Evelyn Herlitzius in Berlin: Ihre Leistung ist zu gut, um wahr zu sein!

Dmitri Schostakowitsch: Lady Macbeth von Mzensk
Deutsche Oper Berlin, 7. April 2018

Donald Runnicles, Dirigent
Ole Anders Tandberg, Inszenierung
Erlend Birkeland, Bühne
Maria Geber, Kostüme
Evelyn Herlitzius, Katerina Ismailowa
Sergey Polyakov, Sergej
Wolfgang Bankl, Boris Ismailow
Thomas Blondelle, Sinowij Ismailow

von Yehya Alazem

Achtung! Legen Sie den Sicherheitsgurt an … sonst werden Sie vom ersten Ton an weggeblasen!

Was ist dies für eine Stimme? Das ist kein musikalisches Erlebnis – das ist ein Orkan! Was sie mit ihrer Stimme machen kann, ist total unfassbar: Evelyn Herlitzius ist eine außergewöhnliche Künstlerin, mit der man kaum jemanden vergleichen kann. Die Stimme klingt zwar nicht „schön“ – wie etwa Eva-Maria Westbroek oder Nina Stemme –, hat aber eine bezaubernde Gestaltungskraft von einem anderen Planeten. Sie steht als Darstellerin auf einer ganz eigenen Ebene; man kann bei dieser Aufführung an niemand anderen denken als an Evelyn Herlitzius.

Rollen wie Elektra, Emilia Marty und bei dieser Aufführung Katerina Ismailowa fordern eine Sängerin, die eine starke weibliche Figur darstellen kann. Evelyn Herlitzius verkörpert die gelangweilte, rachsüchtige, geile Heldin in Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ auf phänomenale Art und Weise.

Als ihr Liebhaber brilliert der russische Tenor Sergey Polyakov und singt einen leidenschaftlichen Sergej mit Mut und Lust. Er hat eine dunkle, kräftige Stimme, die nicht den kleinsten Mangel an Flexibilität hat. Der belgische Tenor Thomas Blondelle singt einen charaktervollen, ängstlichen Gatten von Katerina mit seinem hellen, durchdringenden Tenor. Die zwei Tenorrollen konnten kaum besser besetzt werden: der Kontrast zwischen ihnen ist aus musikalischer als auch darstellerischer Sicht sehr deutlich.

Mit Gewalt lässt der österreichische Kammersänger Wolfgang Bankl den ganzen Saal erzittern. Sein Bassbariton ist konzentriert, schwer und gewaltig, und er stellt den Herrscher der Stadt und Schwiegervater von Katerina mit voller Manipulation und Dominanz dar.

Schostakowitschs Partitur fordert mehr von einem Dirigenten und einem Orchester, als das, was Donald Runnicles und dem Orchester der Deutschen Oper an diesem Abend gelingt. Dem Orchesterspiel mangelt es nicht an Dramatik. Das Orchester ist manchmal so laut, dass man sich die Ohren zuhalten möchte, aber im Dirigat von Runnicles findet man leider weder eine innere Spannung noch ein wenig Erotik.

Der norwegische Regisseur Ole Anders Tandberg bietet eine überzeugende Interpretation des Werkes und verlegt die Handlung in ein Fischerdorf in Norwegen. Fische werden für Gewalt und für sexuelle Elemente benutzt. Die Inszenierung ist vulgär, grausam und brutal. Die Themen Macht, Gewalt und der kontrollierbare sexuelle Trieb, die Schostakowitsch in seiner Oper behandelt, bringt Tandberg mit seiner Inszenierung hervor, in der man auch eine gewisse Ironie und Humor findet.

Am Ende erhält die aus Osnabrück stammende Evelyn Herlitzius den größten Applaus. Ihre Leistung ist zu gut, um wahr zu sein!

Yehya Alazem, 10. April 2018,
klassik-begeistert.de

Foto: Deutsche Oper Berlin

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