EPM Caccini © Sybe Wartena
Giulio Caccini rockte mit seiner zweiten Frau und seinen zwei Töchtern den Hof des Ferdinando I. de’ Medici in Florenz. Und zwar so, dass viele anderen Höfe „auch sowas“ wollten. Nun! und der „Hofstaat (= das Publikum) im Bayerischen Nationalmuseum“ aka Hof der Medici feiert stürmisch die Caccinis aka das Ensemble Phoenix Munich.
Zwischen Mars und Venus XVII: Le donne di Giulio Caccini
Ensemble Phoenix Munich
Bayerisches Nationalmuseum, München, 17. November 2024
von Frank Heublein
An diesem Sonntagnachmittag schlüpft Joel Fredriksen mit seinem Ensemble Phoenix Munich in die Rolle der Caccinis, seines Freundes und Mitstreiters Palantrotti und seines Arbeitgebers, des Fürsten Ferdinando I. de’ Medici. Ich trete aus dem Bayerischen Nationalmuseum ins feuchte wässrig schneeige Dunkel des Münchner Abends. Egal. Welch Energie habe ich verspürt. Welch glückselig machende Freude.
Der Reihe nach. Ich bin in der schwarzen Gruppe. Eine von fünfen. Ich erlebe ein Wandelkonzert. Ich wandere durch das Bayerische Nationalmuseum. Ich finde in Anja eine Begleiterin. Wir entdecken gemeinsam die musikalische Energie des Ensemble Phoenix, pardon! der Familie Caccini. Giulio Caccini hat den Generalbass mindestens in seinem für die Musikgeschichte bedeutenden Werk Le nuove musiche erstmals als solchen beschrieben.
Ich begegne in der ersten Station des Wandelkonzerts dem Bassisten Melchior Palantrotti, der mir das Lacrimosa „Chi mi conforta, ahimè“ darbietet. Das entspricht meiner momentanen Grundstimmung sehr gut „Wer soll mich trösten, ach…“. Joel Frederiksen tut es, stärkt mich. Dann geht es, oh schreck! … fälschlicherweise zuerst gegen den Uhrzeigersinn, wir sind am falschen Platz! Das führt dazu, dass wir immer die letzte Gruppe sind. Doch am Ende finden wir auch beim Tutti unseren Platz.
Sopranistin und Gambistin Tanja Vogrin verkörpert die erste weibliche Opernkomponistin, die uns, der Nachwelt überliefert ist, Giulios Tochter Margherita Caccini. Ihre strahlende Stimme höre ich auch noch einmal aus der Ferne bei der Station mit ihrem Vater. O che felice giorno – oh welch glücklicher Tag. Genau! Sopranistin Tanja Vogrin erzeugt dieses Gefühl mir: Glück! Diese Stimme berührt mich sehr. Und wenn ich den Text im Nachhinein übersetzt lese: Tanja, Margherita, Du hast mich erbaut! „Oh mein Licht, o mein Leben“. Ja, Tanja Vogrins Stimme bringt mein Inneres zum Leuchten.
Dann geht’s zum Vater und Gemahl Giulio Caccini. Amarilli, mia bella – Amaryllis, meine Schöne. Mario Lesiaks wohltimbrierter Tenor umschmeichelt mein Ohr. Weiter geht es zu seiner zweiten Ehefrau. Margherita Caccini alias Sopranistin und Harfinistin Tanja Vogrin singt für mich – „natürlich“, so spüre ich das, nur für mich, O che felice giorno – oh, welch glücklicher Tag. Ihre warme Sopranstimme singt herzwärmend für mich. Ja klar, wäre ich Giulio Caccini, so eine Wuchtbrumme wollte auch ich heiraten. Die Rolle der zweiten Tochter Settimia Caccini übernimmt Sopran Emma-Lisa Roux. Già sperai – schon hoffte ich. Dieses Herz ist eins, das wütend auf Rache sinnt. Klar funkelnd direkt ist Emma-Lisa Roux’ Stimme.
Jetzt wandern wir zu den Treppen zum zweiten Stock des Museums. Ein Tutti der Solostimmen erwartet uns. Michael Eberth alias Ferdinando de’ Medici stößt als Cembalist hinzu. Dargeboten werden Werke des Vaters Caccini und seiner Töchter. Herausstechend das Duett zwischen Lucine Musealian und Joel Frederiksen. Diese beiden Stimmen verschmelzen. Für mich noch bewegender sind die Gruppenstücke. Welche Freude, Energie verspüre ich in dieser Gemeinschaft der Musizierenden. Sie überträgt sich auf mich. Das ist die Kraft der Kunst! Begeisternder Applaus, Jubelnde Rufe für das Ensemble.
Frank Heublein, 18. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung
Emma-Lisa Roux / Settimia Caccini – Sopran, Theorbe
Tanja Vogrin / Margherita Caccini – Sopran, Harfe
Lucine Musealian / Francesca Caccini – Sopran, Viola da Gamba
Mario Lesiak / Giulio Caccini – Tenor, Laute, Gitarre
Michael Eberth / Ferdinando de’ Medici – Cembalo
Joel Frederiksen / Melchior Palantrotti – Bass, Erzlaute, Leitung