Im pianistischen Himalaya-Territorium stellt Dmitry Sin selbst La Valse fulminant in den Schatten 

Dmitry Sin, Klavier  Alfred Schnittke Akademie Hamburg, 17. November 2024

Fotos: © Jerzy Pruski für Shigeru Kawai Europa

Mit diesem fulminanten Klavierabend in der Hamburger Alfred Schnittke Akademie International gelingt Dmitry Sin eine spektakuläre Ansage an die pianistische Konkurrenz. Insbesondere seine brillante Darbietung von Rachmaninows erster Klaviersonate im pianistischen Himalaya-Territorium stellte selbst Ravels monumentale La-Valse-Dichtung regelrecht in den Schatten!

Alfred Schnittke Akademie International, Hamburg, 17. November 2024

im Rahmen der Kawai-Konzertserie 2024

Dmitry Sin, Klavier

Werke von Robert Schumann, Maurice Ravel und Sergei Rachmaninov/Сергей Рахманинов

von Johannes Karl Fischer

Erst im Juli hatte Stefan Bonev in der Hamburger Alfred Schnittke Akademie International mit einer musikalischen Feuerwerkstrilogie für Furore gesorgt, an diesem Abend setzt Dmitry Sin die musikalische Olympiafeier der pianististischen Nachwuchsspitzenliga im Stadtteil Altona fort. Der schon in seiner jungen Karriere gefeierte und mehrfach preisgekrönte Pianist präsentierte ein sich stets überschlagendes Programm, die für Pianist und Publikum gehalt- und anspruchsvollen Schumann’schen Davidsbündlertänzen waren nur der Auftakt zu zwei feurigen, im Charakter quasi-orchestralen Hammerwerken!

Die 18 kontrastreichen und emotional reifen Sätze musizierte der Pianist mit viel Liebe zum Detail und verschmolz die Tänze zu einem kohärent klingenden Meisterwerk. Insbesondere die sehr zahlreichen raschen, wilden und lustigen Sätze wurden zu einem absoluten Showstopper. Schon in diesem im Vergleich zu den anderen beiden Werken noch zurückhaltend komponierten Stück ließ er die ganze Energie  aus den Tasten regelrecht explodieren. Die brennende Passion für diese Musik strahlte er mit innigster Liebe zu den Melodien in den ganzen Saal.

© Jerzy Pruski für Shigeru Kawai Europa

Auf diese bereits feurig applaudierte Konzerteröffnung folgte Ravels La Valse, die vom Komponisten eigenhändige Klavierbearbeitung seiner monumentalen Orchesterdichtung. Von der Noten her ist das natürlich einfach  nochmal eine Nummer größer, lauter, einfach mächtiger als Schumann. Herr Sin stellte mit dieser Meisterleistung die 18 tänzerischen Charakterstücke allerdings regelrecht in den Schatten. So ein bisschen nach dem Motto „Platz da, Schumann!“

Völlig mühelos ließ er die scheinbar grenzenlosen Klänge aus dem Flügel emporsteigen und schwebte über die hammerschweren Läufen wie auf einem luftigen Chopin-Walzer. Die berühmte Wiener-Walzer-Melodie und Grundlage der musikalischen Dichtung ließ er wie einen spielenden Karusellklang zu Beginn des Werks im Saal tanzen, steigerte diese allerdings rapide ins Unermessliche. Als würde er das Praterkarusell eigenhändig in eine rauschende, achterbahnartige Attraktion beschleunigen… Und auch dieses musikalisch kräfteringende Werk schien ihm keine Müh’ zu machen, was einen da wohl noch nach der Pause erwartet?

© Jerzy Pruski für Shigeru Kawai Europa

Wenn Herr Sin mit Ravel schon einen monumentalen Schumann-Zyklus mühelos in den Schatten stellte, so legte er mit Rachmaninovs erster Klaviersonate nochmal ordentlich einen drauf und ließ selbst La Valse wie ein kurzes, kleines Mini-Zwischenspiel erscheinen. Furchtlos stürzte sich der Solist in dieses pianistische Himalaya-Territorium und brachte die Saiten des Shigeru Kawai  Flügels kräftig zum Klingen. Gerade im etwas gemütlicher dimensionierten Saal resonierten die monumentalen Melodien dieses Meisterwerks intensiv und ließen einen die volle Macht der Musik mitfühlen!

Gerade in der Rachmaninow-Sonate spielte Herr Sinn die ganzen breiten dieser Melodien voll aus und lieferte eine technisch wie musikalisch brillante Paradeleistung der großen Klavierkunst. Der Klang seines Instruments schien keine Grenzen zu kennen. Eine schiere Fülle an Noten schwebte im Raum, doch ließ er auch die triumphalen Akkorde stets mitatmen und mitschwingen. Auch im zweiten Satz brachte er einen innigen und tief emotionalen Klang in den Saal, ein paar wohltuende musikalische Ruhemomente inmitten der schier überwältigenden Energie.

© Jerzy Pruski für Shigeru Kawai Europa

Zwei Zugaben legte der Pianist auf diesen pianistischen Himalaya-Abend oben drauf. Der begeisterte Applaus war in allem Ausmaße völlig verdient. Mit diesem spektakulären, fulminanten Programm geriert Dmitry Sin eine deutliche Ansage an die etablierte wie aufsteigende Konkurrenz!

Johannes Karl Fischer, 18. November 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Kawai-Konzertserie 2024, Stefan Bonev, Klavier Alfred Schnittke Akademie Hamburg, 12. Juli 2024

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