"JULIUS CÄSAR IN ÄGYPTEN": Starker und langer Beifall des Premieren-Publikums in Halle

Georg Friedrich Händel: JULIUS CÄSAR IN ÄGYPTEN,  Premiere Oper Halle, 31. Mai 2019

Foto: Falk Wenzel ©
Oper Halle, 31. Mai 2019
Georg Friedrich Händel: JULIUS CÄSAR IN ÄGYPTEN

von Guido Müller

Gerade erst hat die Oper Halle den alle zwei Jahre verliehenen Theaterpreis des Bundes erhalten, weil das Haus „unter der Intendanz von Florian Lutz mit ihrem neuen ästhetischen Programm überregionale Stahlkraft gewonnen“ habe.

Nun inszeniert zur Eröffnung der renommierten Händel-Festspiele der Regiealtmeister Peter Konwitschny gemeinsam mit dem Hallenser Bühnenbildner, Ausstatter und Grafik-Professor Helmut Brade Händels wohl beliebteste Oper „Julius Cäsar in Ägypten“ in einer neuen deutschen Übersetzung von Werner Hinze, Bettina Bartz und Peter Konwitschny. Das Team Konwitschny-Brade hatte bereits in den 1980ger-Jahren in Halle sehr erfolgreich und weit beachtet Händel-Opern zur Aufführung gebracht. Wie sieht nun ihr ästhetisches Programm über dreißig Jahre später aus?

In „Julius Cäsar“ geht es um die großen Themen Macht, Liebe, Rache und das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen. Konwitschny und Brade stellen allerdings keine Afrikaner und Staatsleute von heute auf die Bühne. Die Römer und Ägypter werden einfach durch schwarze und helle leicht aktualisierte Kostüme symbolisiert. Und der römische Cäsar und sein ägyptischer Gegenspieler Ptolemäus werden als Typen von Machtmenschen dargestellt, wie man sie als Zuschauer auch aus seinem Alltag und den Medien erkennt.

Vor einem überwiegend deutschen Publikum wird daher auch deutsch gesungen, damit alles gut verständlich ist und auch deutsch übertitelt. Besonders wichtig ist das Konwitschny auch wegen der  komischen Elemente in diesem „Dramma per musica“. Allerdings wird dieses Prinzip bei einigen Sängern wieder fragwürdig, wenn diese nicht-deutscher Herkunft sind. Dabei wird häufig auch die Grenze des Klamauks in der szenisch öft körperlich sehr bewegten Handlung wie der sehr heutigen Übersetzung überschritten. Dabei stützt sich der Regisseur auf den Gestus der Musik, die Machtbesessenheit und Egoismus oft mit viel Humor auskomponiert.

Der musikalische Leiter Michael Hofstetter arbeitet die Komik und starke lebendige Gestik mit dem exzellent aufspielenden Händel-Festspielorchester Halle besonders heraus u.a. durch einen sehr farbigen und betonten Einsatz der Perkussion (vorzüglich Ivo Nitschke). Gleichermaßen liegen Hoftstetter aber auch die zarten, filigranen und sparsam instrumentierten Momente in Händels Musik.

Der Ausstatter Brade hat besonders ein Herz für das kindliche Verspielte statt der Opulenz, die möglicherweise ein finanzkräftiges Festivalpublikum erwartet, die aber Konwitschnys und Brades Sache gar nicht ist. So wirkt das Bühnenbild oft wie in einem Kindertheater mit ausgeschnittenen Elementen.

© Falk Wenzel

Und ein Kind steht auch fast durchgängig als Beobachter und Mitspieler auf der Bühne: der sehr präsente und spielfreudige Benjamin Schrade als Sextus, der zur Rache für die Ermordung seines Vaters Pompeius durch den Ägypter Ptolemäus in der römischen Gesellschaft erzogen wird. Die Stimme seines Vaters klingt als Geist aus dem Jenseits durch einen Countertenor, der den abgeschlagenen Kopf des Pompeius in Form der Arien des Sextus singt (herausragend Jake Arditti). Ein Eingriff in das ursprüngliche Libretto durch ein geradezu schizophrenes Bild für die Situation des Kindes unter gewalttätigen Erwachsenen.

Um der virilen Gewalttätigkeit und Machtbesessenheit der Gegenspieler Cäsar und Ptolemäus Ausdruck zu verleihen besetzt Konwitschny die Rollen mit je einem Bariton: der koloraturgewandte und auch körperlich bewegliche Grga Peroš als Cäsar und der stimmlich  ausdrucksstarke Tomasz Wija als Ptolemäus.

© Falk Wenzel

Mit einfachen Theatermitteln werden oft schöne Wirkungen erzielt, wie in der Badeszene Cäsars mit Cleopatra mit einem großen blauen Tuch in das sie sich einwickeln, oder die Duette Cäsars mit einem Jagdhorn (Petra Hiltawsky-Klein als herausragende Hornistin mit einem witzigen Jägerhut) oder mit einer Violine einer als Muse verkleideten Violinistin (Dietlind von Poblozki mit virtuos perfektem und zartestem Musizieren).

Übertrieben klamaukhaft hingegen wirkt die Szene des Staatsbanketts Cäsars und Ptolemäus mit den zwei in langem Todeskampf hinsiechenden Vorkostern.

Die Männerwelt der Politiker und Soldaten ist zutiefst lächerlich: diese Botschaft wird dick aufgetragen.

Da wundert es kaum, dass bei dem großen Frauenversteher unter den Regisseuren Cleopatra und Cornelia, die Witwe des Pompeius und Mutter des Sextus besondere positive Darstellung wiederfährt. Vanessa Waldhart gibt sich die meiste Zeit als Dienerin der ägyptischen Königin verkleidet aus um Cäsar zu testen und spielt dabei alle stimmlichen und körperlichen Reize aus. Svitlana Slyvia erfüllt ihre Gattinnen- und Mutter-Rolle mit silbrigem und kräftig-warmem Mezzosopran.

© Anna Kolata

Am Ende der Oper nimmt Konwitschny eine bezeichnende Umstellung vor. Zunächst sind in seiner Inszenierung sowohl Cleopatra wie Cornelia in Anbetracht der sich gegenseitig mordenden Männer irrsinnig geworden. Nachdem dann Cäsar mit den Soldaten und dem jungen Sextus nach Rom abziehen, um weiter an der Eroberung der Weltherrschaft zu wirken, und die beiden Frauen alleine und trostlos zurück geblieben sind, singen sie das wunderschöne große Trauerduett aus dem 1. Akt, das in der ursprünglichen Oper von 1724 von Cornelia und ihrem Sohn Sextus gesungen wird.

Nachdem der heranwachsende Sohn nun in die militärische Männerwelt Cäsars aufgenommen wird, macht es Sinn, seine traurige Partie aus dem 1. Akt der Stimme der trauernden Cleopatra anzuvertrauen. Alle Männer verlassen die Bühne und herzergreifend singend treten die beiden Sängerinnen vor den Vorhang an den Bühnenrand, bis zum Ende ganz zart verklingend zwei Lauten den Zuschauerraum traurig erfüllen.

Starker und lang anhaltender Beifall des Premieren-Publikums für alle Künstler einschließlich des Regieteams.

Dr. Guido Müller, 1. Juni 2019, für
klassik-begeistert.de

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert