Foto: © Taco van der Werf
Georg Friedrich Händel, Messiah (Der Messias)
Elbphilharmonie Hamburg, 20. Dezember 2018
The King’s Consort
Choir of The King’s Consort
Julia Doyle Sopran
Hilary Summers Alt
Joshua Ellicott Tenor
David Wilson-Johnson Bassbariton
Leitung Robert King
von Sebastian Koik
Weltklasse! Besser geht es nicht! Was das Orchester und der Chor von The King’s Consort am 20. Dezember 2018 in der Elbphilharmonie veranstalten, ist unfassbar gut. Es ist ein Geschenk.
Die erste Stimme, die an diesem Abend erklingt, ist die des Tenors. Joshua Ellicott singt voller Natürlichkeit und Autorität. Man glaubt ihm jedes Wort, vertraut jeder seiner bezaubernd schön gesungenen Silben. Bereits nach ganz wenigen Sekunden löst er Gänsehaut und Ehrfurcht aus, bereits nach Sekunden ist das Publikum in Stimmung und mittendrin in diesem etwas weltlicheren der großen sakralen Werke. Der britische Tenor Ellicott hat eine wahrhaft große Stimme. Auch in der Tiefe klingt er herrlich schön, seine Koloraturen sind eine Pracht, sein Atem ist lang. Seine Stimme erfüllt den Saal bis in den letzten Winkel, begeistert jedes Ohr, berührt jede Seele.
Das Orchester unter seinem Gründer und Leiter Robert King agiert höchst spritzig und hoch musikalisch. Das Timing ist jede Sekunde des kurzweiligen langen Abends perfekt. Die Musiker lassen die Musik den Geist seiner Entstehungszeit und von Händels Komposition atmen. Selbiges gilt für den Chor: Exzellenz in jedem Augenblick. Die sechs Sopranistinnen des Choir of the King’s Consort brillieren in höchsten Höhen und klingen wie Engel: sauber, klar, herrlich schön und schlichtweg perfekt. Gänsehaut. Der Chor überzeugt mit herausragender Glaubwürdigkeit und Souveränität. Jedes Wort, jeder Ton hat Autorität. Der Chor klingt nach mehr, klingt mächtiger als die achtzehn Sängerinnen und Sänger, aus denen er an diesem Abend tatsächlich besteht.
In der Bassbariton-Rolle röhrt David Wilson-Johnson tief und majestätisch. Die Darstellung des Briten ist herrlich lyrisch, sehr beweglich, glaubwürdig. Wilson-Johnson klingt dunkel und heiß in der Tiefe, und schön in der Höhe. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Tonhöhen-Bereichen sind großartig, sein Atem ist lang. Koloraturen und sehr schnelle Passagen liegen ihm nicht so sehr, da ist seine Stimme etwas zu schwerfällig. In getrageneren Passagen beweist er ganz, ganz große Klasse.
Die Sopranistin Julia Doyle begeistert mit herrlich souveränen, sanft-weichen Höhen, klingt in höheren Registern nie auch nur eine Spur unangenehm schrill. Im ersten Teil wirkt sie gesundheitlich leicht angeschlagen, klingt ein wenig zu leise und erhebt sich nicht deutlich genug über das Orchester. Ihre Koloraturen gelingen nicht ganz so stark, klingen leicht schwerfällig, in langen Phrasen fehlt es ihr am Ende ein wenig an Atem. Ihr „rejoice“ ist immer noch etwas zu leise, aber sonst ganz wunderbar. Sie wird immer besser. Vielleicht hat sie sich ihre Kräfte eingeteilt. Herrlich schön ist ihr Gesang bei „How beautiful“ im zweiten Teil. Im dritten Teil ist sie dann erschütternd gut. Ihr Gesang erhebt, berührt, beglückt, begeistert.
Kontrabassisten fallen im Orchester normalerweise nicht auf. Doch wohl höchst selten hat ein Kontrabassist im Orchester eine derart wichtige, große und dominante Rolle wie in Händels „Messias“. Ein einziger Kontrabass bildet das rhythmische Fundament. Der ganz exzellente Roberto Larrinoa macht das unfassbar gut. Mit perfektem Rhythmusgefühl sorgt er gewissermaßen für den Herzschlag und die prägende Strömung des Orchesters.
„Full of drugs“, vollgepumpt mit „Drogen“ (oder Medizin) sei sie, sagt Robert King mit großartigem englischem Humor vor dem Konzert über die gesundheitlich wohl stark angeschlagene Altistin Hilary Summers. Sie bitte um Verzeihung, falls sie seltsame Laute von sich gäbe.
Seltsame Laute lässt sie an diesem Abend nicht hören, doch man merkt ihr ihre Angeschlagenheit an. Ihre Stimme klingt etwas zu schwach und blass, zu leise. Größere Tonsprünge und Koloraturen gelingen ihr im ersten Teil nicht wirklich. Man spürt deutlich ihre Klasse, spürt dass sie gesund wohl eine ganz grandiose Sängerin ist. Herrlich und voller Kunst ist ihre dramatische Gestaltung in der Artikulation. Weich, cremig und voller Glaubwürdigkeit klingt sie trotz Handicap. Sie ist ganz in der Rolle.
Wunderbar, wie Händels Musik unter den begnadeten Händen von Robert King wie ein ewiger Strom dahinfließt. Das Orchester und der Chor begeistern mit ihrer sprühenden Spielfreude und Liebe zur Musik, ihre Präsenz, Wachheit und Lebendigkeit im Augenblick beeindrucken. Die Pauke ist auf den Punkt, das historische Blech klingt herrlich edel und schön, herrlich wie die Geigen singen und jubilieren. Das ist ganz, ganz groß. Und im dritten Teil wird es noch bezaubernder. Das Orchester musiziert mit enormer Tiefe, voller Heiligkeit, löst Ehrfurcht aus. Das ist überragend, unendlich gut! Von Anfang bis zum Ende. Noch einmal: besser kann man das nicht spielen! Diese Darbietung voller Seele, Herz und Kunstfertigkeit ist ein großes Geschenk für jeden, der das hören darf. Ein gnadenvolles Erlebnis. Die Musik ist voller schönster Festlichkeit. Musikalisch kann man sich kein schöneres Geschenk wünschen, als das, was die Engländer dem Publikum an diesem Abend geben. Weihnachten kann kommen.
Sebastian Koik, 21. Dezember 2018,
für klassik-begeistert.de
Wer diesen glücklichen Abend in der Elbphilharmonie erlebte,
kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Man kann nur sagen, daß Händels herrliche Musik wohl niemand unberührt ließ.
Und die Elbphilharmonie-Akustik verstärkte die Wirkung auf grandiose Weise. Die manchmal beklagte Unruhe der Zuhörerschaft: An diesem Abend war sie nicht zu spüren oder zu hören.
Ein wunderbares Erlebnis; für uns das beste Konzert bisher in dem neuen Konzertsaal.
Karl und Angela
Dass das Ensemble von King’s Consort den Messias „draufhat“, bedarf keines Beweises. Dass die Tonstudio-Akustik der Elbphilharmonie dem kleinen Ensemble nicht unbedingt entgegenkommt, war meine eigene schmerzliche Erfahrung an diesem Abend. Dass der Leiter es sich nicht verkneifen konnte, die Trompeten im ersten Teil von der Seite spielen zu lassen, wo sie nicht zu hören waren, ist bedauerlich und zeigt eine gewisse Rücksichtslosigkeit des Weltstars gegenüber der akustischen Situation in diesem Raum. Insgesamt war für mich der Konzertbesuch in mehr als einer Hinsicht ein einmaliges Erlebnis!
Werner Balser
I’m so pleased that you enjoyed TKC’s Messiah in the wonderful Elbphilharmonie. Thank you for your kind comments – this was the final performance of a major tour in six major European venues, and we couldn’t have wished for a better finale. We loved the hall (as did my wife and children, experiencing the hall for the first time). The reaction of the audience at the end was wonderful – thank you to all of them too.
Handel asks for the two trumpets in “Glory to God” to be “lontano” (‘distant’), so we were following his instructions. We spent quite some time in rehearsal finding the best position for the trumpets. I don’t know where you were seated, but when we tested the acoustic during our rehearsal we could hear the “lontano” trumpets everywhere (but with a hall “in the round” any off-stage instruments will present different volumes depending on where people are seated – but they are meant in Part I only to be distant angelic trumpets, and not the “heavy hitters” of Parts II and III).
Thank you again for writing: we hope you will come and hear TKC again soon!
Robert King
Wow – I am surprised that you obviously read this blog and cared to reply to my comment! So I withdraw my remark on you not caring about the acoustics in Elphi, and apologize!
I am very much aware of the different role of the trumpets in Part 1, and I am glad that nowadays we mostly hear the, say, old versions of the instrument in Handel’s and Bach’s music, since they are by design not so dominant as the modern ones, in particular as the piccolo versions. Since you asked: My wife and I were sitting up on level 17, right in the middle, so at a right angle to the trumpets. Had I not looked for them, knowing it was their turn, I would not have discovered them, and my wife missed to see them completely.
So, whatever the reason for this, it was a relatively minor point, and otherwise you and your ensemble did a marvelous job! After reading the text of Sebastian Koik, let me say that I agree with him in most parts, except that I would not have said:
„In der Bassbariton-Rolle röhrt David Wilson-Johnson tief und majestätisch.“
In fact, in my opinion he did not „röhr“ at all, but sang beautifully!
Best regards
Werner Balser