Foto: Monika Rittershaus (c)
Erich Korngold: Das Wunder der Heliane
Deutsche Oper Berlin, 6. April 2018
Marc Albrecht, Dirigent
Christof Loy, Inszenierung
Johannes Leiacker, Bühne
Barbara Drosihn, Kostüme
Sara Jakubiak, Heliane
Josef Wagner, Der Herrscher
Brian Jagde, Der Fremde
von Yehya Alazem
Es ist verwunderlich, dass ein Meisterwerk wie Erich Korngolds Oper „Das Wunder der Heliane“ fast nie gespielt wird!
Die Oper wurde 1927 an der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt und nach der Premiere als Misserfolg angesehen, vor allem im Vergleich zu anderen seiner Opern wie „Die tote Stadt“ und „Violanta“.
„Das Wunder der Heliane“ war eine sehr lange Zeit vergessen worden, wurde aber im Rahmen der Reihe „Entartete Musik“ von DECCA auf CD aufgenommen. Erst im letzten Jahrzehnt hat man angefangen, die Oper auf den Spielplan zu bringen, aber leider sehr selten.
Liebe und Freude sind im Land des tyrannischen Herrschers verboten. Ein Fremder taucht auf, um dem Volk seine Botschaft von Freude und Leben zu überbringen – er kommt ins Gefängnis. Der Fremde bittet den Herrscher um Gnade, aber alles, was er bekommt, ist seine letzte Nacht vor der Hinrichtung losgekettet sein zu dürfen.
Die Gattin des Herrschers Heliane kommt ins Zimmer des Fremden, um ihn zu trösten. Der Fremde bewundert Helianes Schönheit, sie löst ihr langes goldenes Haar, zeigt ihre nackten Füße und steht schließlich völlig nackt vor ihm. Der Fremde fragt Heliane, ob sie bereit sei, sich ihm hinzugeben, aber sie lehnt ihn ab und geht in die Kapelle, um für den Fremden zu beten.
Der Herrscher kehrt ins Zimmer zurück, später auch Heliane, immer noch nackt und nun entsetzt, ihren Mann im Zimmer zu finden. Der Herrscher klagt Heliane des Betruges mit dem Fremden an und lässt sie verhaften. Heliane wird vor Gericht gestellt und der Herrscher verlangt, dass der Fremde die Wahrheit erzählt. Der Fremde will die Wahrheit nicht erzählen und tötet sich selbst.
Heliane hat nur eine Wahl: Den Fremden wieder zum Leben zu erwecken – was auch am Ende passiert. Der Herrscher stößt sein Schwert in Heliane und wird vom Fremden verbannt, damit ist seine Macht gebrochen. Heliane und der Fremde sind in Liebe endlich vereint.
An der Deutschen Oper in Berlin sorgt Christof Loy für eine zeitgenössische Inszenierung, die in jeder Sicht vom Libretto ausgeht und mit der Partitur in hohem Maß harmonisiert. Loy macht die Oper trotzdem zu seinem Stück. Die Personenregie ist so durchdacht als ginge es wirklich um Leben und Tod. Das Bühnenbild von Johannes Leiacker ist einfach – alles spielt im holzigen Gerichtszimmer. Das Licht spielt in der Inszenierung eine große Rolle und verstärkt die Atmosphäre in jeder Situation.
„Das Wunder der Heliane“ könnte man als großes symphonisches Werk betrachten – es fordert ein riesiges Orchester. Der Chefdirigent der Dutch National Opera Amsterdam und des Netherlands Philharmonic Orchestra Marc Albrecht bringt mit dem Orchester der Deutschen Oper ein zauberhaftes Spiel hervor. Das Orchester klingt kompakt, transparent und kitzelt so viele Details und Schönheiten heraus. Allerdings ist das riesige Orchester manchmal zu laut und übertönt die Sänger, aber das Ganze klingt einfach großartig!
Der Österreicher Josef Wagner singt einen dominanten, kompromisslosen Herrscher. Sein Bassbariton ist tief und klar. In seiner Interpretation klingt etwas vom Fliegenden Holländer und Wotan an, was der Rolle ein bedeutungsvolles Gewicht gibt.
Der amerikanische Tenor Brian Jagde stellt einen hervorragenden Fremden dar. Mit seinem Spinto-Tenor eisernen Klangs singt er voller Dramatik und Leidenschaft. Seine Stimme hat einen wunderschönen Glanz und besitzt eine durchdringende Kraft und stabile Höhe.
Als Titelheldin Heliane bezaubert die amerikanische Sopranistin Sara Jakubiak. Was für eine Weltklasseleistung! Das Mitglied der Oper Frankfurt hat in den letzten Jahren an den größten Opernhäusern Europas gesungen. 2016 debütierte sie an der Bayerischen Staatsoper in München als Eva („Die Meistersinger von Nürnberg“) unter Kirill Petrenko. In der Rolle der Heliane ist sie vollkommen. Ihre Stimme hat einen dunklen Klang, der sich wunderschön von der Tiefe in die Höhe entwickelt und wie eine Sonne strahlt. Ihr Gesang ist rund, dicht und berührt in allen Lagen. Mit ihrer Gestaltungskraft zeigt Jakubiak eine phantastische Darstellung der Heliane, die total glaubwürdig ist – ja, sie ist dem Libretto so treu, dass sie sich sogar ganz nackt auf der Bühne auszieht.
Was macht man nicht für die Kunst? Das „Wunder der Heliane“ an der Deutschen Oper in Berlin ist ein Wunder!
Yehya Alazem, 9. April 2018, für
klassik-begeistert.de
Foto: Monika Rittershaus