Der junge britisch-italienische Tenor Freddie de Tommaso – sein Name lässt eher an die Rock’n‘Roll – Szene der 50er Jahre denken als an die Opernbühne – ist der neue aufsteigende Stern der der renommiertesten Royal Opera (ROH) in Covent Garden. Er hatte am ROH bereits in der Saison 2016/2017 in „Meistersinger“ debütiert, doch sein Durchbruch erfolgte erst vor wenigen Tagen, als er den indisponierten Bryan Hymel in der Rolle des Cavaradossi kurzfristig ersetzte – und das anspruchsvolle Publikum der Royal Opera zu Begeisterungsstürmen hinriss. Wir hatten das Vergnügen, ihn zusammen mit der großartigen russischen Sopranistin Elena Stikhina in der Titelrolle zu erleben – eine Traumbesetzung.
The Royal Opera House, London, 15. Dezember 2021
Giacomo Puccini, „Tosca“
von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Foto)
Die Tosca-Inszenierung des englischen Regisseurs Jonathan Kent, vor rund 15 Jahren auf die Bühne des Royal Opera House (ROH) gebracht, ist nicht mehr ganz taufrisch und, auch was das Bühnenbild (Paul Brown) betrifft, zwar prachtvoll und durchaus noch tragfähig, aber doch ausgesprochen konventionell. Fürs Unkonventionelle ist eher die in wenigen Gehminuten am Trafalgar Square erreichbare English National Opera an ihrer Spielstätte London Coliseum zuständig, während sich die ROH in Covent Garden für die Standardwerke im Repertoire doch eher an traditionelle Inszenierungen hält. Das wird vom Londoner Publikum durchaus goutiert und letztlich auch erwartet. Doch für Frische sorgte die fulminante Interpretation durch das Hausorchester des ROH unter der souveränen Stabführung der jungen ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv.
Doch die eigentliche Sensation, traditionelle Inszenierung hin oder her, war die Besetzung der Hauptrollen: Der britisch-italienische Tenor Freddie de Tommaso als Cavaradossi mit seiner kongenialen russischen Partnerin Elena Stikhina in der Titelrolle sollten sich bereits im ersten Akt als das neue Traumpaar dieser Puccini-Oper erweisen. De Tommaso, noch vor wenigen Tagen für den indisponierten Kollegen Bryan Hymel eingesprungen, eroberte das Londoner Publikum gewissermaßen im Sturm. Unverkennbar, und dies nicht nur in seinem Namen, der typisch italienische tenorale Schmelz – subtil, sanft und doch kraftvoll-männlich seine Stimme, die ihn auf den Bühnen weltweit noch weit bringen werden. Ein Name, den man sich unbedingt merken sollte (seine Solo-CD habe ich vorsorglich bestellt).
In derselben Liga die russische Spropranistin Elena Stikhina – eine ausdrucksvolle Darstellerin dieser so dramatischen Rolle, in der sie von der kapriziösen, stets eifersüchtigen Diva zur rächenden Heroin wird und vor allem einer Stimme, die zugleich Strahlkraft und Schönheit ausstrahlt. Ihr Landsmann Alexey Markov aus dem russischen Vyborg gab einen überzeugenden Scarpia – kein kopfloser Brutalo, sondern ein eiskalt kalkulierender Machtmensch, der es gewohnt ist, seine Ziele skrupellos zu erreichen. Besonders an dieser Figur zeigte sich mit vielen stimmigen Details da Regietalent des Altmeisters Jonathan Kent. Sein gepflegter Bariton ist zugleich weich, präzis und doch dezidiert maskulin. „Standing Ovations“ des Publikums in Covent Garden für die drei Hauptdarsteller, vor allem für den neuen Star Freddie de Tommaso und die Tosca der Elena Stikhina.
Dr. Charles E. Ritterband, 15. Dezember 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Orchester der Royal Opera
Dirigent: Oksana Lyniv
Inszenierung: Jonathan Kent (2006; Wiederaufnahme)
Bühnenbild: Paul Brown
Floria Tosca: Elena Stikhina
Mario Cavaradossi: Freddie de Tommaso
Baron Scarpia: Alexey Markov
Sakristan: Jeremy White
Der junge Schäfer: Alfie Davis
Giuseppe Verdi, „Rigoletto“, Royal Opera Covent Garden, London, klassik-begeistert.de