Diese Oper ist eine Offenbarung

Erich Wolfgang Korngold, Das Wunder der Heliane,  Volksoper Wien

Foto: Pálffy (c)
Erich Wolfgang Korngold: Das Wunder der Heliane

Volksoper Wien
Chor und Orchester der Volksoper Wien
Bühnenorchester der Wiener Staatsoper

Vorsicht, liebe Klassik-Begeisterte! Diese Musik macht süchtig. Sie ist gigantisch gut. Sie geht ins Herz und in die Seele. Sie berauscht.

Wer einmal die Chance hatte, die Korngold-Oper „Das Wunder der Heliane“ live zu hören, der möchte das Werk noch viele Male wieder hören. Live. Jetzt haben Opernfreunde die Möglichkeit, noch zwei Aufführungen der „Heliane“ an der Volksoper Wien zu erleben: am Donnerstag, 2. Februar 2017, und am Sonntag, 5. Februar 2017.

Führende Korngold-Forscher halten „Das Wunder der Heliane“ für dessen größtes Werk. Es ist von besonderer Leidenschaft, expressionistischem Farbenzauber und Korngolds typisch wienerisch-lyrischer Melodik geprägt. Zum 120. Geburtstag des Komponisten und 90 Jahre nach der Uraufführung hat sich die Volksoper Wien erstmals dieses Meisterwerks angenommen.

Die Premiere im Haus am Gürtel stieß beim Publikum auf volle Zustimmung und Begeisterung. Für die drei Hauptdarsteller, fürs Orchester, für den Dirigenten und für den Chor gab es viel Beifall und zahlreiche Bravo-Rufe.

„Die Weltpremiere am 7. Oktober 1927 unter dem Dirigenten Egon Pollak an der Hamburgischen Staatsoper fand weder beim Publikum noch bei den Kritikern die sonst bei Korngold-Premieren übliche Anerkennung“, schreibt Wikipedia. „Man kritisierte, die Oper sei nicht modern, die Musik biete keine Überraschungen und manche Kritiker bezeichneten sie einfach als Kitsch. Nach dem Erfolg von Die tote Stadt und anderen Opern Korngolds wurde ‚Das Wunder der Heliane‘ als Misserfolg angesehen. Bei Kennern fand das Werk dagegen durchaus Bewunderung, so meinte etwa Lotte Lehmann, die Titelpartie sei eine ihrer Lieblingsrollen.

Nach einer Aufführung im Jahre 1928 unter Bruno Walter an der Berliner Städtischen Oper geriet die Oper für längere Zeit in Vergessenheit. Erst im 21. Jahrhundert gelangte sie in London wieder zur Aufführung und wurde von der BBC aufgezeichnet. Bekannteste Sequenz dieser Aufzeichnung ist die Arie ‚Ich ging zu ihm‘, gesungen von Renée Fleming.

Die nach wie vor wenig bekannte Oper wurde 2010 am Pfalztheater Kaiserslautern unter Uwe Sandner in der Regie von Johannes Reitmeier wieder aufgeführt. Die Bühnenbilder stammten von Daniel Dvorak und die Kostüme von Thomas Dörfler. Die Titelpartie sang Sally du Randt. 2012 kam eine Inszenierung von Heinz Lukas-Kindermann in Brünn heraus.“

Die Volksoper Wien bringt jetzt drei konzertante Aufführungen der Oper unter der musikalischen Leitung von Jac van Steen mit Annemarie Kremer in der Titelrolle sowie Daniel Kirch und Martin Winkler.

Klassik-begeistert.de sprach nach der Premiere mit Johannes Reitmeier, dem ehemaligen Intendanten des Pfalztheaters Kaiserslautern, der seit der Spielzeit 2012/13 als Intendant am Tiroler Landestheater Innsbruck arbeitet.

„Die rauschhafte Wirkung dieses Werkes hat sich bei mir auch in der Volksoper Wien wieder eingestellt“, sagte Johannes Reitmeier zu klassik-begeistert.de nach der Aufführung. „‚Das Wunder der Heliane’ ist ein einziger Rausch. Die Delikatessen dieses Werkes und seine Instrumentierung stellen diese Korngold-Oper noch über die großartige Richard-Strauss-Oper ‚Die Frau ohne Schatten’ aus dem Jahre 1919. Korngolds Werk ist noch delikater und noch subtiler instrumentiert. Diese Oper ist wirklich seine opera summa. Sie ist noch faszinierender als ‚Die Tote Stadt’ – als Korngoldianer habe ich diese berühmteste Korngold-Oper in Insbruck auch bereits inszeniert. Aber die ‚Heliane’ übertrifft wirklich alles. Das Werk verlangt Höchstleistungen von allen Beteiligten – vieles von Richard Wagner ist dagegen leichter zu singen. Ich bewundere ‚Das Wunder der Heliane’ zutiefst.“

Viele Gäste der „Heliane“-Aufführung in der Volksoper waren wie der Insbrucker Intendant Johannes Reitmeier von weither angereist. So hatte sich Michael Stromm, 45, der als Tenor im renommierten Philharmonischen Chor München singt, von der Isar an die Donau aufgemacht, um Korngolds lange verschollene Oper live zu hören.

„Ich warte seit zehn Jahren darauf, diese Oper einmal in einem Opernhaus zu hören. Ich kannte sie bislang nur von der CD und wollte sie unbedingt einmal live miterleben“, sagte Michael Stromm. „Für ‚Das Wunder der Heliane’ würde ich sogar zum Operntouristen werden. Der Saal der Volksoper kommt dieser Musik allerdings nicht besonders entgegen. Vieles geht unter – die Akustik ist zu trocken für ein Werk mit einer so großen Orchesterbesetzung. In eine Philharmonie würde diese konzertante Aufführung besser passen. Aber auch in ein sehr großes Opernhaus wie die Wiener Staatsoper, dann könnte das Orchester im Orchestergraben spielen und die Musik könnte sich besser entfalten. Hier in der Volksoper gehen die Stimmen teilweise ein wenig unter. Man müsste schon Wunder bewirken, dass alle Stimmen hörbar bleiben.“

Gerhard Leitner war mit dem Bus von Graz nach Wien gereist. „Ich bin vollkommen begeistert von dieser opulenten Musik“, sagte der Grazer. „Ich bin Korngold-Fan, und da man die ‚Heliane’ selten zu hören bekommt, bin ich gerne nach Wien gefahren. Diese Oper ist wirklich eine Offenbarung.“

Die Solisten des Abends gaben allesamt ihr Allerbestes. Dabei vermochte der Bariton des Herrschers, dargeboten von Martin Winkler, am meisten zu überzeugen. Er bot einen sehr vollen, voluminösen und klangsatten Gatten der Heliane, stieß allerdings auch wie die in der Höhe überzeugende Sopranistin Annemarie Kremer als Heliane sowie der Tenor Daniel Kirch als Der Fremde von Mal zu Mal an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Aber die drei Hauptprotagonisten machten summa summarum alle „a very good job“, wie man im Amerikanischen sagen würde.

Alle Sänger wagten in diesem Neuland mit sehr schweren Noten sehr viel und kamen insgesamt gut durch den Abend. Da die Volksoper Wien nicht das internationale Niveau wie die Wiener Staatsoper hat, durfte man keine Weltklasseleistungen der Solisten erwarten. Ein Daniel Kirch ist natürlich kein Klaus Florian Vogt, der als Paul in der „Toten Stadt“ außergewöhnlich gut singt. Aber Kirch konnte wie seine beiden Mitstreiter in den Hauptrollen mit seiner Leistung zufrieden sein, hatte aber vielleicht für seine Rolle eine etwas zu dünne Stimme mit zu wenig Strahlkraft in der Höhe.

Aber das ist Jammern auf allerhöchstem Niveau. „Das Wunder der Heliane“ wird kaum gesungen – da sind alle kleinen Fehler und Indisponiertheiten zu verzeihen. Alle Sänger, auch die in den Nebenrollen, kämpften auf der Bühne fast um ihr Überleben und verausgabten sich total.

Der Dank gilt dem wunderbar aufmerksamen Dirigenten Jac van Steen und dem Orchester der Volksoper Wien, das gemeinsam mit dem Bühnenorchester der Wiener Staatsoper über sich hinauswuchs. Ganz stark sang auch der vor allem in den Frauenstimmen junge Chor der Volksoper Wien, der mit Stimmfreude und starkem Ausdruck im zweiten und im dritten Satz für Furore sorgte.

Andreas Schmidt, 29. August 2017
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