Musikverein Wien, 11. April 2018
Wiener Symphoniker
Dirigent, David Afkham
Anton Sorokow, Violine
Pablo Ferrándes, Violoncello
Johannes Brahms: Konzert für Violine und Violoncello mit Orchester in a-Moll, op. 102 “Doppelkonzert”
Antonin Dvorák: Symphonie Nr. 7 in d-Moll, op. 70
von Herbert Hiess
Dem Management der Wiener Symphoniker ist es zu verdanken, dass es innerhalb kürzester Zeit möglich machte, beide Solisten dieses anspruchsvollen „Doppelkonzertes“ umzubesetzen. Beim Cellisten hatten die Veranstalter etwas mehr Zeit; beim Geiger nur zwei Tage. Deswegen ist es Anton Sorokow, dem ersten Konzertmeister des Orchesters, mehr als nur zu danken, dass er innerhalb dieser kurzen Zeit diesen schwierigen Part so fulminant spielte und auch eine gediegene Interpretation zustande brachte.
Johannes Brahms’ Konzert für Violine und Violoncello mit Orchester ist das letzte Orchesterwerk des Hamburger Komponisten. Wie bei seinen anderen Solokonzerten (die beiden Klavierkonzerte und das Violinkonzert) hat das Orchester hier eine eigenständige Rolle; es ist in Wirklichkeit viel mehr als eine bloße Begleitung. Der Komponist wollte mit seinem Werk die Freundschaft zu dem damals berühmten Geiger Joseph Joachim wiederbeleben – ob es wirklich gelang, ist nicht überliefert.
Das Werk ist ein gewaltiger Geniestreich; Brahms bezeichnete es selbst als geschrieben für eine „achtsaitige Riesengeige“. Vielleicht dachte er noch an eine periphere Anlehnung an das Concerto Grosso (eine Gruppe von Soloinstrumenten wird von einem Ensemble begleitet) – bei seinem Werk sollen die Solisten wie eine Einheit musizieren. Es gibt viele Passagen, bei denen Cello und Violine im Legato nahtlos ineinander fließen.
Dass das nicht immer so gelang, ist wahrscheinlich auf die allzu kurze Vorbereitungszeit der Musiker zurückzuführen. Vor allem im ersten Satz waren da und dort Verständigungsprobleme zwischen den Solisten untereinander und auch mit dem Orchester hörbar. Wobei Pablo Ferrándes das Konzert laut seiner Biographie schon öfters gespielt hat; da verwunderte schon das zeitweise Distonieren im ersten Satz.
Aber im weiteren Verlauf gelang den beiden Musikern das Zusammenspiel immer besser; vor allem im Final-Rondo klangen sie dann wie eine Einheit.
Der grandiose Ohrwurm des Andantes klang fast belanglos, was vor allem auf den Dirigenten David Afkham zurückzuführen ist. Gerade dieser Satz lädt zum Schwelgen ein. Brahms hat sich mit diesem sehnsuchtsvollen und emotionellen Thema selbst ein akustisches Denkmal gesetzt. Da hätte der Maestro viel intensiver mit dem Orchester arbeiten müssen; Phrasen und dynamische Wechsel sind nicht immer selbstverständlich.
Das setzte sich dann leider bei Antonin Dvoráks Symphonie fort. Diese allzu selten gespielte Symphonie ist vielleicht die „böhmischste“ aller seiner Symphonien. Hier finden sich elegische Themen, tänzerische Rhythmen, überraschende Modulationen en suite. Rubati und Phrasierungen sind bei dem Werk das Um und Auf.
Dvorák selbst sah das Stück selbst als „Suche nach dem Nationalstaat“ – hier verarbeitete der mit Brahms befreundete Komponist die Gedanken und Wünsche seiner Landsleute; die vielen böhmischen Lied- und Tanzthemen kann man als musikalischen Patriotismus sehen.
Leider setzte der Dirigent auch nach dem Brahms-Konzert seine Art des Musizierens so fort. David Afkham ist sehr begabt; er hat eine klare und deutliche Schlagtechnik und hat sicher viel in Richtung Präzision mit den Musikern gearbeitet. Nur das allein ist halt nicht seligmachend. Sowohl bei Brahms als auch bei Dvorák hätte man viel mehr an Phrasen, dynamischen Effekten und Schattierungen arbeiten können und müssen.
Im zweiten Satz der Symphonie (poco adagio) finden sich so viele Modulationen und Übergänge, die man hätte gestalten können und müssen. Dass das Scherzo mit einem verwaschenen Auftakt (leider auch in der Reprise) begann, ist nur das sprichwörtliche Tüpfelchen auf dem i. Und im Finale klingt in der Coda ein „letztes Aufbäumen“ an; wie gern hätte man das auch so gehört.
Die Wiener Symphoniker sind ein Kollektiv hervorragender Musiker, die für eine gediegene Interpretation dann doch ihren Maestro brauchen. Afkham hätte in dem Konzert viel mehr Akzente setzen sollen und müssen. Genauso hätte er mehr Wert auf einen ausgewogenen Gesamtklang legen müssen. So hätte man sich bei den exzellenten Holzbläsern, die von den Streichern zu sehr dominiert wurden, mehr Klangfarben erwartet. Und dem Paukisten, der eigentlich einen wunderbaren Klang produzierte, hätte man den Unterschied zwischen forte und fortissimo erklären müssen (denn beides klang fast gleich). Dass der Schlusston des Finales dann völlig belanglos klang, war auch keine Überraschung mehr.
Gerade bei einem Konzert mit einem so schönen und (leider) seltenen Programm hätte man viel intensiver an diesen Juwelen der Musik arbeiten müssen. Aber vielleicht hat der Stress mit den Umbesetzungen der Solisten auch gewisse Abstriche verursacht. Unter anderen Voraussetzungen hätten Herr Afkham und das tolle Orchester sicher musikalische Höhenflüge demonstriert.
Herbert Hiess, 12. April 2018,
für klassik-begeistert.de