Butterfly in Berlin: This is why Black Voices Matter

Giacomo Puccini, Madama Butterfly  Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 12. Januar 2023

Latonia Moore © Staatsoper Unter den Linden

Was war das für eine Flut an Begeisterung, als Latonia Moore zum Schlussapplaus vor den Vorhang trat! Die nicht einmal ausverkaufte Lindenoper brach in stürmende stehende Ovationen aus, eine unvergleichbare Energie fegte durch den Saal.

Madama Butterfly
Musik von Giacomo Puccini

Text von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach David Belasco

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 12. Januar 2023


von Johannes Karl Fischer

Vorausgegangen war eine atemberaubende, hochdramatische Darbietung der wohl tragischsten Titelrolle des Opernrepertoires, tropfende Tränen vorprogrammiert. Dolce Notte! Quante Stelle! – Süße Nächte! Wieviele Sterne! Momente, in denen diese Oper zur emotionalen Sternstunde des Musiktheaters wird.

Der zweite Akt – der Löwenanteil dieses Opernabends – ist quasi eine Ein-Frau-Oper, alle anderen sind kaum mehr als Nebenrollen. Alles oder gar nichts, heißt es für Madama Butterfly, Madama Pinkerton, so will sie ja genannt werden. Sie steht auf der Bühne, alle anderen Klänge können sich nur noch vor ihr niederknien. Ihr packender, voluminöser Sopran und allmächtige Bühnenpräsenz hat das Publikum festens im Griff. This is why Black Voices Matter!

Eine Dienerin hat diese Stimme mehr als verdient und mit Katharina Kammerloher eine perfekte Ergänzung im tieferen Register gefunden. Gesellschaftlich mag Suzuki die Untergeordnete sein, stimmlich ist ihr warmer, leidenschaftlicher Mezzosopran ihrer Vorgesetzten mehr als ebenbürtig. Eine Suzuki, die nicht nur dramaturgisch, sondern auch stimmlich der Butterfly zu Diensten steht.

Katharina Kammerloher © Staatsoper Unter den Linden

Und nur die Dienerin weiß, was Sache ist. Denn in Benjamin Franklin Pinkerton findet Cio-Cio-San keinen liebevollen Ehemann, sondern einen opportunistischen, arroganten amerikanischen Soldaten. Genauso singt und spielt der Tenor Stefan Pop diese Rolle: Etwas hart in der Höhe, stark die Stimme. Er trifft alle Noten, fertigt eine ganze Reihe an Puccini-Tenöre des Derby-Konkurrenten am Gänsemarkt mit links ab. Die japanische Gesellschaft tritt er mit Füßen, America First, quatsch, America Forever, so sein Leitmotiv. Das reicht.

© Foto: Monika Rittershaus

Sein Konsul Sharpless sieht die Katastrophe kommen, versucht ihn zu warnen, alles erfolglos. So richtig engagiert war der Bariton Arttu Kataja auch nicht bei der Sache, ein wenig blass gelang ihm der Vermittlungsversuch zwischen Butterflys Traum und die Realität der Pinkerton’schen Weltanschauung. Ganz anders Andrés Moreno García als Heiratsvermittler Goro: Wie ein Zirkusclown spielt der Mexikaner sich in dieser Rolle, die von der Regie zur Witzfigur einer sonst hochtragischen Tragödie gestaltet wurde, zurecht. Auch die anderen Nebenrollen glänzten auf höchstem Niveau, allen voran Grigory Shkarupas donnernder Onkel Bonze.

© Foto: Monika Rittershaus

Doch hat eine Witzfigur überhaupt einen Platz in diesem Stück? Was sagt die Regie dazu, dass in einer Oper, durch die man eigentlich zwei Stunden und fünfzig Minuten durchweinen könnte, mehrmals deutlich hörbares Gelächter aus dem Publikum kommt? Überhaupt ist die Inszenierung des mittlerweile verstorbenen Eike Gramss ziemlich in die Jahre gekommen.

Viele schöne Bilder, eine hoch gehisste amerikanische Fahne lässt auch die politische Dimension nicht verschwinden. Aber leider auch sehr viel ungenutztes Potential in der Regie. Diese Oper ist thematisch aktuell wie nie, doch die Bilder schweigen stumm in Stille. Ein bisschen Japantown-Feel in der Lindenoper. Fehlen noch ein paar gute Ramen-Shops. Vielleicht mal Zeit für was Neues? So à la Werkstatt Bayreuth?

Oder vielleicht ein Drama so mächtig wie jenes im Graben… da kochte Diego Matheuz am Pult der wie immer herausragend spielenden Berliner Staatskapelle eine richtig heiße Suppe zusammen. Scheinen die Musiker und Musikerinnen der Berliner Staatskapelle die Fuge etwas zu fliehend zu nehmen, so wurden sie im Laufe des Abends zur unverzichtbaren Stütze der Tragödie. Ohne diesen letzten Akkord – der bei der Uraufführung 1904 ein Skandal auslöste – genauso musiziert hätte der Abend einiges an Drama verloren. So muss man diese Butterfly zu Ende bringen, wenn schon nicht auf der Bühne, dann im Graben!

Johannes Karl Fischer, 12. Januar 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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