig seine Späße mit dem Eisenstein treiben und brillierte ganz nebenbei mit souverän lockerem Gesang. Eine brillant singende und spielende Patricia Nolz als Prinz Orlofsky komplettierte Dr. Falkes Racheplan und Silvesterspaß!

Die Fledermaus 2023, Wiener Staatsoper © Jo Fischer

Doch das Allerbeste an dieser Wiener Silvesterfledermaus kam natürlich aus dem Graben… keine Walzerstimmung ohne schwungvolle Streicher und Bläser! Mit Simone Young am Pult stürzte sich das Orchester der Wiener Staatsoper energetisch in die Walzeroper und tanzte jeden Takt voll aus, als würde das ganze Publikum schon lang vor dem Wiener Opernball schwerelos durchs Parkett schweben. Die Chefin am Pult ließ die Zügel einfach laufen, der Wiener Walzerzauber schwebte ganz natürlich in der stimmigen Silvesterluft.

Einzig das Personal konnte mit dem haushohen Niveau an Gesang und Schauspiel nicht mithalten. Denn in der Galerie packten die Leute mal wieder ihre Brotzeiten aus, während die PlatzanweiserInnen die Gänge auf und ab marschierten… letzteres stört übrigens noch um einiges mehr als ein paar filmende Handys. Über die allgemeine Stimmung in der Galerie hatte ich mich ja schon bei der Figaro-Premiere aufgeregt, die Plätze ganz oben scheinen der Intendanz nach wie vor egal zu sein. Wahrscheinlich gehen bei Herrn Roščić gerade die Dreharbeiten für seine jüngste Folge von „Bogdans Kartenkaufempfehlungen“ zu Ende… die Ressourcen dafür wären übrigens in einer Silvestereinlage deutlich besser aufgehoben! Diese Tradition ist seit seiner Intendanz leider genauso futsch wie die legendären Otto-Schenk-Meistersingern.

Johannes Fischer, 1. Jänner 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Johann Strauß, Die Fledermaus Nationaltheater, München, 28. Dezember 2023

Die Rache der Fledermaus, nach Die Fledermaus von Johann Strauß in einer Bearbeitung von Stefan Huber und Kai Tietje Komische Oper Berlin, Premiere am 10. Februar 2023

Johann Strauß, Die Fledermaus Staatsoper Hamburg, 28. Dezember 2022

Die Fledermaus (Musik von Johann Strauß), Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2020

Johann Strauß, Die Fledermaus, Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2019

10 Gedanken zu „Die Fledermaus, Musik von Johann Strauß
Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2023“

  1. Jahrzehnt? Jahrhundert!!! …und das merkt man auch: Kulisse mit Klamauk, so gut die Protagonisten es halt zustande bringen.

    Der Operndirektor hat keine Empfehlungsvideo gedreht, er ist krank! Wie wär’s mit Genesungswünschen?

    Waltraud Becker

    1. Liebe Frau Becker,

      Natürlich wünsche ich dem Operndirektor eine gute Genesung! Es geht mir auch nicht darum, wo er sich während dieser einen Vorstellung gerade aufgehalten hat, sondern, dass ihm quasi seit seinem Amtsantritt offenbar die Profilierung seiner eigenen Rolle und Person wichtiger ist als die größeren Probleme dieses Hauses. Dazu zählt natürlich auch das Verhalten von Publikum wie auch Personal in der Galerie. Es gab mal Zeiten, da zählte das Galerie-Publikum mit zu den wichtigsten ZuschauerInnen im Haus, das scheint dem jetzigen Intendanten schlichtweg egal zu sein.

      Die Inszenierung ist alles andere als Kulisse mit Klamauk, Wien ist einfach immer noch so. Deswegen funktionieren die tagespolitischen Witze auch in den 44 Jahre alten Bühnenbildern.

      Freundliche Grüße

      Johannes Fischer

  2. Ich habe diese Fledermaus, Gott sei Dank, nur im TV verfolgt! Das war wohl die charmeloseste und langweiligste Aufführung der letzten Jahre. Das sogenannte Personal der Galerie entsprach genau dem Niveau der Aufführung!!! Vielleicht hört und sieht man in den „unteren“ Regionen anders weil die Preise höher sind????

    Karl Bauer

    1. Lieber Herr Bauer,

      Auch ich habe die Wiener Silvesterfledermaus viele Jahre nur im TV und Stream verfolgt. Die Experience live und in natura ist eine gänzlich andere, der Witz und Charme kommt im Saal viel lebendiger an als im Stream. Gesungen wurde ohnehin viel dynamischer und verständlicher als in den Jahren zuvor.

      Freundliche Grüße

      Johannes Fischer

      1. Wahrscheinlich haben sie nie die großen Interpreten, wie z.B. Hilde Güden, Mirjana Irosch, Mimi Coertse, auch eine Lotte Rysanek und Gerda Scheyrer , Lucia Popp (in beiden Rollen) u.v.a.m. , Eberhard Waechter (die Inkarnation eines Eisenstein), Bernd Weikl, Waldemar Kmentt, Renate Holm, Rita Streich, Reri Grist, Josef Meinrad, Otto Schenk und der umwerfende Heinz Rühmann, Walter Berry, Erich Kunz und und und gehört, und Dirigenten mit Feuer ! Aber was soll es , entweder man hat Gefühl oder nicht.

        Karl Bauer

        1. Genau, Eberhard Waechter WAR Eisenstein, genauso wie Renate Holm Adele war; etc. Man kann diese Interpreten – hatte man sie mal in der Rolle gehört/gesehen – nicht mehr von den Rollen trennen. Wenn ihr Name fällt, muss man sofort an deren Interpretation denken. Das kann man mit der Aufführung vom 31.12.23 in der Wiener Staatsoper überhaupt nicht vergleichen. Keine Verve, kein Esprit…

          Evamaria Kossova

        2. Da irren Sie sich, Herr Bauer. Ich bin mit einer alten Aufzeichnung (1980) dieser Produktion aufgewachsen und kenne diese in- und auswendig. Die Besetzung dort: Weikl, Popp, Gruberova (wie in all ihren Rollen eine völlig singuläre Leistung), Kunz, Berry, Hopferwieser, Fassbaender und Lohner. Natürlich war Johannes Martin Kränzle kein Bernd Weikl und Martin Häßler kein Walter Berry. Aber im Vergleich zum diesjährigen Alfred, Hiroshi Amako, der seine Rolle mit Lohengrin-, Florestan- und Calaf-Auszügen lebte, als gäbe es keine namenlosere Freude, erscheint mir Josef Hopferwiesers Alfred wie eine Berufstenor aus einem Beamtenchor.

          Ich schreibe ja auch nicht über einen Calaf „War ganz ok, aber Pavarotti war besser.“ Solche Stimmen — Gruberova, Pavarotti, Vogt usw. — gibt es einmal in fünfzig Jahren. Wenn überhaupt. Das gilt vermutlich auch für Bernd Weikls Eisenstein.

          Johannes Karl Fischer

          1. Leider doch keine Ahnung und auch nicht die Ambition, die Aufführungstradition dieses Werkes seit 1960 zu verfolgen!!!
            Hauptsache es wird kritisiert (Nivellierung nach unten!!!)
            Das ist ja heute üblich!!!

            Karl Bauer

    2. Ich muss Ihnen da beipflichten: das war eine der aller-lahmsten Fledermaus-Aufführungen, die ich je miterlebt hab (Gottseidank diesmal auch nur im TV). Vom Gefühl her, würde ich meinen, dass die Zähigkeit vom Dirigentenpult ausging, aber da würde mich die Meinung anderer interessieren.

      Evamaria Kossova

      1. Liebe Frau Kossova,

        Die Stimmung, die vom Pult ausging, war meines Erachtens nach alle andere als zäh, da war sehr viel Schwung in diesen Walzern. So, wie man’s von den Philharmonikern halt gewohnt ist…

        In Hamburg ist die Stimmung zu Simone Youngs Amtszeit als hiesige Staatsopern-GMD nicht sehr rosig…bei den teilweise sehr kritischen Kommentaren, die hier an der Elbe immer noch über sie kursieren, frage ich mich, ob das wirklich die gleiche Dirigentin, die am 31.12.23 am Pult der Wiener Staatsoper stand, gewesen sein kann.

        Johannes Karl Fischer

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