Foto: Lisette Oropesa, Miss Lucia, Daniele Rustioni, Dirigent © Marco Borrelli, SF
Salzburger Festspiele 2022
Großes Festspielhaus, konzertante Aufführung, 25. August 2022
Gaetano Donizetti
Lucia di Lammermoor
von Dr. Klaus Billand
Man kann es kaum glauben! Aber Gaetano Donizettis Belcanto-Meisterwerk „Lucia di Lammermoor“ wurde noch nie bei den Salzburger Festspielen gegeben. Erinnerungen wurden natürlich sofort wach an die erst vor kurzem so tragisch verstorbene Edita Gruberova, wenn man die Wahnsinnsarie „Il dolce suono“ von Lisette Oropesa in höchster Belcanto-Meisterschaft hört. Und das nahezu bis auf den letzten Platz besetzte Große Festspielhaus wartete auf diesen Höhepunkt des Dramma tragico in drei Akten, welches 1835 seine Uraufführung erlebte. Und es wurde der erwartete Höhepunkt, aber nicht nur, weil die Oropesa nahezu vokalakrobatisch mit blendenden Höhen alle Nuancen und Feinheiten der Wahnsinnsarie interpretierte, sodass man glauben konnte, sie hätte Arturo tatsächlich gerade umgebracht. Es war auch das anmutige Spiel von Christa Schönfeldinger an der Glasharmonika, die einmal die traditionelle Flöte bei der Arie ersetzte und wunderschöne graziöse Töne dazu aus ihren Glaswindungen entstehen ließ, die fast transzendent im weiten Raum schwebten. Das war in der Tat einmal etwas ganz Besonderes!
Benjamin Bernheim legte nach seinem Liederabend im vergangenen Jahr mit dem Edgardo di Ravenswood ein weiteres Zeugnis seines klangvollen und geschmeidigen Tenors ab, der durchaus schon Tendenzen zum jugendlich dramatischen Fach aufweist. Auch lebte er die Rolle, obwohl es eine konzertante Aufführung war, bestechend emotional. Bernheim wird sicher eine sehr gute Karriere machen. Die Wagner-Gemeinde sollte sich in einigen Jahren, wenn überhaupt noch so lange, auf seinen Lohengrin freuen können. Natürlich war Ludovic Tézier ein Respekt gebietender, überaus souveräner und unnachgiebiger Lord Enrico Ashton und konnte das mit seinem kantablen Bariton auch vokal eindrucksvoll verkörpern. Tézier ist ein Sänger mit einer großen Bandbreite, wenn man beispielsweise bedenkt, dass er zu Ostern in Salzburg noch den Scarpia gab und in dem szenisch bedürftigen „Parsifal“ 2021 an der Wiener Staatsoper den Amfortas sang. Immer war alles sehr gut! Ein Höhepunkt des Abends wurde folgerichtig das Duett, das man auch als Duell bezeichnen könnte, zwischen Tézier und Bernheim im 3. Akt.
Riccardo Della Sciucca sang die etwas undankbare Rolle des Lord Arturo Bucklaw. Roberto Tagliavini, zu Recht mehrfach bei den diesjährigen Salzburger Festspielen eingesetzt, gab einen sonoren Raimondo Bidebent. Zwei junge Nachwuchs-Sänger aus dem Salzburger Young Singers Project YSP sangen die Nebenrollen, und zwar Ann-Kathrin Niemczyk die Alisa und Seungwoo Simon Yang den Normanno, beide recht gut.
Daniele Rustioni stand am Pult des Mozarteumorchesters Salzburg und konnte mit den ebenso motivierten wie engagierten Musikern Donizettis Musik in ihrer ganzen vielseitigen Spannweite musizieren und dabei auch die Sänger bestens führen. Walter Zeh hatte den Philharmonia Chor Wien bestens einstudiert, ein langjähriger Meister seines Faches. Riesenapplaus für Sänger und Orchester, natürlich mit besonderer Intensität für Lisette Oropesa, deren Leistung sicher zu den Höhepunkten der diesjährigen Festspiele gehört und noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Dr. Klaus Billand, 3. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Rezension: Benjamin Bernheim, Boulevard des Italiens, klassik-begeistert.de
Solistenkonzert András SCHIFF Salzburger Festspiele, Haus für Mozart, 9. August 2022