Inszenierung pfui, Dirigent hui – Philippe Jordan lässt Tatjana Gürbacas „Il trittico“ Theater in den Hintergrund rücken

Giacomo Puccini, Il trittico  Wiener Staatsoper, 24. Februar 2024

Il trittico © Michael Pöhn

666 – the number of the beast. An Philippe Jordan liegt es nicht, dass nur meine Garderobennummer etwas Diabolisches vermittelt. Der Musikdirektor der Wiener Staatsoper holt aus Puccinis „Il trittico“ alles nur Erdenkliche heraus. Viel gibt die Partitur des zusammengestückelten „Dreiakters“ aber nicht her. An Tatjana Gürbacas Inszenierung erfreuen sich auch nur die Freunde der Blasphemie.

Il trittico
Giacomo Puccini

Wiener Staatsoper,
24. Februar 2024
von Jürgen Pathy
Die Premierenserie ist noch gar nicht so lange her. Mit Tatjana Gürbacas Neuproduktion von Puccinis „Il trittico“ trifft man vermutlich gerade den Nerv der Zeit. Biederes Holzbühnenbild, eine gewisse Farbgebung der Kostüme, im Hintergrund ein Schriftzug aus Leuchtröhren, um das Ganze aufzupeppen – voilà, fertig ist die Oper 4.0. Mich holt man damit nur schwer aus der Couch, das Haus ist aber voll.

Der einzige Drang die Wiener Staatsoper zu besuchen, geht von Philippe Jordan aus, der bei „Suor Angelica“ eine weitere Meisterschaft erkennen lässt. Barockähnliche Reduzierung, die beinahe an Monteverdi erinnert, gepflegt und sanft über eine Stunde dahingleiten zu lassen. Piano, also „leise“, dürfte die überwiegende Notierung sein. Forteausbrüche, die Puccini sonst oft gleich zu Beginn setzt, erlebt man nur zum Ende. Auf energische Klangwogen, die ein Drama aufheizen, hat der italienische Komponist hier zur Gänze verzichtet.
Philippe Jordan © Johannes Ifkovits
Nicht das beste Werk von Puccini
Der Rest des zusammengestückelten „Dreiakters“ ist Geschmackssache. Über „Il tabarro“, den ersten Teil, hülle ich den „Mantel“ des Schweigens. Den zweiten Teil, „Suor Angelica“, erreiche ich auf Umwegen. Auf der Wiener Ringstraße demonstriert man, die Wiener Linien sind verspätet. Elena Stikhina kann als Schwester Angelica nicht die Wärme einer Eleonora Buratto verströmen. Letztere hatte noch zur Premierenserie das Werk veredelt.
Für „Gianni Schicchi“ würde ich das Haus am liebsten frühzeitig wieder verlassen. Augen zu, Ohren zu, obwohl KS Carlos Álvarez auf der Bühne das Werk mit seiner Schauspielkunst ordentlich aufpoliert. Michaela Schuster mit ihrer Vielseitigkeit beweist, dass sie an der Wiener Staatsoper zu Recht schon fast ihren Zweitwohnsitz gemeldet hat. Und Bogdan Volkov, ein Rohdiamant, der in den wenigen Gesangsszenen seinen grazilen Tenor wieder geschmeidig fließen lässt. Schade nur, dass Regisseurin Tatjana Gürbaca ihn im Kostüm zum Esel macht.
An Blasphemie grenzender Klamauk
Die Inszenierung hat natürlich ihre Qualitäten: Die Personenführung beherrscht Gürbaca fast so grenzgenial wie Barrie Kosky. Der Gedanke hinter vielen Szenen ist ebenso durchaus nachvollziehbar: „Gianni Schicchi“ handelt von der Scheinheiligkeit, mit der man ein Erbe erschleichen will. Die Umsetzung widerspricht meinem Verständnis für Ästhetik aber zur Gänze!
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 25. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Giacomo Puccini, Il Trittico, Wiener Staatsoper, 4. Oktober 2023, Premiere

Giacomo Puccini: Il Trittico Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2024

Giacomo Puccini, Il Trittico Deutsche Oper Berlin, 14. Dezember 2023

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