Wiener Philharmoniker: Nelsons Interpretation hinterlässt keine nennenswerten Spuren

Gautier Capuçon, Violoncello,  Wiener Philharmoniker,  Andris Nelsons  Wiener Konzerthaus, 3. Juni 2024 

Wiener Philharmoniker / Andris Nelsons © Daniel Dittus 

Zugegebenerweise wurde das Konzert mit einer gewissen Skepsis besucht; Andris Nelsons ist wie Klaus Mäkelä oder Peltokoski, ein Dirigent der zum „Stardirigenten“ gepusht wurde und wie die beiden Kollegen einiges schuldig bleibt. Dieses Konzert war insgesamt (dank des Orchesters) ausgezeichnet – eine nachhaltige Wirkung hatte es nicht.

Dmitri Schostakowitsch: Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 in Es-Dur, op. 107

Jean Sibelius: Symphonie Nr. 2 in D-Dur, op. 43

Gautier Capuçon, Violoncello

Wiener Philharmoniker
Dirigent: Andris Nelsons

Wiener Konzerthaus, 3. Juni 2024

von Herbert Hiess

Maestro Nelsons ist ein äußerst freundlicher Mann, der ursprünglich als Trompeter ausgebildet wurde und durch viele „Connections“ (so sagt man ja heute!) es schaffte, vor Luxusorchester zu dirigieren und dann reüssierte – wobei seine Interpretationen selten herausragend waren und bei einigen Konzerten vieles fehlte.
So auch in dieser philharmonischen Serie in Wien, die mit diesem Konzert am 3. Juni ihren Abschluss fand. Andris Nelsons hatte alles bestens vorbereitet und manche Stellen (sowohl bei Schostakowitsch als auch bei Sibelius) gelangen hervorragend und beeindruckend.

Was halt leider wieder fehlte, war der weite Atem und die großen Bögen; einige Übergänge gelangen manchmal nur recht holprig (vor allem im Finalsatz von Sibelius; bei dem Übergang vom Fortissimo-Thema zu den komplizierten Cellofiguren im Seitenthema). Manchmal fehlte es auch an einer gewissen Präzision.

Andris Nelsons © Marco Borggreve

Das Beste war immer noch das Es-Dur Cello-Konzert von Schostakowitsch, das Dank des grandiosen Gautier Capuçon und den ebenbürtigen Philharmonikern zum Erlebnis wurde. Auch Nelsons schaffte es, die skurrilen Rhythmen des ersten Satzes auszukosten. Dass der Cellist hochvirtuos ist, ist bekannt – aber seine Grundmusikalität überrascht immer wieder aufs Neue; so auch im Moderato und vor allem in der Cadenza. Und als Zugabe begeisterte Capuçon mit den Cellisten des Orchesters mit einem eigenen Arrangement eines Préludes von Schostakowitsch.

Gautier Capuçon © Anoush Abrar

Nach der Pause gab es die majestätische zweite Symphonie von Sibelius, die dem Orchester alles abverlangt. Gewürzt mit gewaltigen Blechbläsersektionen und einem raschen Stimmungswechsel von Pianissimo zum Fortissimo ist dieses Werk normalerweise ein „Applaus-Trigger“. So auch in diesem Konzert, das von den Wiener Philharmonikern phänomenal gespielt wird (vor den Vorhang der Paukist Anton Mittermayr und der 1. Oboist vertretend für alle anderen).

Schade nur, dass die Wechsel der einzelnen Teile nicht so gelangen, wie man es sich in einem solchen Konzert erwarten konnte. Manche Passagen hätten auch viel präziser sein können – vor allem die komplexen Cellofiguren im Seitenthema des Finalsatzes.

Insgesamt ein ausgezeichnetes Konzert, das die Qualitäten des Wiener Meisterorchesters zeigte – auch wenn man sich doch manchmal etwas mehr erwartet hätte.

Herbert Hiess, 6. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Gautier Capuçon, Violoncello, Wiener Symphoniker, Petr Popelka, musikalische Leitung Philharmonie Berlin, 17. April 2024

Konzerthaus Berlin, Joana Mallwitz mit Gautier Capuçon Konzerthaus Berlin, 11. November 2023

Berliner Philharmoniker, Klaus Mäkelä, Dirigent, Schostakowitsch und Tschaikowsky Philharmonie Berlin, 22. April 2023

Daniels vergessene Klassiker Nr 16: Dmitri Schostakowitsch – Violinkonzert Nr. 2 (1967)

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