Ruzan Mantashyan (Violetta Valéry) (Foto: RW)
Von den gesehenen Opern Maria Stuarda, Rigoletto, Fanciulla, Trovatore und jetzt La Traviata war die Fanciulla mit der herausragenden Besetzung Anna Pirozzi, Claudio Sgura und dem immer noch phänomenalen Tenor Gregory Kunde sicher die Beste.
La Traviata
Melodramma in vier Bildern nach Alexandre Dumas’ Kameliendame
Musik von Giuseppe Verdi
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung Stefano Ranzani
Inszenierung: Johannes Erath
Bühnenbild: Annette Kurz
Kostüme: Herbert Murauer
Hamburgische Staatsoper, 16. April 2025
von Dr. Ralf Wegner
Die gesanglichen Leistungen reichten von gut bis exzellent
Der Auftritt von Alexey Markov im zweiten Bild ließ aufhorchen. Was für eine große, schwingungsfrei (gemeint: kein störendes Vibrato) den Saal beschallende Stimme; das erinnerte an Sherrill Milnes, dessen „Röhre“ ich noch aus den 1970-Jahren in Erinnerung habe. Allerdings hatte Milnes mehr Glanz in der Höhe. Markovs Gesang wirkte wie ein hochgezogener Bass mit noch beeindruckender Tiefe. Manchmal klang sein Vortrag, etwa beim Di Provenza il mar, il suol, wie die Arie des Fürsten Gremin aus Tschaikowskys Eugen Onegin Ein jeder kennt die Lieb’ auf Erden auf Russisch gesungen.
Jedenfalls begeisterte sein Auftritt das Publikum. Auch gelang Markov mit farbstimmlichen Mitteln eine zu Herzen gehende Interpretation des um die Zukunft seiner Familie ringenden, auch gegenüber Violetta Empathie bezeugenden Vaters.
So ganz zu Herzen ging Ruzan Mantashyans Violettainterpretation bei mir nicht, wenngleich ihre Romanze im vierten Bild Addio, del passato sehr schön und mit starkem Ausdruck gesungen wurde. Im ersten Bild überzeugte sie noch nicht so ganz. Die mit Kraft emittierten Höhen der großen, nach È strano! folgenden Arie gerieten ihr eher farblos weiß, wenngleich noch nicht grell. Sonst verfügte ihre Stimme über einen schönen farbreichen Klang, auch ihr Piano beeindruckte. Dennoch prunkte sie nicht mit purer Stimmschönheit wie Aida Garifullina oder Pretty Yende, auch reichte sie nicht an die seelische Erschütterung verursachende Gesangsleistung von Elbenita Kajtazi in dieser Rolle heran (sie wird sie hier in der nächsten Saison wieder singen). Aber das sind ja auch sehr hohe Anforderungen.

Probleme habe ich nach wie vor mit der Stimme des Hamburger Ensemblemitglieds Oleksiy Palchykov. Er scheint etwas schallstärker zu singen, ohne jedoch mehr in die Breite gehendes Volumen zu erzeugen. Auch ist seine technisch nach meinem Dafürhalten gut geführte Stimme eher als weiß-hell ohne Möglichkeit zu genügender Farbmodulation zu beschreiben. Darstellerisch setzte sich der durchtrainierte ukrainische Tenor voll und überzeugend ein.
Von den Nebendarstellern fielen vor allem die hochgewachsene Claire Gascoin als Violettas Kammerfrau Annina auf. Mit profundem, warm klingendem Mezzo füllte ihre Stimme mit dem notwendigen Volumen und guter Strahlkraft den Zuschauerraum. Bei den weitgehend gut besetzten Männern beeindruckte Mateusz Lugowski mit seinem kraftvollen Bariton als Baron Douphol.

Diese Inszenierung sollte baldigst ersetzt werden
Die jetzt auch schon 12 Jahre alte Inszenierung von Johannes Erath in dem schlichtweg nicht vorhandenen Bühnenbild von Annette Kurz entspricht nach wie vor nicht dem Libretto. Unklar bleibt auch beim achten Sehen dieser Aufführung, warum sich Floras in Abendgarderobe gewandete Gesellschaft auf einem Rummelplatz immer wieder mit Autoscootern amüsiert. Handwerkliche Fehler wie Blendung des Publikums, Singen auf einer sich drehenden Scheibe oder fehlende, für die Stimmresonanz wichtige Seitenwände kommen hinzu. Jedenfalls hatte das seitlich in den Logen sitzende Publikum die Möglichkeit, die Begrenztheit der Bühne nach rechts bzw. links wahrzunehmen. Da blieb, vor allem in hinteren Bereich, nur wirklich wenig Platz. Zumindest dieses Manko wird der geplante Neubau auf dem Baakenhöft wohl beseitigen.
Diese italienischen Opernwochen überzeugten mit überwiegend herausragenden Gesangsleistungen
Die italienischen Opernwochen nähern sich mit dieser La Traviata-Serie ihrem Ende. Welches Resümee ist zu ziehen. Von den gesehenen Opern Maria Stuarda, Rigoletto, Fanciulla, Trovatore und jetzt La Traviata war die Fanciulla mit der herausragenden Besetzung Anna Pirozzi, Claudio Sgura und dem immer noch phänomenalen Tenor Gregory Kunde sicher die Beste.
Alle anderen Opern hatten weitgehend gute Sopranistinnen und Vertreter des Baritonfachs, aber keiner der angesetzten Tenöre konnte Gregory Kunde das Wasser reichen. Die herausragenden Soprane waren Ermonela Jaho (Maria Stuarda) und Barno Ismatullaeva (Elisabetta), Katharina Konradi (Gilda) sowie die genannte Anna Pirozzi (Minnie), das Baritonfach wurde würdig neben Armatuvshin Enkhbat (Rigoletto), dem genannten Claudio Sgura (Jack Rance), George Petean (Luna) und dem Sänger des Père Germont Alexey Markov vertreten.
Nicht zu vergessen ist die Mezzosopranistin Kristina Stanek als Azucena. Schade, dass die unter Georges Delnon eingeführten, im Laufe der Zeit populärer gewordenen italienischen Opernwochen von dem Nachfolger Tobias Kratzer nicht fortgeführt werden.
Dr. Ralf Wegner, 17. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giacomo Puccini, La fanciulla del West Hamburgische Staatsoper, 4. April 2025
Giuseppe Verdi, Il Trovatore Hamburgische Staatsoper, 27. März 2025
Gaetano Donizetti, Maria Stuarda Hamburgische Staatsoper, 25. März 2025