„Il Giustino“ von Vivaldi strandet szenisch im seichten Wasser

Il Giustino, Dramma per Musica in drei Akten (1724) Musik von Antonio Vivaldi  Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 20. November 2022 Premiere

Foto: Raffaele Pe (Anastasio), Christophe Dumaux (Giustino), Olivia Vermeulen (Amanzio), Kateryna Kasper (Arianna), Komparse (Amor) © Matthias Baus

Il Giustino
Dramma per Musica in drei Akten (1724)
Musik von Antonio Vivaldi
Text von Antonio Maria Lucchini nach Nicolò Beregan und Pietro Pariati

Staatsopernchor
Akademie für Alte Musik Berlin
René Jacobs, musikalische Leitung

Barbora Horáková,
Inszenierung
Thilo Ullrich, Bühnenbild
Eva-Maria Van Acker, Kostüme

Raffaele Pe, Anastasio
Kateryna Kasper, Arianna
Christophe Dumaux, Giustino
Robin Johannsen, Leocasta
Siyabonga Maqungo, Vitaliano
Helena Rasker, Andronico

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 20. November 2022  Premiere

von Peter Sommeregger

Die ab dem 2. Dezember 2022 an der Staatsoper stattfindenden traditionellen Barocktage werfen ihren Schatten bereits voraus: schon vor Beginn des Festivals hat Vivaldis Version von „Il Giustino“ Premiere. Als Orchester fungiert die Akademie für Alte Musik, ein renommiertes Berliner Ensemble. Dirigent ist der inzwischen in Ehren ergraute René Jacobs, der aber nichts von seinem jugendlichen Feuer eingebüßt hat, wenn es um Barockmusik geht.

Auch diesmal gelingt ihm eine stilreine, stimmige Interpretation dieser Oper, die stets ein wenig im Schatten der Vertonung des gleichen Stoffes durch Händel steht. Jacobs lässt höchst sensibel die Eigenheiten des persönlichen Stils von Vivaldi erkennen. Der legt seine Arien zum Teil extrem breit und getragen an, was keine leichte Aufgabe für die Sänger bedeutet. Das homogen zusammengesetzte Ensemble vorzüglicher Barock-Spezialisten liefert aber großartige Leistungen.

Raffaele Pe (Anastasio) © Matthias Baus

Die beiden Countertenöre Christophe Dumaux in der Titelrolle und Raffaele Pe als Kaiser Anastasio wetteifern um die Gunst des Publikums mit ihren sehr individuell timbrierten Stimmen. Dem etwas dunkleren Dumaux sind die eher lyrischen Arien zugeordnet, dem heller timbrierten Pe die temperamentvolleren Nummern.

Christophe Dumaux (Giustino) © Matthias Baus

Bei den Sopranen wetteifern Kateryna Kasper als Arianna und Robin Johannsen als Leocasta mit ihren agilen, höhensicheren Stimmen, wobei Kasper am Ende schon wegen der umfangreicheren Rolle den ersten Platz belegt. Siyabonga Maqungo als Vitaliano verfügt über eine schöne, sichere Höhe, die tieferen Register scheinen bei ihm aber nicht vorhanden zu sein.

Kateryna Kasper (Arianna), Robin Johannsen (Leocasta) © Matthias Baus

Leider litt die gesamte Aufführung unter der – freundlich formuliert – unbedarften Inszenierung Barbora Horákovás. Die begeht den Fehler, dem Stück nicht zu vertrauen, und es deshalb als eine „Jede-Minute-ein-Gag-Sitcom“ zu präsentieren. Was man drei Stunden lang optisch erdulden muss, stammt wohl vom tiefsten Grund der Kiste mit aussortierten Bühnengags. Das Bühnenbild von Thilo Ulrich und die Kostüme Eva-Maria Van Ackers animieren ebenfalls eher zum Wegschauen. Das ist alles stil- und konzeptlos hingeklotzt, funktioniert technisch auch nicht wirklich. Der gesamte Fundus wirkt wie zum Abverkauf angeboten.

Der musikalisch hervorragenden Aufführung hätte man ein ansprechenderes optisches Erscheinungsbild gewünscht und fragt sich, was wohl Regieteams solcher „Qualität“ selbst an erste Häuser bringt.

Peter Sommeregger, 21. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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