DVD-Rezension
Stanisław Moniuszko
HALKA
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schoenberg Chor
Lukas Borowicz Dirigent
Mariusz Treliński Regie
Produktion des Theaters an der Wien, 2019
Unitel 805804
von Peter Sommeregger
Im Jahr 2019 feierte man in Polen den 200. Geburtstag des Komponisten Stanisław Moniuszko, der neben anderen Bühnenwerken die polnische Nationaloper „Halka“ schuf. In seiner Heimat wurden in diesem Jahr auch andere Opern aus seiner Feder aufgeführt, importiert nach Westeuropa wurde leider nur wieder sein bekanntestes Werk, selbst das war aber für Wien eine Erstaufführung.
Die Erwartungen für diese Produktion waren hoch, waren doch die beiden männlichen Hauptrollen mit polnischen Gesangsstars besetzt.
Der Bass-Bariton Tomasz Konieczny, Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und international erfolgreich, enttäuscht seine Fans nicht. Er gibt dem negativen Helden Janusz neben der satten Fülle seines geschmeidigen Bass-Baritons auch gebrochene Töne, die den zwiespältigen Charakter dieser Figur gut charakterisieren.
Der glücklose Freund Halkas, Jontek, findet in Startenor Piotr Beczała eine Luxusbesetzung. Mit dem Strahl seines Tenors wird diese Rolle des „Kümmerers“ zum strahlenden Helden und moralischen Sieger. Die beiden Sänger entwickeln so etwas wie polnischen Belcanto und lösen beim Publikum damit echte Begeisterung aus. Nach seinem großen Solo im vierten Akt wird Beczała minutenlang gefeiert.
Die Titelrolle des unglücklichen Bauernmädchens Halka wird von der jungen amerikanischen Sopranistin Corinne Winters verkörpert. Als Nicht-Muttersprachlerin fügt sie sich erstaunlich gut in das Ensemble ein. Ihrem tragfähigen schön timbrierten jugendlich-dramatischen Sopran gelingt ein facettenreiches, anrührendes Porträt des betrogenen Mädchens.
Auch die übrigen, kleinen Rollen sind adäquat und stimmig besetzt. Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Lukasz Borowicz wird Moniuszkos spätromantischer Musik ausgezeichnet gerecht, ebenso der Arnold-Schönberg-Chor. Akustisch bewegt sich diese Aufführung auf allerhöchstem Niveau und wirft erneut die Frage auf, warum dieses Werk nicht öfter auf unseren Spielplänen auftaucht.
Wo musikalisch so viel Licht ist, enttäuscht die indiskutable Inszenierung von Mariusz Treliński umso mehr. Dieser stülpt dem folkloristischen Stoff eine stark abgewandelte Handlung im trashigem Ambiente über, die an Düsternis und Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten ist.
Halka ist Zimmermädchen in einem Hotel, ihr untreuer Liebhaber ist der Hoteldirektor, der sich anschickt, die Tochter des reichen Besitzers zu heiraten. Das beraubt den Stoff nicht nur seiner Volkstümlichkeit, er gibt auch reichlich Gelegenheit dazu, die banale Welt eines Mittelklasse-Hotels drastisch zu illustrieren. Der Tiefpunkt ist erreicht, wenn am Rande der Verlobungsfeier betrunkene weibliche Gäste sich am Bühnenrand übergeben. Die Party-Gesellschaft wird mit allen Attributen einer neureichen, unkultivierten Schicht ausgestattet. Soll das etwa Sozialkritik sein?
In jedem Fall ist es schlechter Geschmack. Die Diskrepanz zwischen erstklassiger musikalischer Realisierung der Partitur und der Vernichtung des Dramas durch den Regisseur könnte größer nicht sein. Augen zu, und durch!
Peter Sommeregger, 21. Januar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Ladas Klassikwelt 77: Warum wird „Halka” außerhalb Polens so selten gespielt?
CD-Rezension: Stanisław Moniuszko, „Halka“, Gabriel Chmura, Poznań Opera House Orchestra