Beethoven mal anders: Das Hagen Quartett räumt die Melancholie aus dem Weg

Hagen Quartett  Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal, 18. Juni 2024

Hagen Quartett © Harald Hoffmann

Fragender Blick nach oben. So nach dem Motto: „Seid’s as? – einen Beethoven stört man nicht. Den Nachbarn rechts von mir reißt’s auch jedes Mal. Wenn ein, zwei Störenfriede im Mozart-Saal sich ihrer Schleimreste entledigen. Das Hagen Quartett bringt so schnell aber nichts aus der Ruhe. Ihren Beethoven kennen sie aus dem Effeff. Haydn lehnen sie am unerreichbaren Ludwig van an. Nur Ravel tanzt harmonisch aus der Reihe.

Hagen Quartett

Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal, 18. Juni 2024

von Jürgen Pathy

„Gfoit’s da?“, fragt eine Dame ihre jüngere Begleitung. Strahlendes Lächeln und Kopfnicken als Antwort. Da hat das Hagen Quartett gerade zu Beethovens letztem Streichquartett angesetzt. Das in F-Dur, eine Komposition aus dem Jahre 1826, mit dem Beethoven einem gewissen Gustav Mahler eine Steilvorlage liefert. Dritter Satz, „Lento assai“, das heißt „sehr langsam“, aber bitte: „e cantato tranquillo“ – mit ruhigem Ton, ausdrucksvoll singend. Aus diesen Anfangstakten hatte Mahler ein halbes Jahrhundert später vermutlich seine Ideen gefunden, um mit dem letzten Satz seiner Dritten die ganze Welt auf die Knie zu zwingen.

Beethoven: Optimismus lautet die Devise

Beim Hagen Quartett klingt das alles viel unbeschwerter. Vom Gewicht befreit, das man Beethoven sonst sehr gerne auf seine Schultern packt. Kann man mögen, muss man aber nicht. Dass man dabei an die Interpretation des „Sonnenaufgangs“ anknüpft, Haydns Streichquartett Hob. III/78 in B-Dur, ist vermutlich mit Absicht so gewählt. 1797 komponiert, hatte Haydn hier wiederum schon eine Brücke gelegt, an dem sich Beethovens Spätwerk orientiert. Man sieht: Alles entspringt aus allem, alle sind auf irgendeine Art und Weise miteinander verwurzelt.

Nur Ravel, der tanzt ein wenig aus der Reihe. Sein Streichquartett, das in F-Dur, lässt sich harmonisch weder bei Beethoven, Haydn noch bei Mahler einordnen. Ein wenig Richard Strauss vielleicht, der die Grenzen der Tonalität auch nie wirklich radikal überschritten hat, aber ständig daran gekratzt. Mehr Gewicht hätten alle allerdings vertragen. Zumindest dem Wiener Idealbild nach, wo man den Hang zur Morbidität mit großer Fürsorge pflegt. Das Hagen Quartett sieht’s anders. Macht nichts: Optimismus statt Melancholie – kann auch in Wien mal für Abwechslung sorgen.

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