Daniel Harding © Accademia Nazionale di Santa Cecilia / Musacchio, Pasqualini/MUSA
Mag sein, dass manche beim Lesen der Programmankündigung von Verdis Totenmesse ob der sängerischen Besetzungsliste leicht snobistisch die Nase gerümpft haben. Diese wurden aber bei diesem Konzert rasch eines Besseren belehrt. Obwohl die vier Personen sicher nicht zu den weltweit führenden Künstlern zählen; sie – und vor allem die beiden Damen – haben sich da leicht auf die Weltspitze gesungen.
Wiener Konzerthaus, 7. Dezember 2024
Giuseppe Verdi, Messa da Requiem
Solisten:
Masabane Cecilia Rangwanasha, Sopran
Elizabeth DeShong, Mezzosopran
Saimir Pirgu, Tenor
Tareq Nazmi, Bass
Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia – Roma
Wiener Singakademie (Choreinstudierung: Heinz Ferlesch)
Daniel Harding, musikalische Leitung
von Herbert Hiess
Giuseppe Verdis Abgesang auf das Leben ist (man könnte sagen naturgemäß) die opernhafteste Vertonung eines Requiems; sie bietet auch demzufolge einen fast dramaturgischen Ablauf durch die sieben Sätze. Und es ist kein Zufall, dass man hier des Öfteren „gute Bekannte“ aus seinem meisterlichen Schaffen trifft. So hört man vermeintlich Stellen aus „Don Carlos“, „Aida“ und anderen Opern.
Dieses Werk haben eigentlich alle Dirigenten von Weltrang in ihrem Repertoire; vor allem Herbert von Karajan setzte sich mit diesem Werk mehrfach ein Denkmal; die denkwürdigste Aufführung war 1978 in Salzburg mit Mirella Freni, Agnes Baltsa, José Carreras und Nicolai Ghiaurov zu erleben. Auch Claudio Abbado dirigierte oft dieses Werk – nicht zuletzt auch in Wien –, davon existiert sogar eine CD.
Und nun war mit Daniel Harding sein ehemaliger Assistent zu erleben, dieses Mal im Wiener Konzerthaus. Mit dem blendend disponierten römischen Orchester bewies der britische Maestro, dass er ein würdiger Nachfolger von Abbado ist. Das Orchester war auch in allen Instrumentengruppen einfach Spitzenklasse. Leider war das Schlagwerk (und da vor allem die Pauken) eher schwach. Die Pauke klang einfach nur belanglos und langweilig. Dynamisch konnte sie nur selten dem phantastischen Orchester folgen. Gerade im „Dies Irae“ hätte man sich doch öfters die akustische Darstellung „des jüngsten Gerichts“ gewünscht. So war es leider perkussionistisch eigentlich nicht mehr als ein Wetterleuchten.
Schade, dass man da nur knapp an einer orchestralen Sternstunde vorbeigeschrammt ist. Gesanglich gab es die sehr wohl.
An diesem Abend konnte man im Konzerthaus ein Sangesquartett erleben, von dem man sich noch lange erzählen wird.
Angefangen mit der farbigen Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha, die zufälligerweise als zweiten Vornamen so wie die Heilige der Musik (Santa Cecilia) heißt. Diese Dame verfügt über eine gänsehautverursachende Stimme und Diktion. In vielen Punkten und Facetten erinnert sie frappant an die unvergessene Leontyne Price. Frau Rangwanasha wartet mit einer perfekten Stimmführung und Diktion auf; ihr Sopran hat eine starke Mezzofärbung und auch in tiefen Lagen ist sie immer hörbar. Ereignishaft im „Libera me“ die a-cappella-Passage mit ihr und dem Chor.
Grandios ebenso der Mezzo von der Amerikanerin Elizabeth DeShong, von der man hoffentlich noch sehr viel wird hören können. Sie hat einen tiefen Mezzo, fast ein Alt, der sehr an Marilyn Horne erinnert. Exzellent auch ihre fast ins Sonore gehende Mittellage – diese haben auch derzeit herumkursierende Mezzos schon eingebüßt.
Man könnte sich Frau Rangwanasha und Frau DeShong gemeinsam in vielen Verdi-Opern vorstellen (z.B. Aida, Don Carlos, Il Trovatore) und auch etwa in Bellinis „Norma“. Die beiden gäben sicher eine mehr als interessante Norma und Adalgisa ab.
Auch die Herren waren dem großartigen Niveau angepasst. Der gebürtige Albaner Saimir Pirgu war mit seinem hervorragenden präzisen Tenor ein traumhafter Interpret; neben einem phantastischen „Ingemisco“ hat er die zweite tenorale Bewährungsprobe grandios gemeistert. Nämlich mit dem „Hostias“ aus dem „Offertorio“ bewies er, dass man ein gehauchtes Pianissimo noch mit größtenteils Bruststimme singen kann.
Und nicht zuletzt der Kuwaiti Tareq Nazmi ließ seinen profunden Bass so hören, dass man sich gerne an frühere Bassgrößen wie Nicolai Ghiaurov oder Jewgeni Nesterenko erinnern konnte und beim Vergleich feststellte, dass man mit Künstlern wie Nazmi keine Zukunftsängste betreffend zumindest der Bässe haben muss.
Ein Extra-Lob an Heinz Ferlesch und die Wiener Singakademie. Großartig einstudiert und in allen vier Stimmgruppen mit hervorragenden Leuten ausgestattet. Noch dazu sang der Chor wirklich phonetisch den Inhalt vor und man hatte nicht das Gefühl, dass aus einem Telefonbuch vorgesungen wurde, was des Öfteren schon bei anderen Chören passiert ist.
Mit dieser Aufführung konnte das Wiener Konzerthaus ein Spitzenkonzert liefern, das man sogar aus heutiger Sicht zur Weltspitze zählen kann. Chapeau!
Herbert Hiess, 8. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at