Plácido Domingo: Wien liebt seinen ewigen Star weiterhin ungetrübt

Giuseppe Verdi, Macbeth, Plácido Domingo,  Wiener Staatsoper

Wiener Staatsoper:
PLÁCIDO DOMINGO NACH „MACBETH“, 28. Oktober 2019


Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand

von Klaus Billand, onlinemerker.com

Nach einer teilweise genialen „Don Carlos“-Premiere an der Staatsoper Stuttgart in der Regie von Lotte de Beer vorgestern Abend, der mit ungeheurer und dramaturgisch weitestgehend überzeugender Phantasie bei sowohl historischem wie gegenwärtigem Bezug ein fesselnder Spagat zwischen der ganzen Tragik der Liebe von Carlo und Elisabeth einerseits und der Macht der Kirche über den Staat im 16. Jahrhundert andererseits gelang, besuchte ich heute noch die „Macbeth“-Aufführung unter der musikalischen Leitung von Giampaolo Maria Bisanti, um Plácido Domingo zu erleben.

Und zwar nur deshalb, da ich die Inszenierung schon kannte. Denn etwas Langweiligeres, als diese phantasie- und spannungslose Rampensteher-„Macbeth“-Produktion, eingepfercht in grauen ständig hin- und hergeschobenen Betonwänden und Stiegenhäusern (manchmal müssen scheinbar sogar die Hexen mit anpacken) von Regisseur Christian Räth und Bühnenbildner Gary McCann bei auch noch unzureichender Lichtregie von Mark McCullough habe ich bei diesem Werk an einem großen Haus noch nicht erlebt. Nach vier Abenden spannenden und ideenreichen Musiktheaters im Rahmen des OPERA EUROPA Herbst-Meetings mit „Rusalka“ in Straßburg, „Das schlaue Füchslein“ und „Der Freischütz“ in Karlsruhe sowie eben „Don Carlos“ in Stuttgart fiel mir das diesmal besonders stark auf.


Tatjana Serjan, Plácido Domingo. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Aber zum Thema, Plácido Domingo. Nach vokal noch nicht ganz überzeugendem Beginn wurde er im Laufe des Abends immer besser und erntete mit seiner großen und mit starkem dramatischem Ausdruck gesungenen Arie im 4. Akt zu Recht großen Applaus. Und dieser steigerte sich am Schluss in schiere Begeisterung! Die Spannung im Publikum knisterte regelrecht, als alle anderen durch waren und der Titelheld erschien. Fast orkanartiger Jubel brach aus! Und das ging nun lange so weiter, sicher über 20 Minuten. Man merkte Domingo an, dass er diesen uneingeschränkten Zuspruch seines so geliebten Wiener Publikums genoss und dieser ihn auch rührte. Immer wieder musste er nochmal allein kommen. Ein harter Kern wollte ihn offenbar gar nicht gehen lassen und ging in rhythmische Rufe aus dem Parkett „Bravo Placido“ über, mit Schlägen auf die Sessellehnen, bis der Eiserne herunterkam, was ihren Bemühungen, ihn noch einmal hervorzuholen, keinen Abbruch tat. Er kam aber nicht mehr.

Am Bühnentürl ging es dann weiter mit etwa 80 Hartnäckigen, die in der Kälte lange ausharren mussten, um ihn drinnen in der warmen Schreibstube zu sehen und das Autogramm zu erhalten. Seine Frau Marta saß daneben. Es gab Block-Abfertigung, bei der immer etwa 5-6 Personen eingelassen wurden und ein Opernangestellter die Tür darauf sofort wieder abschloss. Es war ein ganz Besonderes. Auch bei mir kamen dabei all die wunderbaren Erlebnisse in Erinnerung, die ich diesem Jahrhundert-Sänger im italienischen und französischen, gerade aber auch im Wagner-Fach mit seinem Lohengrin, Parsifal und dem stets emphatisch gespielten Siegmund in Europa, den USA und Südamerika verdanke.

Durch die Gitterstäbe konnte ich ein paar Fotos machen. Wie lange das ganze Spektakel noch dauerte, wissen nur Placido Domingo, seine Frau und die letzten Autogrammjäger. Dazu einige Bilder.


Autogrammjäger und sonstige Domingo-Verehrer beim Bühnenausgang. Foto: Klaus Billand


Nach Fallen des „Eisernen“ wurde vergeblich weiter applaudiert. Foto: Klaus Billand


Im Schreibstüberl. Links Begleitschutz Marta Domingo. Foto: Klaus Billand

Ich hoffe, das „Sole“ machte Überstunden…

Klaus Billand, 29. Oktober 2019

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