Zwiespältiges Eröffnungswochenende

Eröffnungskonzert zum Grafenegg-Festival, Wolkenturm, 16. August 2019 und Konzert am 18. August 2019

Foto: © Lukas Beck
Eröffnungskonzert am 16. August 2019 im Wolkenturm

  • Peter Ruzicka: Fanfare für Grafenegg 2019
  • Antonio Vivaldi: „Die vier Jahreszeiten“ für Violine, Streicher und Basso Continuo
  • Felix Mendelssohn-Bartholdy: „Hör mein Bitten, Herr“ für Sopran, Chor und Orchester
  • Igor Strawinsky: „Psalmensymphonie“ für Chor und Orchester

Sarah Chang, Violine
Camilla Nylund, Sopran
Wiener Singverein
Tonkünstler- Orchester/Yutaka Sado

Konzert am 18. August 2019 im Wolkenturm

  • Peter Ruzicka: Fanfare für Solotrompete und Orchester
  • Wolfgang A. Mozart: Konzert für Klarinette A-Dur KV 622
  • Gustav Mahler: Symphonie Nr. 5 in cis-moll

Andreas Ottensamer, Klarinette
European Union Youth Orchestra/Stéphane Denève

von Herbert Hiess

Die eigentlich hervorragende Geigerin Sarah Chang lieferte beim Eröffnungskonzert des Festivals 2019 in Grafenegg den Beweis, warum Vivaldis „Jahreszeiten“ unbedingt von einem Dirigenten geleitet werden sollten. Die vier Concerti sind sowieso für die Violinisten eine extreme Herausforderung, die Sarah Chang wunderbar bewältigte. Und das Ergebnis wäre nach dem Konzert noch beeindruckender gewesen, wenn sie sich ganz ohne Ablenkung auf ihr Instrument hätte konzentrieren können.

So ist stellenweise in der recht heiklen Akustik des Wolkenturmes oftmals die Balance verloren gegangen. Einmal waren die Streicher gegenüber der Sologeige zu laut; dann wieder zu leise, und natürlich gab es Momente, in denen einfach alles passte. Wie etwa im Höhepunkt der ganzen Jahreszeiten – nämlich dem „Kaminfeuer“ (Anm.: der langsame Satz im Winter). Da brillierten alle Geiger bei den prägnanten Pizzicati und Sarah Chang schwelgte nur so mit ihrem wunderbaren Instrument. Großartig und erwähnenswert war die Cembalistin, die beim langsamen Satz im Herbst richtig aufblühte. Ein Beweis dafür, dass man dieses Instrument nicht bloß als „lästiges Beiwerk“ ansehen sollte.

© Lukas Beck

Leider eine vertane Chance; Vivaldis Konzert hätte mit einem brillanten Dirigenten ein Erlebnis werden können.

Tonkünstler-Chef Yutaka Sado war der Dirigent des restlichen Abends; ob er für Vivaldi der Richtige gewesen wäre, sei dahingestellt. Für Mendelssohn und Strawinsky war er es auf alle Fälle – wenn auch nicht sternstundenverdächtig. Seine manchmal „lasche“ Schlagtechnik wirkt sich manchmal auf die Einsätze aus, die dann wenig prägnant erklingen. Strawinskys selten gespieltes Werk war mit dem hervorragenden Wiener Singverein (bis auf die diesmal schwächelnden Soprane!) ein Erlebnis. Der russische Komponist vertonte in guten 20 Minuten drei Psalme, in die er nicht nur die russisch-orthodoxe Musik einfließen ließ, sondern vor allem auch den unsterblichen J.S. Bach. Im zweiten Satz hört man eindeutig Bachs „Ricercar a 6“ aus dem „Musikalischen Opfer“.

© Lukas Beck

Camilla Nylund veredelte mit ihrem schönen Sopran Mendelssohns recht kurzes Chorwerk (mit Anklängen an seine zweite Symphonie „Lobgesang“), wobei der teilweise mikrophonverstärkte Sopran noch schöner hätte klingen können, wenn da die Technik nicht ihre Finger im Spiel gehabt hätte.

Ein Dirigent ganz anderen Kalibers ist der Franzose Stepháne Denève, der erstmals in Grafenegg mit dem europäischen Jugendorchester auftrat. Neben dem unsterblichen Klarinettenkonzert von Mozart war noch Mahlers 5. Symphonie zu hören. Bei Mozart konnte man Andreas Ottensamers (von der Wiener Klarinettendynastie Ottensamer) spitzenmäßige Musikalität bewundern. Gemeinsam mit den großartigen jungen Leuten wurde Mozarts Spätwerk so richtig zelebriert. Denève erarbeitete mit den Musikern ein so beeindruckendes Pianissimo, was man heute viel zu selten zu hören bekommt. Der Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker bedankte sich nach dem Konzert beim Publikum passend zum klaren Nachthimmel mit einer Paraphrase aus Puccinis „Tosca“ („Und es leuchteten die Sterne“).

European Union Youth Orchestra. Residenzorchester
© Nancy Horowitz

Mahlers fünfte wäre auch eine unbedingte Sternstunde gewesen, hätte da nicht manchmal die Akustik ihre Streiche gespielt. Am Wolkenturm ist es (teilweise positionsabhängig) so, dass die Streicher oft gegenüber den Holz- und Blechbläsern verlieren. Der französische Maestro setzte sehr auf Transparenz und Sentiment, was ihm meistens gelang. Vielleicht hätte man da noch mehr auf die Balance achten sollen. Die Instrumentalisten im Orchester waren einfach hervorragend; wobei das Schlagwerk akustikbedingt wiederum im Nachteil war. Die Pauke war stellenweise irgendwie „substanzlos“ (gegenüber dem massiven restlichen Orchester) , und bei der als Zugabe gespielten exzellenten „Farandole“ aus Bizets „Arlesienne-Suite“ war das „Tambourin de Provence“ viel zu schwach zu hören.

Der traditionelle „Composer in Residence“ Grafeneggs ist 2019 Peter Ruzicka; auch bekannt als Ex-Intendant der Salzburger Festspiele. Beim Eröffnungskonzert war die „Fanfare für Grafenegg 2019“ zu hören, die stellenweise ans „Tuba Mirum“ des Requiems von Berlioz erinnerte. Das Werk ist extrem kurz und reißt unvermutet ab. Amüsant war, dass sogar die Musiker, die von der Seite des Wolkenturms auf der Anhöhe spielten, recht verlegen wirkten.

Ganz anders war die „Fanfare für Solotrompete und Orchester“ beim zweiten Konzert. Ein interessantes, in sich geschlossenes Werk, das von der hervorragenden Trompeterin Nicola Rouse (ebenfalls von der Seite erhöht) und dem exzellenten Orchester zelebriert wurde.

Herbert Hiess, 19. August 2019, für
klassik-begeistert.de

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