John Osborn stiehlt in Wien allen die Show

Gioachino Rossini, Guillaume Tell,   Wiener Staatsoper, 13. März 2024

John Osborn und Lisette Oropesa © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Es gäbe nur zwei Tenöre, die in der Lage wären, den Arnold in „Guillaume Tell“ zu singen: Juan Diego Flórez und John Osborn, hat mir Mal eine ORF-Kulturlady gesteckt. Letzterer hat das nun eindrucksvoll an der Wiener Staatsoper bewiesen. Nur das Publikum sieht Lisette Oropesa um einen Hauch weiter vorne. Lautstarker Beifall aber für beide.

Gioachino Rossini, Guillaume Tell
Wiener Staatsoper, 13. März 2024

von Jürgen Pathy

„Das ist net meine Oper, da ist keine Spannung drin – aber die Inszenierung ist schön“. Die Regietheater-Gegner haben mit der Inszenierung von David Pountney sicherlich ihre Freude. Klassisch, eine Menge Trachten, mit einigen genialen Einfällen aufgepeppt und modernisiert. Hätte der Herr mit seinem Urteil bis nach der ersten Pause gewartet, wäre sein Resümee auch musikalisch weniger vernichtend ausgefallen. Rossinis letztes Meisterwerk auf den Punkt gebracht: Wenn Mozart bei der Partitur ansetzt und den Füller an Beethoven weiterreicht.

Bei Rossini bewegt sich Bertrand de Billy in sicheren Gewässern

Dirigent Bertrand de Billy findet bei Rossini auch zu gewohnter Leichtigkeit. Nein, die Oper war nach wenigen Minuten noch nicht zu Ende. Hätte man fast meinen können, nachdem es das Publikum bereits nach der rasanten Ouvertüre von den Sitzen reißt. Der Graben ist auch prominent besetzt. Obwohl die Wiener Philharmoniker wenige Tage zuvor noch auf US-Tournee ausgeflogen waren, scheint es, als wäre die komplette Garnitur wieder auf heimischem Boden. Geschäftsführer Michael Bladerer erspäht das Auge ebenso, wie Daniel Ottensamer an der Solo-Klarinette oder weitere bekannte Gesichter.

Der Star des Abends ist aber sicherlich John Osborn. Es gäbe nur zwei Tenöre, die in der Lage wären, den Arnold in „Guillaume Tell“ zu singen: Juan Diego Flórez und John Osborn, hat mir Mal eine ORF-Kulturlady gesteckt. Im Gegensatz zum leichtgewichtigen Flórez, führt der US-Amerikaner seine Stimme aber nicht nur grazil ins Rennen, sondern weiß auch dramatische und voluminöse Akzente zu setzen.

Von allen gelobt, dennoch mit einigen Fragezeichen

Lisette Oropesa an seiner Seite ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite von Publikum und Kritik verehrt und gefeiert. Auf der anderen Seite scheint es, als wäre die US-Amerikanerin nicht in der Lage, eine feine Piano-Kultur zu etablieren. Ihr markantes Dauer-Vibrato ist auch Geschmackssache. Als Mathilde weiß sie das zwar einigermaßen zu drosseln, ganz in die Schranken verweist sie dieses fast schon manieristische Spiel mit der Stimme jedoch nicht. Kann man als „unglaublich farbenreichen Koloratursopran“ loben, muss man aber nicht mögen. Alles subjektiv, genauso wie beim Timbre oder der speziellen Stimmfarbe.

Nichts zu bezweifeln gibt es bei Jean Teitgen. Da meint man vor wenigen Wochen noch, die Direktion Roščić habe keine Neuentdeckungen hervorgebracht, da läuft einem der französische Bass auf der Bühne über den Weg. Ein markante, virile Stimme, die als Gessler kernig und klar artikuliert. Evgeny Solodovnikov als Melchthal hinterlässt auch einen einwandfreien Eindruck. Neben Altstar Roberto Frontali, der in der Titelpartie als Wilhelm Tell überzeugt, komplettiert das junge Ensemblemitglied das solide Gespann an dunklen, tiefen Stimmen.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 19. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Gioachino Rossini, Guillaume Tell, Jane Archibald (Mathilde), John Osborn (Melchthal), Theater an der Wien

Ein Gedanke zu „Gioachino Rossini, Guillaume Tell,
Wiener Staatsoper, 13. März 2024“

  1. Guten Morgen, Herr Pathy,
    Hiermit erlaube ich mir, Sie auf die Kritik über Guillaume Tell von Herrn Prochazka aufmerksam zu machen. Wenn Sie so weit sind, eine solche bis ins Detail fundierte Kritik zu verfassen, werden Sie nicht mehr als Blogger gelten, sondern als Kritiker.
    Frohe Ostern.
    Sheryl Cupps

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