Musikalisch ansprechende Geschichtsfälschung

Gaspare Spontini, Fernand Cortez,  DVD-Besprechung

DVD-Besprechung: Gaspare Spontini, Fernand Cortez

Jean-Luc Tingaud leitet das Orchestra und den Chor des Maggio Musicale Fiorentino souverän und umsichtig. Die Musik des Zeitgenossen Beethovens ist eingängig und ansprechend. Was man in dem Werk vermisst, ist ein großer, zündender musikalischer Einfall, der sich einprägt. Wirkliches Temperament und Dramatik stellen sich eigentlich erst im dritten Akt ein.

von Peter Sommeregger

Die Entstehungsgeschichte dieser Oper Spontinis ist stark von der Politik beeinflusst, hat selbst ja auch politischen Inhalt. Napoleon selbst soll das Werk beim Komponisten in Auftrag gegeben haben, um seine Invasion der Iberischen Halbinsel zu feiern. Cortez sollte für Napoleon stehen, die grausamen Riten der Azteken die Spanische Inquisition symbolisieren. Des Kaisers Erfolge in Spanien und Portugal waren allerdings nicht nachhaltig und so wurde auch die Oper vorerst nicht mehr gegeben. Trotz mehrerer späterer Umarbeitungen konnte sich das Werk nicht dauerhaft auf den Spielplänen halten.

Dem Maggio Musicale Fiorentino kommt nun das große Verdienst zu, das Werk zurück auf die Bühne zu holen und das sogar in der ursprünglichen Fassung von 1809. Was wir erleben, ist deutlich eine Vorstufe der Grand Opéra, wie Meyerbeer und Halévy sie später perfektionierten. Drei Stunden ausgesprochen schöner Musik illustrieren das Vorgehen Fernand Cortez‘ in Mexiko und seine Liebe zu einer eingeborenen Frau. Das Bild des martialischen Eroberers wird dabei aber deutlich geschönt, so edel und großmütig wollte Napoleon sich wohl porträtiert wissen.

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Die streckenweise etwas langatmige Handlung wird im ersten und dritten Akt durch Ballettszenen erweitert, die in diesem Fall aber nicht nur als dekoratives Beiwerk, sondern auch als Vermittler der Handlung zu verstehen sind. Die Dramaturgie des Werkes ist ein wenig ungewöhnlich, so kommt der Titelheld im entscheidenden dritten Akt erst im Finale kurz zu Wort. Zwei wichtige Rollen, der Oberpriester und auch der Bruder Cortez‘ Alvaro beschränken sich auf diesen letzten Akt.

Dario Schmunck leiht seinen wohlklingenden Spinto-Tenor dem Titelhelden, hier bleibt stimmlich kein Wunsch offen, für die arg milde Zeichnung des Charakters ist schließlich der Librettist verantwortlich. Als seine Geliebte Amazily hören wir Alexia Voulgaridou, die über einen durchaus beweglichen Sopran verfügt, aber ein wenig mehr Frische und Liebreiz hätte man sich doch gewünscht. Luca Lombardo als Telasco bleibt stimmlich und darstellerisch eher blass, während der Alvaro David Ferri Durà mit schönem lyrischen Tenor und der Oberpriester André Courville sehr zum vokalen Gelingen beitragen.

Jean-Luc Tingaud leitet das Orchestra und den Chor des Maggio Musicale Fiorentino souverän und umsichtig. Die Musik des Zeitgenossen Beethovens ist eingängig und ansprechend. Was man in dem Werk vermisst, ist ein großer, zündender musikalischer Einfall, der sich einprägt. Wirkliches Temperament und Dramatik stellen sich eigentlich erst im dritten Akt ein.

Die Regie Cecilia Ligorios ist ausgesprochen konventionell, was an sich ja erfreulich wäre, aber es gelingt ihr nicht, die Sänger ernsthaft aus der Reserve zu locken. Dario Schmunck erscheint eher als gemütlicher älterer Herr, nicht als der gedachte feurige Eroberer und Liebhaber. Am Ende steht ein sehr guter Einfall: Der Lehensmann Cortez‘ Morales tritt stumm als Chronist des Geschehenen auf und notiert am Ende in sein Notizbuch die Zweifel an der historischen Glaubwürdigkeit der Handlung.

Die Wiederbelebung dieses Werkes ist schon allein historisch verdienstvoll, ob Fernand Cortez sich aber dauerhaft auf der Opernbühne wird halten können, darf bezweifelt werden.

Peter Sommeregger, 14. Mai 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik begeistert.at

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