Elisabeth Leonskaja und „Young Talents": Nur die Sitze trüben das großartige Musikerlebnis im Berio-Saal

Elisabeth Leonskaja, Gerhard Schulz  Wiener Konzerthaus

Foto: Marco Borggreve (c)
Wiener Konzerthaus, Berio-Saal,
14. Juni 2018
Elisabeth Leonskaja, Klavier
Gerhard Schulz, Viola
Sophie Rennert,  Mezzosopran
Emmanuel Tjeknavorian, Violine
Ziyu He, Violine, Viola
Narek Hakhnazaryan, Violoncello
Dominik Wagner, Kontrabass

Great Talent: Elisabeth Leonskaja und Gerhard Schulz
musizieren mit jungen Talenten

von Jürgen Pathy

Im Rahmen des Zyklus „Great Talent“ locken die russische Grande Dame Elisabeth Leonskaja, 72, und der österreichische Musiker Gerhard Schulz, 66 – 30 Jahre lang Mitglied des weltberühmten Alban Berg Quartetts – in den Berio-Saal des Wiener Konzerthauses.

Trotz der übermächtigen Konkurrenz der Fußball-WM und Mahlers Dritter im Großen Saal ist der Berio-Saal (420 Plätze), der im Souterrain des Hauses angesiedelt wurde, zum Bersten gefüllt. Ursprünglich ist der Abend im größeren Mozart-Saal (730 Plätze) angesetzt gewesen, wurde jedoch laut offiziellen Social-Media-Kanälen des Hauses aus „organisatorischen Gründen“ verlegt – ein Unterfangen, das bereits vor dem Konzertbeginn einigen Besuchern aufs Gemüt schlägt.

Das modern-puristische Ambiente mit seinen mahagonifarbenen Holzvertäfelungen und den kalten Betonstützen untermauert die finstere Klangwelt der Ravel‘ schen Sonate in C-Dur für Violine und Cello. In der Zwischenkriegszeit (1920 – 1922) zum Gedenken an Claude Debussy komponiert, entlocken der chinesische Geiger Ziyu He und der armenische Cellist Narek Hakhnazaryan der Komposition düstere Bilder der Verwüstung – aber auch hellere Momente schimmern durch den Bunker, als bei einer Passage Assoziationen an den Wagner’ schen Walkürenritt wach werden.

Für Gabriel Faure und dessen Komposition La bonne chanson (1892 – 1894) rochiert das junge Künstlerduo mit Elisabeth Leonskaja und der österreichischen Mezzosopranistin Sophie Rennert, 27.  Auftritte bei der Schubertiade in Schwarzenberg und Hohenems als auch im Bayreuther „Parsifal“ als Blumenmädchen haben bei der Preisträgerin nationaler und internationaler Wettbewerbe erfreuliche Spuren hinterlassen – die junge Sängerin beeindruckt durch ihre Bühnenpräsenz und flirtet hinreißend mit dem Publikum, das sich kurzer Hand in einer Pariser Bar wiederfindet, in der leicht bekleidete Mädchen Cocktails servieren.

Auch den vier Schubert’ schen Liedern verpasst die Mezzosopranistin den passenden Anstrich und kann somit die Essenz der Texte authentisch hervorheben und vermitteln. Mit viel Spielfreude unterstützt wird sie dabei von Elisabeth Leonskaja, die nicht nur als Liedbegleiterin, sondern auch im „Forellenquintett“ aufmerksam durch die Schubert’ schen Gewässer manövriert.

Das teils blutjunge Quintett beweist nicht nur seine Vielfalt – Ziyu He, 1999 geboren, wechselt von der Violine zur Viola -, sondern erblüht unter der Obhut der beiden Altmeister zu einer harmonischen Einheit.

Der tosende Applaus ist den „Young Talents“ sicher, die zum Teil – Emmanuel Tjeknavorian, Narek Hakhnazaryan – auch in der Saison 2018/19 im traditionsreichen Wiener Konzerthaus zu bewundern sein werden.

Als Wermutstropfen trüben die Sitze des Berio-Saales das Wunder der Musik: unbequem, eng und peinigend!

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 16. Juni 2018, für
klassik-begeistert.at

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