Insgesamt war es ein Triumpf für die junge, sympathische 30jährige Sopranistin Elbenita Kajtazi. Nie habe ich es bisher erlebt, dass sich das Publikum nach Schluss der Oper bereits beim ersten Vorhang, bei dem Violetta allein auf die Bühne tritt, sofort geschlossen erhebt und minutenlang jubelnden Beifall spendet.
Elbenita Kajtazi nimmt die stehenden Ovationen des Publikums entgegen (Foto: RW)
Staatsoper Hamburg, 17. März 2022
Giuseppe Verdi, La Traviata
von Dr. Ralf Wegner
Elbenita Kajtazi hatte ich, wie man so sagt, bisher nicht auf dem Schirm, sie bisher auch nur einmal gehört, als Najade in Ariadne auf Naxos. Vor einigen Tagen trat sie bei dem Ukraine-Solidaritätskonzert mit dem Mondlied aus Dvořáks Oper Rusalka auf und hinterließ ob ihres schönen, eher dunkel grundierten Timbres sowie ihrer ausdruckstarken, tief beseelten Interpretation bei mir großen Eindruck. Deshalb besorgten wir uns kurzfristig noch Karten für die heutige Traviata-Aufführung, die sich neben dem Einsatz von Frau Kajtazi als Violetta auch wegen des kurzfristig aus London als Ersatz für Pavol Breslik eingeflogenen Tenors Stephen Costello zu besuchen anbot.
Artur Ruciński sang wieder bravourös den Giorgio Germont und Stephen Costello fiel im Dreierbund der Protagonisten stimmlich nicht ab. Mit schöner Tonemission gestaltete er den Alfredo, verzichtete auch nicht auf ein hörbares, aber kurzes hohes C im zweiten Akt. Insgesamt war es aber der Triumph von Elbenita Kajtazi, die sich der Rolle der Violetta mit großer Emphase annahm. Die Sängerin verfügt über ein faszinierendes Timbre, als Violetta nicht ganz so dunkel getönt wie in der Rusalka-Arie, aber stimmstark und immer klangschön über alle Höhen und Tiefen der Partie mit ganz leichtem, dem seelischen Ausdruck dienenden Vibrato.
Selten ist die Kombination Koloratur im Sempre libera im ersten Akt, weicher Stimmfluss im Duett mit Giorgio Germont im zweiten Akt und lyrisch-dramatischer Ausbruch im dritten Akt und in der Arie Addio del passato im vierten Akt so gekonnt auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper dargeboten worden, wie heute Abend; jedenfalls nicht bei den von mir gehörten Aufführungen. Kajtazis Koloraturen waren sanft gesetzt, ohne verschliffen zu klingen, anmutig wie kullernde Perlen, ganz die Gefühlsempfindung des noch unsicheren Liebesglücks ausdrückend. Den lyrischen Part im ersten Bild vom zweiten Akt gestaltete sie mit weichem Wohlklang, ohne eine Spur von Bitternis und Traurigkeit vermissen zu lassen. Den dramatischen Einsatz im dritten Bild des zweiten und im dritten Akt blieb sie nicht schuldig und überzeugte vollends in der Sterbeszene im dritten Akt. Auch Stephen Costello lief noch einmal zu großer Form auf.
Insgesamt war es aber ein Triumpf für die junge, sympathische 30jährige Sopranistin Elbenita Kajtazi. Nie habe ich es bisher erlebt, dass sich das Publikum nach Schluss der Oper bereits beim ersten Vorhang, bei dem Violetta allein auf die Bühne tritt, sofort geschlossen erhebt und minutenlang jubelnden Beifall spendet. Die Freude über diesen schönen Erfolg der zum Hamburger Ensemble gehörenden Sängerin sah man Elbenita Kajtazi an. Am kommende Sonntag, dem 20.3.2022, wird diese Besetzung noch einmal zu hören sein. Wer es ermöglichen kann, sollte sich dieses musikalische Ereignis nicht entgehen lassen.
Dr. Ralf Wegner, 18. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giuseppe Verdi, La Traviata, Staatsoper Hamburg, 4.März 2022
Giuseppe Verdis „La Traviata“, Hamburgische Staatsoper, 14. Dezember 2021