Die Griechische Nationaloper inszeniert „Butterfly“ im Schatten der Akropolis

Giacomo Puccini, Madama Butterfly  Griechische Nationaloper, Odeon von Herodes Atticus, Athen, 10. Juni 2023

Foto: Madama Butterfly © Greek National Opera

Die Erwartungen waren denkbar hoch: „Madama Butterfly“, inszeniert von der Griechischen Nationaloper in einer Freilichtaufführung im knapp 2000-jährigen „Odeon des Herodes Atticus“, genau unterhalb der Akropolis! Doch diese hohen Erwartungen wurden radikal enttäuscht.

Der grandiose Rahmen mit seinen gewaltigen Steinquadern, dieser Ort, der mit jedem Zoll Geschichte atmet, die antike Grundlage unserer abendländischen Kultur – total verschenkt. Stattdessen eine bemühte Inszenierung (Regie: Olivier Py – immerhin Direktor des renommierten Pariser Théâtre du Chatelet), schlechtestes Regietheater mit dümmlichen Gags, die von der subtilen Handlung und der herrlichen Musik ablenkten. Irritierend. Man musste die Augen schließen und die vom ausgezeichneten und akustisch vorteilhaft in der ganzen Breite der hinter der Bühne aufgestellten Orchester der Griechischen Nationaloper (Dirigent: Vassilis Christopoulos) subtil produzierten Klänge genießen, um das unbeschadet zu überstehen. Puccinis Musik ist nicht umzubringen – auch nicht durch geschmäcklerisches Regietheater. Dennoch: Die 5000 Zuschauer, die dicht gedrängt auf den Steinstufen des gewaltigen, halbrunden Odeon saßen, klatschten dankbar und begeistert Beifall. Damit war der Abend mehr als gerettet.

Griechische Nationaloper, Odeon von Herodes Atticus, Athen, 10. Juni 2023

Giacomo Puccini, Madama Butterfly

 

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

Zwei Opern werden diesen Sommer vom „Athens Epidaurus Festival“ in Freilichtaufführungen im antiken Odeon des Herodes Atticus unterhalb der Athener Akropolis aufgeführt: „Butterfly“ und im Juli „Nabucco“.

Mit dieser merkwürdigen Inszenierung von Puccinis Meisterwerk hat sich das Festival kaum Ruhm erworben: Schon das „Bühnenbild“, das aus einem runden Podest und an der hinteren Wand aufgehängten Werbeplakaten für die üblichen großen Marken, natürlich in japanischer Schrift, ließ wenig Gutes erwarten – ausserdem habe ich genau diese Plakat-Idee schon in einer anderen auf „modern“ getrimmten Inszenierung gesehen – wurden da Anleihen gemacht?

Von Holger Uwe Schmitt https://commons.wikimedia.org

Nach der Pause waren die bunten Werbeplakate weg, stattdessen hingen da historische Fotos der weltberühmten „Atomic-Bomb-Dome“ in Hiroshima und der detonierenden Atombombe – links und rechts der Bühne drei mächtige amerikanische Flaggen (und im ersten Akt preisen ja Pinkerton und der amerikanische Konsul die angeblichen Vorzüge des „American Way of Life“).
Eine ziemlich abgeschmackte Idee, gewissermaßen als vorgreifenden Anachronismus in einer Butterfly-Inszenierung – in der ja zugegebenermaßen der amerikanische Imperialismus und das herzlose Unverständnis gegenüber der als sublim dargestellten japanischen Kultur die tragende Rolle spielt.

© Dr. Charles Ritterband

Der Abwurf der Atombombe erfolgte am 6. August 1945, die Handlung der Oper ist auf das Jahr 1899 angesetzt. Klar, das Foto von Hiroshima ist zwar weltberühmt und daher als sofort verständlicher Blickfang ausgezeichnet geeignet – aber die Oper spielt bekanntlich in Nagasaki, wo drei Tage nach Hiroshima ebenfalls eine Atombombe detonierte. Doch davon gibt es leider keine geeigneten, sprich: unmittelbar erkennbaren Fotos, daher hat man auf die bekannten Fotos von Hiroshima zurückgegriffen, obwohl die Oper nicht dort spielt. Die dick aufgetragene Botschaft war durchaus verständlich – doch deren Übermittlung etwas verfehlt.

Doch noch mehr als dieser Rahmen und die Hinweise auf die Abwürfe der bisher einzigen Atombomben durch die Amerikaner irritierten die weißen nackten Tänzer, die dem Koffer mit den Habseligkeiten der Butterfly durch eine unsichtbare Falltür enstiegen und hernach störend und unmotiviert mit ungeschickten tänzerischen Darbietungen und auch Purzelbäumen die Bühne bevölkerten, und auch im zweiten Akt zum Leidwesen dieses Rezensenten wieder auftauchten und bis zum Schluss ihr Unwesen trieben – bis sie dann nach Ankunft des Pinkerton (diesmal militärisch befördert und symbolträchtig in dunkler statt weißer Marine-Offiziersuniform) mit ihren weiß bemalten Körpern in schwarze Matrosengewänder schlüpften. Dieses überflüssige Tanz-Theater störte erheblich mehr als dass es erhellte, lenkte von der herrlichen Musik und der zutiefst berührenden Handlung gnadenlos ab: Was soll’s?

Andere störende Details waren eine Art Party-Hut mit den amerikanischen „Stars and Stripes“, der ganz am Anfang von den einzelnen Protagonisten weitergereicht und auf die Köpfe gesetzt wurden. Ebenso lächerlich die blonde Perücke, mit der die hübsche Cio-Cio-San (Butterfly) aufzutreten hatte: Man kapiert schon, warum – sie will ja um jeden Preis „amerikanisch“ werden und die gräßliche Perücke ist ein Symbol dafür – und am Ende muss auch ihr armes Kind eine blonde (gelbe!) Perücke tragen.

Das ist zweifellos allzu dick aufgetragen: schlechtes Symboltheater. Die Inszenierung bemühte sich „modern“ bzw. zeitgemäß und möglichst unjapanisch zu sein – abgesehen  vom prachtvollen Gewand des traditionalistisch eingestellten „Bonzen“ (beeindruckend, stimmlich überragend: Petros Magoulas) und in der Schluß-Szene der Butterfly, in der sie einen wundeschönen weißen Kimono trägt.

© Dr. Charles Ritterband

Das Orchester der Griechischen Nationaloper unter der Stabführung des bekannten griechischen Dirigenten Vassilis Christopoulos intonierte die mit japanischer Volksmusik angereicherten Klänge Puccinis mit viel Feingefühl, der Chor leistete großartiges. Der Pinkerton des namhaften italienischen Tenors Andrea Carè litt im ersten Akt an stimmlichen Unzulänglichkeiten und selbst die außergewöhnliche südkoreanische Sopranistin Anna Sohn hatte anfängliche Widerstände zu überwinden (Schuld der grauenhaften Perücke?), bis sie stimmlich und darstellerisch zur Hochform auflief – im zweiten Akt berührend und mit vokaler Weichheit und zugleich präziser stimmlicher Kraft. Der griechische Bariton Dionysios Sourbis gab einen solid-konstanten Sharpless mit maskuliner Tiefe und zugleich, wie es die Rolle erforderte, sanft-einfühlsamer stimmlicher Wärme.

Dr. Charles E. Ritterband, 11. Juni 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Dirigent: Vassilis Christopoulos

Regie: Olivier Py

Cio-Cio-San (Butterfly): Anna Sohn
Pinkerton: Andrea Carè
Suzuki: Alisa Kolosova
Konsul Sharpless: Dionysios Sourbis
Prinz Yamadori: Haris Andrianos
Goro: Yannis Kalyvas
Bonze: Petros Magoulas
Kate Pinkerton: Diamanti Kritsotaki

Orchester und Chor der Griechischen Nationaloper

In italienischer Sprache

Bregenzer Festspiele, Puccini, Madame Butterfly und Giordanos Sibirien 20. Juli 2022

Giacomo Puccini, Madame Butterfly Bregenzer Festspiele, Seebühne, 22. Juli 2022

Giacomo Puccini, Madame Butterfly, Wiener Staatsoper, 16. September 2019

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