ensemble reflektor, Chor St. Michaelis © JF
Gemeinsam mit fünf fabelhaften SolistInnen und einem äußerst dynamisch spielenden Lüneburger ensemble reflektor bringt der Chor St. Michaelis Schumanns Oratorium „Das Paradies und die Peri“ in der Elbphilharmonie zum Glänzen. An der musikalischen Spitze stand eine überaus freudestrahlende Leistung der Hamburger Opernstudio-Sopranistin Olivia Boen. So macht Schumann Spaß!
ensemble reflektor
Chor St. Michaelis
Olivia Boen, Sopran (Peri)
Katja Stuber, Sopran
Marie-Henriette Reinhold, Mezzosopran
Patrick Grahl, Tenor
Manuel Walser, Bariton
Jörg Endebrock, musikalische Leitung
Robert Schumann: Das Paradies und die Peri, Oratorium für Solostimmen, Chor und Orchester op. 50
Elbphilharmonie Hamburg, 10. Juni 2024
von Johannes Karl Fischer
Ich schreibe es sicherlich zum 5387. Mal: Ich bin kein Schumann-Fan. Umso bemerkenswerter ist es, wenn ein anderthalbstündiges Schumann-Oratorium mich und die – leider nicht ausverkauften – Ränge der Elbphilharmonie in grenzenlose Begeisterung versetzt. Das war eine absolute Meisterleistung der Oratoriumskunst, so ausgewogen und dennoch brillant und begeisternd habe ich schon lange kein Chorwerk mehr gehört!
An der Spitze der Handlung wie auch der musikalischen Darbietung stand Olivia Boen mit einer fabelhaften Darbietung der Titelrolle der Peri. Mit grenzenloser Brillanz strahlte ihr Sopran sonnenhell durch den Saal, als würde sie die ewige Freude anderthalb Stunden lang an das Publikum und die Engel vor dem Tor zum Paradies verbreiten. Jedes einzelne Wort und jeder Ton floss mit strahlender Freude durch den Raum und füllte die Luft randvoll mit fröhlicher Glücksstimmung, ein bisschen wie der die größte Freude verkündende Weihnachtsoratorium-Engel, nur dass Schumann diese Sopran-Partie um einiges angemessener dimensioniert hat als Bach…
Ganz nebenbei, Frau Boen ist derzeit Mitglied im Opernstudio der Staatsoper am Gänsemarkt. Vor dieser Leistung müsste sich die eine oder andere Ensemble-Sopranistin warm anziehen, diese Sängerin sollte Herr Kratzer sich nicht entgehen lassen…
Auch die Sopranistin Katja Stuber begeisterte mit einem stimmlich spaßigen Gesang. Ihre handlungstechnisch nebensächlichen Rollen standen der Peri und ihrer namenlosen Freude um nichts nach, in ihrer Stimme wehte stets ein frischer, heiterer Wind. Marie-Henriette Reinhold bot quasi das gesangliche Gegenstück zu den beiden Sopranistinnen, ihr Mezzosopran klang stets mit innigster Passion und drang tief in die Seelen des Publikums ein. Da war sehr viel Wärme, sehr viel Leidenschaft in ihrer Stimme, vor allem in ihrem letzten Solo-Auftritt ließ sie die Sonne ganz wie im Text auch stimmlich still herniederschweben. Eben genau die sakrale Einfärbung, die dieses Oratorium brauchte, um sich nicht aus seiner Gattung selbst zu befreien.
Gänzlich gattungstreu und souverän erledigte auch der Tenor Patrick Grahl seine weitgehend rezitativischen Aufgaben. Seine Stimme erzählte den Text mit deutlicher Diktion – dennoch vor allem in den tieferen Lagen mit viel musikalischem Ausdruck. Die Melodien ließ er ebenso durch den Saal segeln wie die scheinbar endlosen Textstrophen. Manuel Walser sang die Bariton-Partie stets mit stimmstarkem Einsatz, mit wenigen Worten ließ er den Tyrannen Gazna mächtig über sein Volk herrschen.
Der Chor St. Michaelis brillierte auch außerhalb der prächtigen Michel-Akustik souverän, gänzlich mit einer Seele singend füllten die sehr zahlreichen Sängerinnen und Sänger auch den etwas weniger halligen Klang-Tempel namens Elbphilharmonie randvoll mit wunderbar rundem Chorgesang. In den sehr zahlreichen Chorrollen fanden sie sich stets bestens und mit farbenfrohem Gesang zurecht, insbesondere die Fuge wurde zu einer souveränen, spektakulären Paradeleistung des kunstvollen Chorgesangs!
Und nicht zuletzt brachte auch das äußerst dynamisch spielende ensemble Reflektor frischen Wind in diese wunderbare Musik. In einer für Schumann’sche Verhältnisse vergleichsweise schlanker Besetzung spielten die Musikerinnen und Musiker stets flockig und federleicht, wie ein kunstvoll verziertes musikalisches Silbertablett für einen schmackhaften Gesang. Der Dirigent und Chorleiter Jörg Endebrock sorgte für eine äußerst ausgewogene Balance auf der Bühne und ließ Chor und Orchester ihre Begeisterung für diese Musik ausleben.
Es ist eben ganz große Kunst, aus einem per se überbewerteten und vom Werk her eigentlich nicht so brillanten Oratorium eine dermaßen spektakuläre Aufführung zu machen. So macht Schumann Spaß!
Johannes Karl Fischer, 11. Juni 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Robert Schumann, Das Paradies und die Peri op. 50 Gewandhaus zu Leipzig, 6. Oktober 2022
Robert Schumann, Das Paradies und die Peri, Oratorium, 23. Februar 2022 – Elbphilharmonie
Ich glaube, man muss erst seine Klavierkonzerte hören und sich in diese feinfühlig hineinversetzen, um die anderen Werke aus seiner Hand lieben zu lernen. Es besteht allmählich das Bedürfnis, immer mehr seiner Werke zu lauschen und dabei ergriffen zu sein. Schumann hatte ein reiches unerschöpfliches Innenleben, was er meisterhaft in seiner fantastischen Musik zum Ausdruck brachte. Ein fast als überirdisch zu bezeichnendes Werk Schumanns ist der 3. Satz seinen 2. Sinfonie (andante espressivo). Bei einer guten und sensiblen Orchester-interpretation, kann es passieren, dass dem Zuhörenden die Augen nicht trocken bleiben.
Heinz-Peter Voigt