Kölner Philharmonie, 7. September 2024
Gürzenich-Orchester Köln
Kölner Bürgerchor
Lorenzo Viotti, Dirigent
Michael Ostrzyga, Einstudierung
Siobhan Stagg, Sopran Claudia Mahnke, Mezzosopran
Gustav Mahler – Sinfonie Nr. 2 in c-Moll für Sopran, Alt, Chor und Orchester – „Auferstehungssinfonie“
von Daniel Janz
Aller guten Dinge sind 3. Nachdem wir in der Domstadt am Rhein fast eine Dekade auf die Aufführung von Mahlers „Auferstehungssymphonie“ warten mussten, gibt es sie heute also nun zum dritten Mal innerhalb eines Jahres. Diesmal vom Gürzenich-Orchester, das trotz fabelhaftem Ruf zuletzt wegen weniger erfreulicher Nachrichten in den Schlagzeilen stand. Heute aber soll es ganz um die Musik gehen.
„Ich habe diese Sinfonie noch nie so gut gehört“ – so ein Sitznachbar nach dem Konzert. Dem kann sich der Rezensent nicht anschließen. Gut war das heute Abend, über weite Strecken sogar herausragend. Aber unangefochten? Nein, vor einem Jahr erst gab es diese Sinfonie hier in besserer Aufführung. Und auch die Darbietung vom WDR Sinfonieorchester im letzten November hatte zum Ende hin mehr Pepp. Aber wie kann das sein, dass das – erst kürzlich vom Rezensenten zum „bestes Orchester im Rheinland“ gekürte Ensemble diesmal das Nachsehen hat? Eine Spurensuche…
Nach dem Skandal um François-Xavier Roth, dem (inzwischen ehemaligen) Kölner Generalmusikdirektor, und der Auflösung seines Vertrags ist es leicht, mit dieser Sinfonie auch die Wiederauferstehung dieses Orchesters heraufzubeschwören. Man gibt sich gelöst, ja fast befreit, als nach einer pedantisch technischen aber inhaltlich dürftigen Einführung der erste Satz erklingt. Diese Töne ergreifen durchaus. Über weite Strecken ist dies unter dem jungen schweizer Dirigenten Lorenzo Viotti (34) sogar auf Niveau einer Referenzaufnahme. In einer guten Mischung aus Dramatik und Sensibilität erstrahlt die Musik unter ihm. Einzig etwas mehr Explosivität beim Aufbäumen des Dies irae als Vorwegnahme des Weltuntergangs wäre schön gewesen.
Dafür stechen die sensiblen Momente unter Viotti klar hervor. Das Versprechen vom Paradies gelingt ähnlich feinfühlig, wie der zweite Satz, zu dem er eine Vorliebe zur Langsamkeit entdeckt. Dirigent und brillierende Streicher schaffen es aber, hier durchgehend die Spannung aufrechtzuerhalten. Großes Lob gilt auch den durch die Bank Weg fabelhaften Holzbläsern und der ersten Trompete, die sich bereits in Satz 1 mit Schärfe im Ton und kristalliner Klarheit in der Höhe in alle Herzen gespielt hat.
Mit Expressivität und Feuer gelingt auch der dritte Satz in einer atemberaubenden Dynamik. Während die Blechbläser choralartig immer wieder ihre Einwürfe zu „Antonius von Panduas Fischpredigt“ zelebrieren und das Schlagzeug sich bedrohlich aufbäumt, schaffen besonders die fein eingestreuten Soli der ersten Violine, Oboe und Flöte fröhliche Momente. In der Tat – so gut hört man diesen Satz selten!
Nicht weltbewegend aber immerhin solide gelingt im vierten Satz das Altsolo. Auch zu dieser Aufführung sind beide Solistinnen für ihren Gesang hinter dem Orchester auf der Tribüne platziert. Claudia Mahnke (56) aus Crimmitschau bei Zwickau darf den Einstieg leisten und bringt das Urlicht-Lied als sehnsüchtiges Streben der menschlichen Seele sehr einfühlsam dar. Was hier – auch durch die zurückhaltende Instrumentation – noch relativ gut gelingt, stellt sich aber später als Nachteil heraus. Denn zum Finale hin wird sie doch immer wieder vom Orchester übertönt.
Noch mehr fällt dies bei Siobhan Stagg (36) aus Australien auf. Ihren kleinen Einsatz zum Ende der Sinfonie singt sie zwar komplett auswendig und mit Inbrunst in der Stimme. Doch lässt die Textverständlichkeit bei ihr noch mehr zu wünschen übrig, was auch daran liegt, dass das Orchester die beiden Solistinnen über weite Strecken mit seiner furiosen Klangewalt überdeckt. Das lässt sich besser lösen, indem man die Solistinnen vor das Orchester stellt! Oder – wenn unbedingt nötig – mit Mikrofon.
Aber auch instrumental brechen zum Finalsatz auf einmal Schwächen durch; die bisherige Souveränität lässt unerklärlicherweise nach. Nicht nur sammeln sich unsaubere Töne vom Blech an – besonders das Fernorchester fällt stellenweise unangenehm auf. Auch passt es mit dem Tempo nicht mehr. Warum das so einreißt, lässt sich nicht sicher sagen. Möglich könnten nicht genug Proben oder ein Nachlassen der Konzentration sein. Eigentlich kann dieses Orchester das besser.
Darunter leidet insbesondere die Weltuntergangsfuge, erneut mit dem Dies irae als Thema. Die erste Hälfte dieser Fuge gelingt zügig, ja regelrecht fulminant. Warum Lorenzo Viotti aber auf halber Strecke das Tempo dehnt und so das Feuer dieser Musik ersticken lässt, braucht man nun wirklich nicht verstehen. Im Vergleich dazu preschte dieselbe Stelle beim WDR Sinfonieorchester unaufhaltsam voran. Schade.
So ist es am Ende der Kölner Bürgerchor, der diese Aufführung ein Stück weit rettet. Obwohl dies ein Laien-Chor ist, können sie der Sinfonie zum Finale hin doch das Maß an Kraft verleihen, für das dieses Werk letztendlich berühmt wurde. Auf dem Niveau eines Profi-Chors treten sie dem Orchester erst langsam und leise bei, nur um dann in der prächtigen Auferstehungshymne mit Orgelbegleitung und Glockenschlägen zu münden. Hier merkt man die aufwändigen Proben, die sie unter Michael Ostrzyga (48), Generalmusikdirektor der Universität zu Köln, geleistet haben müssen. Wie auch schon in der Vergangenheit war er die richtige Wahl für dieses Engagement.
Diesem Einsatz ist es letztendlich auch zu verdanken, dass das Publikum danach in Massen aufsteht und Dirigent, Orchester, Chor und Solistinnen in einem fulminanten Applaus mit zahlreichen Bravorufen feiert. So kritische Meinungen, wie die vom Rezensenten sind wohl in der Minderheit. Vielleicht ist einfach der Vergleich zu den anderen Aufführungen noch zu frisch? Andererseits muss man auch anerkennen, dass es jetzt weder Enttäuschung noch Ausfall war. Wie zu Eingang gesagt – gut war das heute Abend, über weite Strecken sogar herausragend. Aber nicht unangefochten.
Daniel Janz, 8. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Ich fand die Tempi in den ersten Sätzen sehr schleppend.
Das Fernorchester war teilweise eine Katastrophe, am Anfang kaum zu hören.
Wurde das eigentlich nur eingespielt (Lautsprecher), waren die Musiker gar nicht da?
Die Pause nach dem ersten Satz war viel zu kurz! Mahler verlangt 5 Minuten.
Die Solisten gehören vor oder ins Orchester.
Prof. Dr. Rainer Schark