John Neumeiers Ballett "Die Kameliendame" wird auch in der 251. Vorstellung seit der Premiere im Jahre 1981 vom Publikum unverändert bejubelt

Die Kameliendame, Ballett von John Neumeier  Staatsoper Hamburg, Hamburg Ballett, 17. Januar 2024

Madoka Sugai und Alessandro Frola als Marguerite und Armand (Foto RW)

Gestern tanzten Madoko Sugai und Alessandro Frola die Partien von Marguerite und Armand. Der Jubel am Ende der Vorstellung und die zahlreich geworfenen Blumensträuße bestätigten ihren großen Erfolg beim Publikum. Aber irgendetwas fehlte, und es war nicht die technische Beherrschung der Rollen, die war hervorragend.

Die Kameliendame
Ballett von John Neumeier nach dem Roman von Alexandre Dumas

Staatsoper Hamburg, Hamburg Ballett, 17. Januar 2024

von Dr. Ralf Wegner

Für die aktuelle Serie des Balletts Die Kameliendame wählte John Neumeier vier Tänzerinnen und vier Tänzer als Marguerite und Armand aus, und zwar Alina Cojocaru mit Alexandr Trusch, Anna Laudere mit Edvin Revazov, Madoka Sugai mit Alessandro Frola und Ida Praetorius mir Jacopo Bellussi.

Madoka Sugai und Alessandro Frola (Foto RW)

Am Mittwochabend tanzten Madoko Sugai und Alessandro Frola die Partien von Marguerite und Armand. Da beide ausgezeichnete Tänzer und auch darstellerisch sehr glaubhaft sind, war die Spannung hoch ob ihres Debüts. Der Jubel am Ende der Vorstellung und die zahlreich geworfenen Blumensträuße bestätigten auch ihren großen Erfolg beim Publikum.

Aber irgendetwas fehlte, bei sehr kritischer Würdigung. Nicht die technische Beherrschung der Rollen, die war hervorragend. Es mangelte vielmehr an gegenseitiger Hingabe, an bedingungslos verschmelzender Liebe, an sensueller Anziehungskraft, die Marguerite und Armand miteinander verbinden. Vielleicht hätten beide mit einem etwas rollenerfahreneren Partner tanzen sollen, etwa Frola mit Laudere oder Sugai mit Trusch. An Frolas Interpretation war an sich nichts auszusetzen.

Er erwies sich als zurückhaltend agierender, leicht schüchtern wirkender Armand, der vieles mit gewissem Stoizismus hinnahm und die Frotzeleien seiner Umgebung ebenso tolerierte wie die Koketterien Marguerites anderen Verehrern gegenüber. Man hätte ihn auch schubsen können, und er hätte sich wohl noch entschuldigt. Anna Laudere hätte ihn sicher anders unter ihre Fittiche genommen, seinen harten Kern im Laufe des Stücks stärker entwickelt als es der gleichaltrig wirkenden Madoka Sugai gelingen wollte.

Sugai blieb stets das hübsche, freundliche, sich an der Sonne der Beliebtheit wärmende, zum Leiden offensichtlich nicht geborene Mädchen. Das Kränkelnde der Figur Marguerites, ihr aus innerer Einsicht resultierender Verzicht auf den Geliebten, die Erkenntnis der Endlichkeit ihres eigenen Lebens fehlte noch in Sugais Interpretation dieser Rolle.

Silva Azzoni (Manon) und Alexandre Riabko (Des Grieux) / Ana Torrequebrada (Prudence Duvernoy), Artem Prokopchuk (Gaston Rieux) und Eleanor Broughton (Olympia) (Foto RW)

Mit welcher unvergleichlichen Ausstrahlung gelang dagegen Silvia Azzonis Interpretation der Manon, allein durch Körperhaltung, innerer Spannkraft und wunderbar fließenden Armbewegungen. Das war wieder eine künstlerische Meisterleistung, wie man sie nur selten auf der Bühne erleben kann. Alexandre Riabko war ihr dabei wie immer ein mustergültiger Partner.

Auch Ivan Urban konnte als Armands Vater Duval überzeugend auf seine langjährigen tänzerischen Erfahrungen zurückgreifen. Ana Torrequebrada und Artem Prokopchuk tanzten Prudence Duvernoy und Gaston Rieux, die noch als Aspirantin eingestufte, vor wenigen Tagen erst 20 Jahre alt gewordene Eleanor Broughton gestaltete die Rolle der nach oben strebenden Olympia mit Liebreiz und der nötigen kecken Vertraulichkeit, und man verstand, warum Marguerite sich nach dem Ende ihrer Beziehung zu Armand wieder dem von Florian Pohl eindrucksvoll dargestellten Herzog zuwandte.

Insgesamt war es ein aus dem täglichen Bühneneinerlei herausragendes Tanzereignis, welches nicht nur auf den, trotz aller beckmesserischen Kritik, außerordentlichen tänzerischen Leistungen der Protagonisten, auf der zugrunde liegenden genialen Choreographie Neumeiers und auf den optisch beeindruckenden Bühnenbildern Jürgen Roses beruhte, sondern auch auf der Musik von Frédéric Chopin und deren Interpretation durch Michal Bialk und Ondřej Rudčenko (am Flügel) sowie der musikalischen Leitung des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg durch Markus Lehtinen.

Dr. Ralf Wegner, 18. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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