Staatsoper Hamburg, 10. April 2023 – Ostermontag
Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra
Foto: George Petean (Simon Boccanegra), Selene Zanetti (Amelia Grimaldi), Ramón Vargas (Gabriele Adorno), Alexander Vinogradov (Jacopo Fiesco), Daniela Rothsprach (stumme Schauspielerin), Blake Denson (Paolo Albiani) (Foto: RW)
Arme Staatsoper Hamburg, arme „Musikstadt Hamburg“, arme Künstler: Zu einer Weltklasseaufführung mit einer Weltklasseinszenierung kamen zu Verdis wohl schönster Oper „Simon Boccanegra“ nur knapp 500 von 1.690 möglichen Zuschauern.
Das entspricht einer Auslastung von 29,6 Prozent – eine Demütigung für das Haus an der Dammtorstraße, seine Lenker und für die größtenteils auf Weltklasseniveau agierenden Künstler.
Noch am Ostersonntag, 9. April 2023, waren im Internet erst etwa 20 Prozent der Plätze verkauft gewesen. Es kamen also noch ein paar Spontanbesucher und sicher auch einige kostenlose „friends and family“ hinzu.
Ökonomisch gesehen war der Ostermontagabend ein Desaster. Ein Großteil der Gäste hatte sich sehr günstige (ab 6 Euro – Hörplätze – und 12 Euro teure) Karten besorgt. Von diesen Gästen wiederum setzte sich ein großer Teil auf bedeutend teurere Plätze bis über 100 Euro.
Auch andere Simon-Boccanegra-Vorstellungen waren während der „Italienischen Wochen“ nicht blendend besucht. Selbst die Auftritte des Bariton-Weltstars Erwin Schrott (Ex-Partner von Anna Netrebko) als Scarpia in Giacomo Puccinis Weltklasseoper „Tosca“ waren nicht ausverkauft.
Mitarbeiter der Staatsoper Hamburg sagen zu klassik-begeistert.de: „Seit (dem Ende von) Corona bekommen die Verantwortlichen die Besucherzahlen nicht wieder auf ein akzeptables Niveau. Wir machen uns große Sorgen.“
klassik-begeistert.de dankt trotz des trostlosen Rundes vor allem vier Künstlern für ihre außerordentliche Leistungen (ausführliche Berichte lesen Sie bitte weiter unten): dem Bariton George Petean als Simon Boccanegra, dem Bass Alexander Vinogradov als Jacopo Fiesco, dem Bass Blake Denson als Paolo Albiani und der Sopranistin Selene Zanetti als Amelia Grimaldi.
P.S.: Der Opernabend in Hamburg hatte für mich außer dem Leerstandsrekord auch ein Handy-Rekord: Ein ca. 65 Jahre alter Mann in der Reihe 2, Mitte, Balkon, 3. Rang ließ im dritten Akt mehr als 2 !!! Minuten lang sein Mobil-Telefon läuten. Bitten seiner Mitbesucher das Handy abzustellen, überhörte er, wollte er nicht hören oder konnte er nicht hören.
Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra Staatsoper Hamburg, 4. April 2023
Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra Staatsoper Hamburg, 29. März 2023
Andreas Schmidt, 10. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra Deutsche Oper Berlin, 29. Januar 2023 PREMIERE
Besorgniserregend. An der Wiener Staatsoper sind wir davon zwar noch weit entfernt, die Auslastung sieht dennoch nicht rosig aus. Da einfach nur den Verantwortlichen die Schuld in die Schuhe zu schieben, wäre vermutlich zu einfach. Es dürfte auch andere Gründe geben.
Jürgen Pathy
Ich glaube schon, dass die Verantwortlichen die Hauptschuld tragen. Was heißt denn sonst Verantwortung?! Ich habe den Eindruck, dass sie abgehoben auf einem hohen Ross sitzen. Sie brauchen ja für die Einnahmeausfälle nicht selbst geradestehen. Beschämend ist ihr Verhalten den vor fast leeren Häusern auftretenden Künstlern gegenüber.
Hartmut Funke
In Hamburg hängt es vor allem auch damit zusammen, dass in den Medien keine entsprechenden Artikel erscheinen, die vielleicht auch nicht so eingeweihten Interessenten Appetit machen würden. Das war früher, als beim Abendblatt eine Frau Dr. Sabine Tomzik verantwortlich war, anders. Neulich bekam ich auf einen entsprechenden Hinweis von Joachim Mischke (Abendblatt) zur Antwort, es gäbe z.Zt. so viele Veranstaltungen, dass sie nicht über alle berichten könnten. Ich finde das einfach nur traurig. Ich kenne noch die Zeiten, wo nachts vor der Kasse kampiert wurde. Mit Corona hat das übrigens nichts zu tun, siehe die oft ausverkauften Vorstellungen beim Ballett.
Hartmut Funke
Sorry, Boccanegra ist by far nicht die schönste Verdi-Oper… Solche Behauptungen schaden mehr, als sie nützen!!!
Waltraud Becker
Ach, Frau Becker. Schön das es Sie immer noch gibt. Bei Jonas Kaufmann heißt es ja auch immer, er sei der beste Tenor und die Leute glauben es. Sie ja auch. Da kann ja auch der Autor dieser Rezension behaupten, es handle sich bei SB um Verdis schönste Oper, oder?
Ragnar Danneskjoeld
Verdis „wohl schönste Oper“. Offensichtlich handelt es sich bei dieser Einschätzung um ein sehr exklusives Geschmacksurteil, wie das ausbleibende Publikum zeigt. Ich persönlich kann hingegen nicht nachvollziehen, warum ausgerechnet diese Verdi-Oper mit kaum einer einprägsamen Melodie auf den Spielplänen so häufig angesetzt wird und immer mehr diejenigen mit einem Überfluss an Melodien verdrängt. Der vielgeschmähte „Trovatore“ z.B. wäre in einer einigermaßen ansprechenden Inszenierung sicherlich weit voller gewesen. An die zehn Mal habe ich mich in den letzten 17 Jahren in den „Boccanegra“ reingequält und war trotz teilweise hervorragender Gesangsleistungen niemals wirklich richtig glücklich. Ich persönlich will diese Oper kein weiteres Mal sehen – und offenbar geht es mir nicht alleine so.
Erwin Müller
Der Grund ist nicht „Simon Boccanegra“, bei „Tosca“ und „Il Turco in Italia“ war der Besuch trotz Starbesetzung mit Erwin Schrott und Regula Mühlemann und im Vergleich zu anderen Opernhäusern günstigen Preisen ähnlich schwach.
Hartmut Funke
Wenn Herr Schrott und Frau Mühlemann in Hamburg in die Kategorie Stars fallen, dann ist alles gesagt, was zu sagen wäre.
Wer sind denn für Sie bitte Stars / Sterne / Lichtgestalten in der Opernwelt?
Jonas Kaufmann? Anna Netrebko?
Haben Sie schon mal Herrn Schrott oder Frau Mühlemann LIVE gehört?
Erwin Schrott ist der mit Abstand beste Scarpia („Tosca“) der Jetztzeit…
Herzlich
Andreas Schmidt
Ich habe Schrott dutzendfach und Mühlemann mehrfach gehört. Ich mag beide und schätze sie. Stars sind sie trotzdem keine. Das erkennt man schon allein daran, dass keine erhöhten Preise verlangt werden. Sonst wäre die Butze in Hamburg noch leerer…
Ragnar Danneskjoeld
…. und wer sind für Sie bitte „Stars“? Jonas Kaufmann… ist der eine Lichtgestalt?
Herzlich
Andreas
Lieber Herr Schmidt,
verstehe ich Sie richtig, dass für Sie alle Sänger bzw. Sängerinnen, die sehr gute Leistungen erbringen, Stars sind? Ihrer Logik folgend müsste Horst Müller, der am Staatstheater Husum einen ganz hervorragenden Palestrina gesungen hat, auch ein Star sein.
Zudem würde mich interessieren, welche Scarpias der Jetztzeit Sie gehört haben, um diese Behauptung aufstellen zu können? Es müssen auf jeden Fall alle Scarpias gewesen sein. Ansonsten wäre Ihre Behauptung nicht haltbar. Oder bezieht sich Ihre Einschätzung nur auf Hamburg?
Hindemith
Liebe Frau oder lieber Herr Hindemith,
natürlich ist Horst Müller kein „Star“…
Alle Scarpias der Jetztzeit kann kein Mensch hören. Ich habe gehört und höre Scarpia in ganz Europa und in New York.
Und auf CDs, bei YouTube und Spotify.
Hören Sie sich Erwin Schrott als Scarpia einmal an, dann werden Sie mich verstehen…
Herzlich
Andreas Schmidt
Lieber Herr Schmidt,
das wird Horst Müller aber gar nicht gerne hören, dass er in Ihrer Welt kein Star ist!
Wenn Sie nicht alle Scarpias der Jetztzeit gehört haben, dann können Sie auch nicht behaupten, dass Schrott derzeit der mit Abstand beste Scarpia sei…
Hindemith
…ich habe sicher alle wichtigen gehört …und OK: Horst Müller ist ein Stern… Andreas Schmidt
Das liegt wohl an den jämmerlichen Inszenierungen der vergangenen Jahren. Gerne gehe ich ins gutbesuchte Kinos um mir die Übertragungen der Met anzuschauen und zu hören, da kann man noch richtig Oper erleben wie zuletzt zu Liebermanns Zeiten.
Herbert Sandleben
Die alten Zuhörer werden immer weniger. Für die jüngeren wird einiges getan um sie für die Oper zu gewinnen. In meiner Schulzeit, der fünfziger Jahre, gab es in der Schule noch Musikunterricht und in vielen Fällen haben die Eltern auch noch viel dazu beigetragen die Jugend für Klassik zu begeistern.
Langenbeck