Foto: W. Kmettich (c)
Theater an der Wien, 21. Januar 2018
Gaetano Donizetti, Maria Stuarda
Paolo Arrivabeni, Musikalische Leitung
von Mirjana Plath
Elisabetta erschlägt Maria mit einer Axt. Sie hält die scharfe Klinge hoch über ihren Kopf und genießt die Machtlosigkeit des Opfers. So endet Christof Loys Inszenierung von Gaetano Donizettis Maria Stuarda am Theater an der Wien. Die Schlussszene mit der erhobenen Axt ist ein erschütterndes Schlussbild: Maria Stuarda liegt wehrlos am Boden, Elisabettas Rache findet ihr Ziel.
Der Regisseur konzentriert sich vollkommen auf den Konflikt zwischen der englischen Königin Elisabetta und ihrer Widersacherin, Maria Stuarda von Schottland. Alle anderen Figuren degradiert er zur Kulisse. Die dunklen, fast ausschließlich schwarzen Gewänder des Chores verschmelzen zu einer anonymen Masse. Sie bevölkern die sonst aalglatte Drehscheibe, die unablässig um die Katastrophe des Dramas kreist.
Die leere Bühne fordert ein raumgreifendes Spiel der Sänger. Sopranistin Marlis Petersen als Maria Stuarda überstrahlt mit ihrer Präsenz alle anderen Darsteller. Im ersten Akt berauscht sie im hellblauen Schleppenkleid nicht nur Conte di Leicester. Sie ist eine leidenschaftliche Königin, die wegen ihres Stolzes zum Tode verurteilt wird. Jeder Gefühlsausbruch wirkt echt, die unvermeidliche Eskalation mit Elisabetta am Ende des ersten Aktes spielt Petersen wie eine Furie. Mit ihrer klaren Stimme erreicht sie trotz leicht perlender Koloraturen dennoch eine tragische Tiefe.
Alexandra Deshorties (Sopran) singt Marias Kontrahentin, die englische Königin Elisabetta. Im ersten Finale liefert auch sie einen filmreifen Wutausbruch. Stählern ist ihre Stimme, weniger warm als die von Petersen. Mit ihrem Kostüm erlebt ihre Figur die auffälligste Verwandlung. Sie eröffnet die Oper in einem historisierenden Kleid mit Reifrock, den sie dann für ein maskulines Gewand mit hohen Reitstiefeln austauscht. Im zweiten Akt – der die Handlung in die Gegenwart verlegt – ist sie eine gefühlskalte Geschäftsfrau im Hosenanzug. Dieser Zeitsprung zeigt die Aktualität des Stoffes. Er erscheint allerdings nicht ganz nachvollziehbar.
Der Bass Stefan Cerny brilliert in der Rolle des Giorgio Talbot. Er präsentiert seine voluminöse Stimme, die selbst den tiefsten Ton noch melodisch und rein in den Saal trägt. Das können nicht viele Bässe. Roberto, den Conte di Leicester, singt der amerikanische Tenor Norman Reinhardt. Stellenweise tönt seine Stimme flach, sie dringt nicht immer gegen das Orchester durch. In solchen Momenten müsste Dirigent Paolo Arrivabeni die Hellhörigkeit besitzen, die Instrumente etwas zurückzunehmen. Ansonsten präsentiert Arrivabeni die Musik in feinster Belcanto-Manier. Vor allem die Holzbläser des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien verleihen Donizettis Komposition eine beschwingte Frische.
Diese Neuproduktion des Theaters an der Wien besticht durch die schauspielerischen Leistungen aller Sänger, die die inneren Gefühlswelten der Rollen überzeugend auf die Bühne bringen. Eine sehenswerte Inszenierung, vor allem wegen der grandiosen Marlis Petersen.
Mirjana Plath, 22. Januar 2018, für
klassik-begeistert.de
Christof Loy, Inszenierung
Katrin Lea Tag, Ausstattung
Bernd Purkrabek, Licht
Marlis Petersen, Maria Stuarda
Alexandra Deshorties, Elisabetta
Norman Reinhardt, Roberto, Conte di Leicester
Stefan Cerny, Giorgio Talbot, Conte di Shrewsbury
Tobias Greenhalgh, Lord Guglielmo Cecil
Natalia Kawalek, Anna Kennedy
Gieorgij Puchalski, Der Vertraute der Königin
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schoenberg Chor (Leitung Erwin Ortner)
Foto: Monika Rittershaus