Edna Prochnik (Klytämnestra), Trine Møller (Elektra), Lena Kutzner (Chrysothemis), Rúni Brattaberg (Orest), Wolfgang Schwaninger (Aegisth) (Foto RW)
Brigitte Fassbaenders Inszenierung überzeugt. Sie erzählt die Geschichte so, wie sie der Text hergibt, d.h. mit den notwendigen Requisiten, etwa dem Beil, und verliert sich nicht in abwegigen Interpretationen. Die psychologische Führung der Sängerinnen ist hervorragend.
Elektra, Oper von Richard Strauss nach dem Text von Hugo von Hofmannsthal
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Musikalische Leitung: Stefan Vladar
Inszenierung: Brigitte Fassbaender
Bühne und Kostüme: Bettina Munzer
Theater Lübeck, 2. Februar 2024
von Dr. Ralf Wegner
Gegen 16 Uhr entschieden wir uns, von Hamburg nach Lübeck zu der vom Kollegen Dr. Andreas Ströbl hochgelobten Elektra-Aufführung zu fahren. Pro Stunde fahren zwei Züge, die Fahrt dauert auch nur eine Dreiviertelstunde. Vom Bahnhof bis zum Stadttheater ist es aber noch ein strammer Fußweg von 20 Minuten. 10 Minuten vor Vorstellungsbeginn trafen wir ein und erwarben zwei Plätze im dritten Rang in der ersten Reihe. Von dort konnte man sehr gut sehen.
Der Höreindruck blieb allerdings zwiespältig. Der Klang des Orchesters und auch aller Stimmen neigte zum Grellen, dafür gelangten die Tonemissionen selbst des Mägdequintetts in voller Lautstärke nach oben. Kein Ton, keine Silbe wurde vom Orchester verschluckt. Vermutlich hängen die besonderen akustischen Bedingungen mit der offensichtlich holzfreien Wandverkleidung zusammen. Man mag mich aber auch eines Besseren belehren.
Brigitte Fassbaenders Inszenierung überzeugt. Sie erzählt die Geschichte so, wie sie der Text hergibt, d.h. mit den notwendigen Requisiten, etwa dem Beil, und verliert sich nicht in abwegigen Interpretationen. Die psychologische Führung der Sängerinnen ist hervorragend. Der Schluss ist anders: Elektra bricht nicht tot zusammen, sondern sinkt auf die Knie und schreit, tonlos bleibend, mehrfach den Namen ihres Vaters Agamemnon hinaus in das Publikum, während sich hinter ihr allmählich der Vorhang senkte. Das ging unter die Haut.
Das Bühnenbild ist eher minimalistisch mit einem langen Esstisch im Vordergrund und einer schräg in den von grauen Hausfassaden umstellten Innenhof führenden Pergola.
Die drei Sängerinnen spielten sehr intensiv und überzeugend. Gesanglich überzeugte mich vor allem Edna Prochnik als Klytämnestra. Mit schöner, warmer Tiefe und nie zum Schrillen neigendem Mezzo interpretierte sie die Partie der von quälenden Träumen geplagten Mutter mit beklemmender Intensität, und ohne die königliche Würde zu verlieren. Endlich hörte man wieder eine noch junge, noch nicht am Ende der Karriere stehende Sängerin, die auch gesanglich und nicht nur darstellerisch ergreifen konnte.
Trine Møller hatte für die Elektra das nötige Stimmmaterial zur Verfügung, d.h. genügende Schallkraft, um gnadenlos das Orchester zu übertönen und auch in der Höhe genügend zu triumphieren. Etwas weniger laut und dafür mehr einer schönen Gesangslinie folgend hätte es aber doch sein können. Leider trübte mitunter ein erhebliches Vibrato ihren Vortrag. Lena Kutzner gefiel als Chrysothemis, neigte aber auch dazu, ihr Stimmmaterial nicht zu schonen, um mit Elektra mithalten zu können.
Orest wurde von dem Bass Rúni Battenberg gesungen, einer eigentlich für Bariton vorgesehenen Partie. Der tiefe Klang seiner Stimme erwies sich als gewöhnungsbedürftig. Aegisth war mit Wolfgang Schwaninger rollendeckend besetzt.
Der Schlussbeifall begann sehr schleppend und steigerte sich erst allmählich mit Bravi für die drei Sängerinnen und den Dirigenten Stefan Vladar. Insgesamt war es eine inszenatorisch und gesanglich beeindruckende Aufführung, für die sich der Kurzausflug nach Lübeck unbedingt gelohnt hat.
Dr. Ralf Wegner, 4. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Elektra, Musikdrama von Richard Strauss Theater Lübeck, Premiere am 27. Januar 2024