Foto: © Semperoper Dresden/Klaus Gigga
Semperoper Dresden, 3. Oktober 2020
Giacomo Puccini, Tosca (konzertante Höhepunkte)
von Pauline Lehmann
Unter dem Label »Semper Essenz« bringt die Semperoper Dresden seit Spielzeitbeginn Opern im Miniaturformat – in verkürzter Form und halb szenisch arrangiert. An diesem Abend gelingt eine musikalisch vollmundige Tosca, Giacomo Puccinis Opern-Thriller kann sich auf ein großartiges Solistenensemble verlassen und das halbszenische Arrangement strahlt mit einfacher Raffinesse.
An das Proszenium schließt sich ein gleichsam golden und gediegen gestalteter Bühnenhintergrund an, der die Musiker*innen der Sächsischen Staatskapelle rahmt und die Semperoper quasi selbst zum Bühnenbild macht. Durch großflächige Bilder, die auf die Bühnenrückwand projiziert werden, wandelt sich die Kulisse zu den verschiedenen Schauplätzen im Kirchenstaat – von der Kirche Sant‘ Andrea della Valle zum Palazzo Farnese und schließlich entschwebt ein rotes Tuch von den Mauern der Engelsburg.
Für ein großes Opern-Kino braucht es keine Regie-Überlast mit gedankenverworrenen Extravaganzen. Heike Maria Jenor verlässt sich auf die bedeutungsschweren Details wie Dolch und Schutzbrief und das Melodramma entfaltet sich mit Gänsehautgarantie ganz nah am historischen Ambiente von Victorien Sardous Drama La Tosca – im Rom des Jahres 1800 vor dem historischen Hintergrund der Schlacht von Marengo zwischen Napoleonischen und österreichischen Truppen.
Dem Publikum blitzen die einzelnen Szenen in einer grellen Realistik entgegen. So gibt Kristīne Opolais der Rolle der Floria Tosca selbstsicher Gestalt, ihrer lieblichen Art ebenso wie den Eifersuchts-Wallungen der römischen Star-Sängerin und ihrer tiefen Verzweiflung. Kühn und abgeklärt ist auch das Bekenntnis, den Mord an Scarpia, dem Polizeichef Roms, begangen zu haben (und vor dem zitterte ganz Rom). Stimmlich ist die Lettin souverän, in der Arie Vissi d’arte wallt durch ihren warm timbrierten Sopran eine flehende Klage, seicht angesetzt und tragend. Bei seinem Hausdebüt an der Elbe überzeugt der usbekische Tenor Najmiddin Mavlyanov mit einer ausladenden Strahlkraft.
Von den musikalischen Zeitgenossen blieben Giacomo Puccini auch Worte des Entsetzens nicht erspart und so bezeichnete beispielsweise Julius Korngold die Tosca anlässlich ihrer Wiener Erstaufführung als „Folterkammermusik“. Vor einem tief religiösen Ambiente entfalten sich Sadismus und diktatorische Gräuel, wobei Giacomo Puccini diese bizarre Stimmung am Ende des 1. Aktes zum Höhepunkt führt. Zu den römisch-katholischen Klängen des Te Deums – gespickt mit Glockenschlägen und Kanonensalven – triumphiert Scarpia in der Arie Tosca, du lässt mich Gott vergessen über seine ruchlosen kriminellen und sexistischen Machenschaften, will er doch den Maler Mario Cavaradossi wegen vermeintlicher Mitwissenschaft liquidieren und Floria Tosca in seine Gewalt zwingen. Der Sächsische Staatsopernchor verharrt hier im Off, während im Bühnenvordergrund dem Tenor und Mitglied des St. Petersburger Mariinsky Theaters, Alexey Markov, die Lüsternheit des römischen Barons aus jeder Silbe trieft.
Die Sächsische Staatskapelle Dresden nimmt sich den ungestümen und schroffen Klang-Massen Giacomo Puccinis an und trägt an anderer Stelle wieder seicht die melodischen Duette. Besonders plastisch gelingt zu Beginn des 3. Aktes die Atmosphäre des anbrechenden Morgens.
Pauline Lehmann, 7. Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giacomo Puccini: Madama Butterfly (konzertant in 90 Minuten) Semperoper Dresden, 26. September 2020
Musikalische Leitung: Omer Meir Wellber
Szenisches Konzept und Einrichtung: Heike Maria Jenor
Lich:t Jens Klotzsche
Raum- und Projektionskonzept: Arne Walther
Chor: André Kellinghaus
Dramaturgie: Juliane Schunke
Floria Tosca: Kristīne Opolais
Mario Cavaradossi: Najmiddin Mavlyanov
Baron Scarpia: Alexey Markov
Cesare Angelotti: Lawson Anderson
Der Mesner: Matthias Henneberg
Spoletta: Aaron Pegram
Sciarrone: Tilmann Rönnebeck
Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Sächsische Staatskapelle Dresden
Auch am 10.10.2020 in derselben Besetzung dieselbe Glanzleistung – Bravo!! Tosca intensiv und schnörkellos in nur 90 Minuten war einfach superb (ein Gast aus Heilbronn).
Burkhard Hartmann