Sonya Yoncheva in der Philharmonie Berlin: Sternstunde der Gesangskunst

Giuseppe Verdi-Recital, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Massimo Zanetti, Sonya Yoncheva, Marin Yonchev,  Philharmonie Berlin

Foto: © Julian Hargreaves / SonyClassical
Philharmonie Berlin, 23. Oktober 2018
Giuseppe Verdi-Recital
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Massimo Zanetti, Dirigent
Sonya Yoncheva, Sopran
Marin Yonchev, Tenor

von Holger Voigt 

Zwischen zwei Aufführungen der überwältigenden Produktion Luigi Cherubinis „Medea“ auf einmal ein Verdi-Recital – geht das überhaupt? Antwort: Bei Sonya Yoncheva, 36, geht gegenwärtig tatsächlich einfach alles! Der Konzertabend mit Arien und Ouvertüren Giuseppe Verdis in der Philharmonie Berlin lässt sich nur als Sternstunde der Gesangskunst bezeichnen.

Obwohl zahlreiche Plätze in der Berliner Philharmonie leer blieben: zu groß die zeitlich verdichtete Angebotsvielfalt in Berlin, zu schlecht das Wetter, zu ungewöhnlich der Wochentag (Dienstag).

Auf dem Programm standen ausschließlich Arien und Ouvertüren Giuseppe Verdis, allesamt auch auf Sonya Yonchevas jüngst veröffentlichter CD „The Verdi Album“ eingespielt. Neben der Sopranistin sang ihr Bruder Marin Yonchev, 30, die männlichen Parts, beide begleitet vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Massimo Zanetti, 56.

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin überzeugte durch eine akkurate und dynamische Gesamtleistung, vom Dirigenten mit einer ambitionierten Italianità präzise und schwungvoll auf den Punkt gebracht. In den Orchesterstücken kam italienische Wärme zum Glühen, und auch die Accelerandi waren italienisch animiert, wie man es in Deutschland leider nicht oft zu hören bekommt.

Marin Yonchev ließ einen schlanken, beweglichen Tenor lyrischer Prägung ertönen, wirkte aber im Zusammenklang mit seiner Schwester deutlich zurückgenommen und weniger raumfüllend.

Für Sonya Yoncheva war es eine Zelebration ihres derzeitigen Stimmvermögens, eine Demonstration höchster Gesangskunst. Verblüffend, wie leicht ihr die hellen, hoch und beweglich angelegten Partien gelangen, wo doch ihre wahre Stärke in den „tiefer gelegten“ dramatischen Partien zu liegen scheint, deren Forte und Fortissimo-Anteile unvergleichlich kraftvoll von ihr gesungen werden können – hier scheidet sich ja oft die Spreu vom Weizen, und vielen anderen Sängerinnen geht dort die Luft aus.

Was Sonya Yoncheva hier erklingen ließ, hat eine nicht zu übertreffende Präsenz, Eindringlichkeit und Dramatik, wie man es früher nur bei einer Maria Callas hören konnte. Vergleiche mit früheren oder kontemporären Sängern und Sängerinnen sind immer arbiträr oder gar unfair, doch hier erinnert tatsächlich vieles an die große Callas.

Das Spannende wird sein, zu sehen, wie sich Sonya Yonchevas Stimme weiterentwickeln wird. Sie ist kein definitiver Mezzo, aber kann nach oben und unten eigentlich alles mit einer Eindringlichkeit, die ihresgleichen sucht. Es ist unmöglich von dieser Stimme nicht gefesselt zu werden. Bravissima, Sonya!

Dr. Holger Vogt, 26. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de

Programm:

I Vespri Siciliani – Sinfonia
Il trovatore – „Tacea la notte…“
I Lombardi – „La mia letizia…“
Luisa Miller – „Tu puniscimi…“
La forza del destina – Sinfonia
La forza del destino – „Pace mio dio“

Don Carlo – „Tu che le vanità“
Otello – „Ballabilli“
Attila – „Liberamente or piangi…“
La Traviata – „Preludio Atto I & III
La Traviata – „Oh mia Violetta…“

 

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