10 Fragen an die Star-Klarinettistin Alexandra Gruber: "Aktuell höre ich mich durch die Spotify-Playlisten meiner Kinder"

Interview: 10 Fragen an Alexandra Gruber  klassik-begeistert.de

Die Klarinettistin Alexandra Gruber wurde in Freudenstadt/Schwarzwald geboren. Sie studierte von 1994 bis 1999 an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Bereits in dieser Zeit wirkte sie regelmäßig in Konzerten des Bachkollegiums Stuttgart und des Stuttgarter Kammerorchesters mit. Alexandra Gruber war zweifache Preisträgerin im Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“. Als Lehrbeauftragte war sie von 2000 bis 2005 am Richard-Strauß-Konservatorium tätig. Sie ist seit 1998 Solo-Klarinettistin bei den Münchener Philharmonikern. Sie tritt als vielgefragte Solistin und Kammermusikerin auf. Alexandra Gruber hat sich aktuell mit ihrem Ehemann und den 20- und 16-Jahre alten Kindern in das gemeinsame Haus in einem Dorf nahe des Ammersees zurückgezogen.

Interview: Dr. Petra Spelzhaus

klassik-begeistert.de: Was haben Sie vor einem Jahr getan, und wie sieht Ihr Alltag heute aus?

Alexandra Gruber: Vor einem Jahr war ich auf Konzertreise mit den Philharmonikern. Wir führten in Köln, Frankfurt und Wien Bruckners 4. und Schostakovischs 5. Symphonie auf. Zeitgleich bereitete ich einen Besuch von Freunden aus Japan vor. Mein Alltag heute besteht im Familienleben, darin, dass ich vier Leute zu bekochen habe. Wir genießen die gemeinsame Zeit. Natürlich übe ich auch. Zugegebenermaßen lässt hierfür aber ein wenig die Motivation nach.

Nennen Sie bitte drei Schlagworte, wenn Sie das Wort Corona hören…

Weltweit, Beschränkungen, Solidarität.

Welches sind die einschneidendsten Veränderungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie? Können Sie ihr auch etwas Positives abgewinnen?

Besonders einschneidend ist, dass ich meine Freunde und die Familie nicht treffen kann. Ich darf nicht beim Umzug meines Bruders helfen. Das Zuschauen tut schon weh. Andererseits habe ich jetzt viel Zeit für meinen Mann und die Kinder. Wir sind jeden Tag draußen , egal wie das Wetter ist. Wir Joggen und fahren Fahrrad. Musikalisch betreibe ich Studien und spiele täglich Etüden um fit zu bleiben. Ich habe eine große Bibliothek von Orchesterstücken, ich spiele mit Kopfhörern dazu. Anfangs klappte es nicht wegen der Wehmut, die lässt jetzt langsam nach.

Womit verdienen Sie sich normalerweise ihre Brötchen? Wie ist die Situation nach Aussetzen sämtlicher kultureller Veranstaltungen?

Ich habe eine Festanstellung bei den Münchener Philharmonikern und muss mir finanziell keine Sorgen machen. Ich bin sehr dankbar für diese Sicherheit. Nebenbei bin ich in Kammermusikprojekten aktiv und unterrichte. Aktuell sind alle kulturellen Veranstaltungen einfach weg. Wir fragen uns natürlich, wie es mit den Philharmonikern weitergeht, was ist mit den Tourneen? Die Kammermusikprojekte fallen weg. Sporadisch unterrichte ich per Skype oder WhatsApp. Ich habe viele freischaffende Kollegen, denen sämtliche Einnahmen weggebrochen sind. Ich bin im regen Austausch mit den Musikern und der Orchesterverwaltung, da die Philharmoniker einen „privaten Rettungsschirm“ gespannt haben. In München sind aktuell viele städtische Stellen krankheitsbedingt nicht besetzt, so auch in diversen Referaten. Die Stadt München hat bei den Philharmonikern angefragt, ob wir aushelfen können. Ich betreue ab kommender Woche beispielsweise das Kontakttelefon für Corona-Erkrankte. Andere Kollegen gehen für ältere Mitmenschen Einkaufen und fahren Essen aus. So leisten wir einen Beitrag an Stellen, die gerade Hilfe benötigen.

Münchner Philharmoniker, (c) wikipedia.de

Wie gelingt es einem Musiker, ohne Publikum bei Laune zu bleiben?

Ich bin grundsätzlich als positiver Mensch gut aufgelegt. Ich habe gerade mit einem Kollegen Klarinettenduette über WhatsApp gespielt, was sehr viel Spaß gemacht hat. Ansonsten hoffe ich auf bessere Zeiten.

Eine Frage, die mich als Ärztin besonders interessiert: Mit welchem Musikwerk stimulieren Sie Ihr Immunsystem?

Aktuell tatsächlich mit den Spotify-Playlisten meiner Kinder. Fürs Herz ist das Schubert Oktett und die Gran Partita von Mozart.

Momentan verbringen viele Musikliebhaber viel Zeit in ihren eigenen vier Wänden. Gibt es ein Buch, eine CD oder auch Streamingangebot, das Sie uns dringend empfehlen würden?

Jetzt werden endlich die drei Bücher von Yuval Harari komplett gelesen. Ansonsten kann ich natürlich sehr den Streaming-Kanal der Münchener Philharmoniker empfehlen. Dort sind viele Konzerte zu sehen, aber auch kleine Videos der Musiker, wie sie zum Beispiel mit ihren Familien musizieren.

Kommen wir zur ersten Frage zurück: Wo sehen Sie sich in einem Jahr?

In einem Jahr sind Osterferien. Wahrscheinlich mache ich mir beim Skifahren Gedanken, wie ich meine Familie bekochen kann. Seitens des Orchesters ist eine Asientournee geplant. Nebenbei plane ich Kammermusikproben mit Kollegen.

Es gibt Zukunftsforscher, die nach überstandener Corona-Krise eine Verbesserung des Weltklimas -ökologisch wie sozial- prophezeien. Teilen Sie diese Einschätzung? Wie ist Ihre Vision?

Ich würde mir wünschen, dass die erzwungene Entschleunigung die Achtsamkeit schärft. Durch vermehrte Nutzung der digitalen Medien, beispielsweise Videokonferenzen, können Flüge reduziert werden. Wir haben also eine Chance auf mehr Klimaschutz. Wünschenswert wäre, dass der ein oder andere Staatschef, der die Corona-Krise verharmlost hat, mittlerweile abgewählt ist.

Schauen wir in die Glaskugel: Die Heilige Corona, auch Schutzpatronin gegen Seuchen, hat ein Einsehen mit uns und beendet die Pandemie. Alle Musikclubs, Theater und Opernhäuser öffnen wieder. Für Ihren ersten Auftritt haben Sie drei Wünsche frei: Wo, in welcher Produktion und mit wem teilen Sie die Bühne?

Wir machen in München den Odeonsplatz bis zum Siegestor zum großen Open Air-Konzertsaal. Meine Münchener Philharmoniker treten gemeinsam mit freischaffenden Künstlern auf. Wir spielen die Symphonie aus der neuen Welt. Die Veranstaltung ist kostenfrei, aber wir sammeln Spenden für die vielen Helfer in der Corona-Krise. Diese könnten anschließend zum Beispiel mit einem schönen Abendessen belohnt werden. Ich habe bereits diesen Wunsch an unseren Intendanten weitergegeben.

Vielen Dank für dieses Interview.

Das Gespräch moderierte die Münchner Ärztin und Musikerin
Dr. Petra Spelzhaus, 31. März 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Dr. Petra Spelzhaus, München

 

 

 

 

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