Foto: Jürgen Sacher (Dr. Cajus), Michael Volle (Sir John Falstaff), Stephan Rügamer (Bardolfo) © Matthias Baus
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 20. Dezember 2018
Giuseppe Verdi, Falstaff
von Maria Steinhilber
Falstaff ist frei nach Maestro Verdi: „Ein Typ! Es gibt so vielerlei Typen! Ein Schelm, der alle möglichen Schlechtigkeiten begeht… aber auf lustige Art. Die Oper ist durchweg komisch!“ Bedeutet: Lacher sind mitkomponiert! Perfekter Opernstoff für einen feuchtfröhlichen (im wahrsten Sinne des Wortes) Pre-Christmas-Culture-Evening.
Mario Martone inszeniert Falstaff als einen Alt-68er, ein freigeistiger, glücklich-betrunkener Hippie. Vital und gewillt, jeden Tropfen Vergnügen aus dem Leben zu pressen. Er vertraut seine Liebesbriefe kiffenden Komparsen an, die dann schunkelnd von der Bühne radeln.
Was lässt sich über diesen Falstaff sagen? Erstens, Michael Volle: Ein Volltreffer! Er singt alle in den Grund- und Bühnenboden. Durchweg hält er den Spannungsbogen und hebt sich volumentechnisch von seinen Kollegen ab. Ein „internationaler Bariton“ der dieser Bezeichnung würdig ist. Wahrlich, er ist es, der uns den Pfiff gibt! Seine Stimme fliest und fliest und sein Timbre … eine appetitliche Spätsommernachtsfrucht! „Florence Forster Jenkins Feeling“, wenn er parodistisch in Sopran Lagen wechselt. Zweitens: Nein, kein Zweitens. 100 Prozent!
Al galoppo geht es weiter in Verdis Commedia lirica. Angenehme Poolstimmung breitet sich aus. Unter den Efeuketten necken sich verliebt Nanetta und Fenton. Allein wegen Nadine Sierra (Nanetta) füllten sich sicherlich einige Sitzplätze.
Sie, im blauen Bikini (Respekt für den Mut!), singt sich momentan von Opernhaus zu Opernhaus und macht sich dabei einen Namen! Sierras Strahlkraft könnte für Apples High Sierra Betriebssystem als Werbungsbote utilisiert werden. Eine besondere Stimme hat sie. Durchweg cremig, glatt. Fixiert punktgenau die Töne. Sierra ist gut (io so), aber wer sie in voller Aktion erleben will, und wem ein Bikinianblick nicht ausreicht, der muss sie als Lucia oder Traviata erleben. Mit Nanetta zeigt sie sicherlich (hoffentlich) und lange nicht alles.
Ein Lob gilt auch den zwei Ensemblemitgliedern Jan Martiník (Pistola) sowie Stephan Rügamer (Bardolfo). Sie halten gut mit Michael Volle mit, hangeln sich galant von Phrase zu Phrase. Wunderbar agieren sie mit den Komparsen, die einen großen und guten Teil der Produktion ausmachen.
Franceso Demuros (Fenton) herrlich süßer Tenor, herrlich leichtsüßes Spiel mit Nadine Sierra und … das Gute kommt bekanntlich zum Schluss: Daniela Barcellona alias Mrs. Quickly mit warmem Mezzosopran und kräftigem Timbre, wohliger Wiedererkennungswert.
Übrig bleibt dann noch Daniel Barenboim, der die musikalische Leitung innehat und welcher (wen wunderts?) kräftig bejubelt wird.
Der dritte und letzte Schauplatz, ein altes Industriegelände. Dort: Hexensabbat und Live Orgien. Film, Opern und Theaterregisseur Mario Martone inszeniert mit Falstaff erstmals an der Staatsoper Unter den Linden und so gleicht auch seine detailreiche Bühne oftmals einem Filmset.
Die Schlussfuge erklingt. Das Komparsengesinde säuft. Tutti singt das Ensemble Tutto nel mondo è burla, l’uom è nato burlone. (Alles ist Spaß auf Erden, der Mensch als Narr geboren.)
Das 21. Türchen ist geöffnet. Darin findet sich folgender Klassik-begeistert.de-Tipp: Falstaff, Staatsoper Unter den Linden, Restkarten am 23. und 25. Dezember: First Come, First Serve!
Maria Steinhilber, 21. Dezember 2018, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
MUSIKALISCHE LEITUNG Daniel Barenboim
INSZENIERUNG Mario Martone
BÜHNENBILD Margherita Palli
KOSTÜME Ursula Patzak
CHOREOGRAPHIE Raffaella Giordano
LICHT Pasquale Mari
SIR JOHN FALSTAFF Michael Volle
FORD Alfredo Daza
FENTON Francesco Demuro
CAJUS Jürgen Sacher
BARDOLFO Stephan Rügamer
PISTOLA Jan Martiník
MRS. ALICE FORD Barbara Frittoli
NANNETTA Nadine Sierra
MRS. QUICKLY Daniela Barcellona
MRS. MEG PAGE
Katharina Kammerloher STAATSOPERNCHOR
STAATSKAPELLE BERLIN