Un giorno di regno: Garsington versucht sich an einem frühen Verdi – ob damit erfolgreich, bleibt offen

Giuseppe Verdi, Un giorno di regno  Garsington Opera, 29. Juni 2024

Fotos: Giorno © Julian Guidera

„Un giorno di regno“, Verdis einzige komische Oper, ein „Melodramma giocoso“, Jahrzehnte vor Verdis letzter, ungleich berühmterer und erfolgreicherer Komödie „Falstaff“ entstanden, auf die Bühne zu bringen war ein kühnes aber durchaus lohnendes Unterfangen der Garsington Opera, die sich sonst ja eher an bewährte und publikumsträchtige Werke hält.

Giuseppe Verdi
Un giorno di regno (ossia il finto Stanislao)
Libretto: Felice Romani

Dirigent: Tobias Ringborg
Regie: Christopher Alden
Bühne: Charles Edwards

Philharmonia Orchestra
Garsington Opera Chorus

Garsington Opera, 29.Juni 2024

von Dr. Charles E. Ritterband

Verdis Jugendwerk, das er mit nur 27 Jahren geschrieben hatte, war in seiner Uraufführung ein totaler Flop: An der weltberühmten Mailänder Scala wurde es genau an einem einzigen Tag – dem 5. September 1840 – aufgeführt und dann umgehend wieder abgesetzt. Verdi war damals so verzweifelt, dass er beschloss, das Komponieren aufzugeben (was er dann glücklicherweise wieder revidierte…). Das klägliche Scheitern dieser Oper war nur teilweise auf Verdis temperamentvoll-heitere Komposition zurück zu führen– es war der unzulänglichen Einstudierung, dem schwächlichen Libretto und dem nicht eben erstklassigen Ensemble geschuldet.

Der „Giorno“ jedenfalls blieb nach dem Mailänder Fiasco fast ein Jahrhundert lang verschollen. Ob Garsington dem vergessenen Werk Verdis mit dieser nicht wirklich begeisternden Inszenierung einen großen Gefallen tat, bleibe dahingestellt.

Die Inszenierung leidet an genau denselben Schwächen, die schon eine Woche zuvor bei der Garsington-Produktion von Rameaus Barockoper „Platée“ im Stil der TV-Reality-Shows zu kritisieren waren:

Ebenfalls eine radikale Transponierung ins Heute, mit riesigem Bildschirm über den in knalligen Farben unsägliche Videos (hier die „live“ Nachrichtensendung über das Geschehen) und, damals wie heute, eine Übervölkerung einer nicht sehr großen Bühne mit Dutzenden Statisten („Extras“), dort das schwarz gekleidete TV-Personal und hier (das ebenfalls schwarz gekleidete!) Personal der Leibwächter ihrer Majestät, die ununterbrochen und bis zum Überdruss zu ihren Revolvern greifen.

Giorno © Julian Guidera

Die ohnehin reichlich verquere Handlung wird durch diese zwar sehr temperamentvolle und durchaus einfallsreiche, aber doch ziemlich wirre Inszenierung nicht unbedingt klarer. Man folgt dem turbulenten Geschehen in einem ziemlich banalen Bühnenbild mit einem gewissen Überdruss und wartet auf die (allerdings wirklich genussreichen) Duette nach der großen Pause.

Die Musik des „Giorno“ ist ganz junger Verdi – viele munteren Klänge ganz im Verdi’schen Standardstil (was dem jugendlichen Komponisten ganz offensichtlich leichtgefallen sein muss und wohl auch gehörig Spaß gemacht hat), reichlich Belcanto, wie er natürlich in den späteren, ernsten Werken Verdis nicht mehr anzutreffen ist. Die Inspiration durch die Zeitgenossen des jungen Verdi, Donizetti und Rossini, ist unverkennbar – und wurde ihm als billige Anlehnung an die erfolgreichen Kollegen von der Kritik denn auch zum Vorwurf gemacht.

Das Philharmonia Orchestra unter der Stabführung des schwedischen Violinisten und Dirigenten Tobias Ringborg interpretierte diesen dynamisch-jugendlichen Verdi mit Verve.

Giorno © Julian Guidera

Der musikalische Höhepunkt war zweifellos das Duett des neuseeländischen Tenors Oliver Sewell mit zauberhaftem tenoralem Schmelz als Edoardo di Sanval mit der Giulietta der vielversprechenden, mit herrlicher Leuchtkraft intonierender Sopranistin Madison Leonard. Die englische Mezzosopranistin Christine Rice brachte die Marchesa del Poggio mit samtenem Timbre und natürlicher stimmlicher Kraft.

Giorno © Julian Guidera
Der Titel dieser Oper „Ein Tag als König“ wurde zur geradezu schicksalshaften Prophezeiung für Verdi selbst: mit dieser Oper wurde er genau für einen Tag König  – der Mailänder Scala…
Doch glücklicherweise sollten später zahllose weitere Schicksalstage folgen, welche das Akronym „VERDI“ – Vittorio Emanuele re d’Italia – zum positiven Attribut werden ließen (allerdings im politischen Kontext der Befreiung und Einigung Italiens unter König Vittorio Emanuele).

Dr. Charles E.  Ritterband, 29. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung:

Baron von Kelbar: Henry Waddington  
La Rocca, Financier: Grant Doyle
Belfiore/Stanislaus: Joshua Hopkins
Marchesa del Poggio: Christine Rice
Edoardo di Sanval: Oliver Sewell
Giulietta: Madison Leonard

Wolfgang Amadeus Mozart, Le nozze di Figaro Garsington Opera, 28. Juni 2024

Benjamin Britten, A Midsummer Night’s Dream Garsington Opera, 27. Juni 2024

Georg Friedrich Händel, Giulio Cesare Glyndebourne, 24. Juni 2024

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